In den vergangenen Jahren haben fast alle Anbieter – von den internationalen Großbanken über regionale Finanzinstitute bis hin zu spezialisierten Direktbanken – ihre Zugangskanäle differenziert erweitert. Sie sind für ihre Kunden über Filialen, Call Center, Selbstbedienungsterminals und Internetbanking erreichbar. Außerdem gewinnt der Einsatz mobiler Außendienstmitarbeiter an Bedeutung, die Kunden zu Hause oder an ihrem Arbeitsplatz betreuen.
Beim Aufbau der zusätzlichen Kanäle war und ist Geschwindigkeit ein wesentliches Kriterium. Um ihr gerecht zu werden, wurde die IT- Unterstützung häufig neu entwickelt und redundant zu den bestehenden Kanälen ausgelegt. Während mit dieser Strategie in der Vergangenheit schnelle Erfolge realisiert werden konnten, stößt sie heute mehr und mehr an ihre Grenzen:
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Die Gesamtsicht auf den Kunden über alle Kanäle hinweg geht zunehmend verloren, was sowohl den Kundenbedürfnissen als auch den Vertriebskonzepten der Banken widerspricht.
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Aufsichtsrechtliche Anforderungen zur Bereitstellung von Informationen lassen sich nur durch zusätzliche und kostenintensive Anwendungen zur Datenkonsolidierung erfüllen.
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Redundanzen in den Kanälen erhöhen die Komplexität und steigern die Fehleranfälligkeit.
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Die Konsistenz des Angebots und die Time-to-market für neue Produkte und Leistungen leiden unter den unterschiedlichen Kanälen.
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Kosten für die Wartung und Pflege der Anwendungen multiplizieren sich mit der Anzahl der Kanäle.
Modernisierung der Architektur als Voraussetzung
Eine Optimierung einzelner Anwendungen hat vor diesem Hintergrund keinen nachhaltigen Effekt. Vielmehr ist die umfassende Analyse und Modernisierung der Systemarchitektur im Hinblick auf eine Multichannel-fähige IT Struktur erforderlich. Dabei ist die Entkopplung der Front-ends ("Channels") von der eigentlichen Business-Logik im Back-end-Bereich entscheidend. Dies wird durch einen Middle Layer mit standardisierten Schnittstellen und offener Architektur unter Verwendung von Standards wie XML erreicht.
Im Front-end-Bereich kommen sehr häufig browser-basierte Anwendungen zum Einsatz. Dadurch lässt sich zum einen die Abhängigkeit von Hardware und Betriebssystemen reduzieren, zum anderen wird durch diese Technologie ihre Wiederverwendbarkeit über die verschiedenen Kanäle hinweg in einem hohen Maß sichergestellt.
Im Backend müssen Banken erhebliche Datenmengen "on-the-fly" verarbeiten. Hierzu kommen in der Regel spezialisierte Hostsysteme oder dedizierte Servercluster zum Einsatz. Zur weiteren Optimierung werden die einzelnen Produkte und Prozesse aus den verschiedenen Kanälen im Back-end kanalübergreifend zusammengefasst. So lassen sich Redundanzen vermeiden und Skaleneffekte realisieren.
Die Front-end- und Back-end-Welten werden durch flexible und standardisierte Schnittstellen verbunden, deren offene Architektur zugleich die Entkopplung von Front-end- und Back-end-Systemen unterstützt. Offene Schnittstellen ermöglichen darüber hinaus die Verwendung von Standard-Software und helfen somit, die Fertigungstiefe individuell und kostenoptimal festlegen zu können.
Modulare Services und serviceorientierte Prozesse in der Anwendungsarchitektur
In der Anwendungsarchitektur werden verstärkt einzelne Module und Services (im Sinne einer Service Orientierten Architektur SOA) eingesetzt. Somit können einzelne Module wie etwa die Autorisierung des Kunden in verschiedenen Kanälen ohne spezielle Anpassung zum Einsatz kommen. Die Modularisierung erfordert dabei aber einen abgestimmten Bebauungsplan über die verschiedenen Architekturelemente hinweg.
Durch die Nutzung gemeinsamer Services lassen sich die Prozesse und Abläufe in den Banken trotz unterschiedlicher Front-ends vereinheitlichen. Diese Standardisierung führt in den Fachbereichen und in der IT gleichermaßen zu Effizienzgewinnen.
Zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren einer Modernisierung der Anwendungsarchitektur gehören:
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Realtime-/Neartime-fähige Anwendungsarchitekturen
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Offene Schnittstellen zur Integration von Standard-Software und zum kosteneffizienten Austausch von Modulen
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Saubere und klare Kapselung von Modulen und Services zur Erhöhung der Wiederverwendbarkeit
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Browser-basierte Front-end-Architekturen
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Plattformunabhängigkeit
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Gemeinsame Datenbasis für zentrale Informationen über alle Kanäle hinweg
Multichannel auch für andere Branchen ein Thema
Banken und Finanzdienstleister haben schon früh Call Center und Internet als zusätzliche Kanäle genutzt. Mittlerweile werden aber in nahezu allen Industrien Dienstleistungen und Services über verschiedene Kanäle angeboten: Beispiele sind der Vertrieb von Reisen über Internet und Telefon, spezielle Mobilfunktarife bei Direktkunden, günstigere Versicherungen bei Abschluss über das Internet oder die zunehmende Bedeutung des Internets für Versandhändler. Fast alle Branchen stehen vor vergleichbaren Herausforderungen für die Umsetzung zukunftsfähiger Multichannel-Architekturen.
Fazit
Die Modernisierung der IT-Architektur ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Umsetzung von Multichannel-Strategien in allen Branchen. Allerdings ist hierfür eine grundlegende Umstellung der Architektur erforderlich.
Viele Banken scheuen bisher die Kosten und Risiken einer umfassenden Modernisierung ihrer IT. Da Multichannel-Vertrieb aber keine Modeerscheinung, sondern vielmehr ein fest etablierter Bestandteil der Markt- und Vertriebskonzepte geworden ist, müssen sich die Banken zunehmend mit dieser Thematik beschäftigen. Beispiele aus anderen Branchen beweisen den Erfolg dieser Strategie. So gehören Unternehmen wie Amazon oder Vodafone, die ihre Architekturen von Anfang an auf einen Multichannel-Vertrieb ausgerichtet haben, heute bereits häufig zu den Gewinnern. Auch einzelne Bankengruppen haben in den letzten Monaten ihre Systeme bereits erfolgreich modernisiert oder befinden sich gerade in der Umstellung. Weitere werden in den kommenden Jahren folgen.
Holger Brohm ist Mitglied der Geschäftsleitung bei der internationalen Strategie- und Technologieberatung Booz Allen Hamilton, Stephan Dresel arbeitet seit vier Jahren als Berater für IT bei Booz Allen Hamilton.