Kann es sein, dass Unternehmen trotz Ertragsproblemen ganze Kundengruppen als Umsatz- und Profitträger überhaupt nicht ansprechen? Offenbar ja, sagt die Unternehmensberatung Mummert + Partner. Unter dem süffisanten Titel "Global Player der Finanzbranche: Man spricht Deutsch" verschickten die publizistisch stets rührigen Hamburger Consultants vor Ostern eine Mitteilung , die sich mit den Online-Angeboten der deutschen Finanzdienstleister beschäftigt.
Das Ergebnis: Nur fünf Prozent der Banken- oder Sparkassen-Websites und Finanzportale bieten Produkte oder Informationen für ausländische Interessenten. Auf Anfrage bei diversen Geldinstituten erfuhren die Marktforscher nach eigenem Bekunden, die Kosten stünden in keinem Verhältnis zum erwarteten Umsatz.
Kaum zu glauben, denn in Deutschland leben 7,5 Millionen Ausländer. Zumindest die mit mehr als 27 Prozent größte Gruppe, die Türken, müssten eine interessante Zielgruppe für die Banken sein: Sie verfügen über ein Netto-Jahreseinkommen von 10,5 Milliarden Euro - und sparen davon prozentual doppelt so viel wie die Deutschen; laut Mummert liegt das Anlagevermögen der in Deutschland lebenden Türken bei rund vier Milliarden Euro.
Zumindest einige Banken zeigen Interesse, darunter die Commerzbank mit dem Fonds "Alsukoor" , dessen Portfolio ausschließlich aus Unternehmenstiteln besteht, die zum islamischen Glauben passen: Alkohol, Drogen, Glücksspiel, Pornografie, Tabak, Waffen, Schweinefleisch sind tabu. Aber das sind Ausnahmen; bei den meisten anderen Banken, selbst bei global agierenden Finanzriesen, fördert die Web-Suchmaschine auf die Buchstabenkombination "türk" null Treffer zutage.
Dabei gehört Internationalität zu den wichtigsten Image-Faktoren der Banken, zumindest sprachlich: Die Executives in den Boards und Committees der Global Player halten sich viel zugute auf ihre Realtime-Banking- und Investment-Services, auf ihre Equities- und Mergers-and-Acquisitions-Kompetenz. Und je mehr Profit die Transactions und Investments - vor allem im Corporate-Bereich - versprechen, desto höher fällt der Customer Lifetime Value aus. Von diesem Business-Denglisch abgesehen, fehlen laut Mummert bei 57 Prozent der Banken und Sparkassen im deutschen Sprachraum selbst englischsprachige Webseiten.
Wer wie die Unionsparteien und ihr Kanzlerkandidat darauf beharrt, Deutschland sei kein Einwanderungsland, dem dürfte es recht sein, dass deutsche Dienstleister gegenüber Ausländern auf stur schalten. Das gilt nicht nur für die Banken, sondern für alle Service-Bereiche. Eine nennenswerte Anzahl an Links zu türkischen Versionen deutscher Websites ist mir jedenfalls noch nicht aufgefallen.
Andererseits geben Millionen Deutsche jedes Jahr ihr Urlaubsgeld dort aus, wo es warm und freundlich ist. Das wird ihnen schön einfach gemacht, denn in fast allen europäischen Urlaubsländern gehört Deutsch zu den am häufigsten gesprochenen Sprachen im Service.
Deutschland, so scheint es, ist in der Tat kein Einwanderungsland, sondern wohl eher ein Saison-Auswanderungsland.