Ausgaben für Offshoring steigen auf 260 Milliarden US-Dollar

Banken setzen beim Offshoring auf neue Geschäftsmodelle

23.07.2004 von Detlef Scholz
Offshoring wird die Struktur der Finanzdienstleistungen dramatisch verändern und die Kostenbasis dieser Branche stark senken. Die Hauptprofiteure der globalen Job-Verlagerung werden die großen Finanzkonzerne sein. Dies prognostiziert eine Studie von Deloitte.

2003 wuchs weltweit die Anzahl der Geldinstitute mit Offshore-Aktivitäten um 46 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Der Studienherausgeber Deloitte schätzt, dass dabei die Offshore-Jobs um den Faktor fünf (500 Prozent) zulegten. Branchenexperten beziffern den weltweiten Anteil der bis 2010 ins Ausland verlagerten Kostenbasis mit 20 Prozent. Die erzielten Einsparungen werden im Zuge dieser Entwicklung von heute 32 auf 37 Prozent klettern.

Gemäß den Analysten wird das Thema Offshoring auch weiterhin viele Gegenreaktionen in der Öffentlichkeit auslösen. Die Bankmanager erwarten jedoch nicht, dass dadurch langfristig weniger Arbeitsplätze in Billiglohnländer verlagert werden. Vielmehr werden die Unternehmen ihre Offshoring-Aktivitäten noch ausweiten. Betroffen sind hauptsächlich Jobs aus den Bereichen IT und Back-Office bis hin zu kundenbezogenen Aufgaben beispielsweise in Call-Centern. 20 Prozent der Banken rechnen mit restriktiven Maßnahmen seitens der Regierungen. Eine Mehrheit der Finanzmanager glaubt zudem nicht, dass eine globale Konjunkturbelebung die Job-Verlagerungen vermindern wird.

Offshoring bringt viele Vorteile mit sich, jedoch nur für solche Firmen, die es richtig machen. Der Schlüssel zum Erfolg ist eine rigorose Steuerung. Für ein Geldinstitut, dass mit der Verlagerung gerade erst beginnt, setzt Deloitte eine Planungs- und Vorbereitungsphase von vier bis fünf Monate an. Die eigentliche Dislokation beansprucht zwischen drei und sechs Monate. Nach durchschnittlich ein bis zwei Jahren beginnt sich das Verlagerungs-Projekt zu rechnen. Experten erwarten jedoch, dass die Gewinnzone in Zukunft wegen der "Lernkurve" früher einsetzt.

Für Finanzinstitute bleibt Indien das beliebteste Offshoring-Land. Der Subkontinent hat konkurrierende Länder weit abgehängt.

Gründung von Tochtergesellschaften bevorzugt

Immer mehr Banken gehen dazu über, Tochtergesellschaften in Billiglohnländern zu gründen. So behalten sie die volle Kontrolle und bleiben zudem Eigentümer der Produktions- beziehungsweise Dienstleistungsstätte im Ausland. Deloitte sieht darin ein klares Signal, dass Offshoring als Kernelement globaler Businessaktivitäten für Finanzdienstleitungen voll akzeptiert ist.

Der Einfluss von Offshoring auf das Bankwesen differiert stark mit der Größe des Geldinstituts. Die großen Banken bilden laut der Untersuchung den Motor für weitgehende Veränderungen bei Finanzdienstleistungen. Sie verschaffen sich zunehmende Wettbewerbsvorteile gegenüber kleineren Mitbewerbern. Deloitte schätzt, dass mehr als 80 Prozent der weltweit größten Bankinstitute (mit einer Kapitalisierung von über zehn Milliarden Dollar) bereits Geschäftsaktivitäten verlagert haben. Entsprechend haben weniger als 20 Prozent bisher noch keine Offshoring-Aktivitäten unternommen. Bei kleineren Bankhäusern beträgt das Verhältnis 50 zu 50. Die Differenz der Verhältnisse wird den Finanzkonzernen signifikante Kostenvorteile verschaffen, mit wachsender Tendenz.

Die Mehrheit der Banken erwartet, dass bis 2010 etwa 20 Prozent der gesamten Kostenbasis ins Ausland verlagert worden ist. Zu dem Zeitpunkt werden die weltweit 100 größten Finanzinstitute 400 Milliarden Dollar ihrer Kostenbasis in Billiglohnländer outgesourct haben. Die dadurch eingesparten Kosten geben die Marktforscher mit 37 Prozent pro ausgelagertem Prozess an. Jedes Institut spart dann jährlich knapp 1,5 Milliarden Dollar ein. Die gesamten Ausgaben für Offshoring beziffert der Marktforscher auf knapp 260 Milliarden Dollar.

Bis Ende des nächsten Jahres werden rund 210 Milliarden Dollar der Kosten transferiert sein. Die Einsparungen der 100 Konzerne liegen Deloitte zufolge bei 700 Millionen Dollar. Das ist ein erheblicher Vorteil gegenüber der nicht Offshoring betreibenden Konkurrenz.

Die vier C's sind entscheidend für den Erfolg

Ein weiterer positiver Effekt von Offshoring ist die Erschließung neuer Märkte. Die Studie nennt als Beispiel die indische Großstadt Bombay, die geradezu "geschmückt" sei mit Werbeanzeigen von Versicherungsunternehmen, die nach dorthin Jobs verlagert hätten. Der lokale Markt gewinnt zunehmend an Bedeutung, zumal in Indien, wo die Mittelklasse bald mehr als 50 Millionen Menschen zählt.

Die Marktforscher warnen aber auch vor Risiken, die mit dem Offshoring verbunden sind. Für den Erfolg ist eine ganzheitliche Sicht der Gefahren und Nutzen unabdingbar. Am Anfang müsse eindeutig geklärt werden, welche Arbeitsplätze für eine Verlagerung sinnvollerweise in Frage kommen. Um erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen die vier C's berücksichtigen: Kosten (costs), Komplexität (complexity), Kultur (culture) und Compliance.

Der Blick auf die Kosten muss von bloßer Kostenreduzierung erweitert werden auf eine umfassende Strategie der Kostenoptimierung. Die Kostenstruktur im Ausland wird ein immer wichtigeres Kriterium. Das Einrichten globaler Plattformen für Prozesse ist entscheidend für Kosten und Einkünfte gleichermaßen.

Offshoring darf die Komplexität der Geschäftsabläufe nicht vergrößern, sondern muss sie verringern. Nur dann lassen sich dauerhaft finanzielle und Kostenvorteile erzielen.

Unternehmen müssen die Fähigkeit erwerben, eine multi-kulturelle Geschäftsumgebung zu managen. Sie müssen eine global ausgerichtete Unternehmenskultur etablieren, besonders in den Offshore-Ländern. Im Stammland erfordern die Anpassungen im gesamten HR-Bereich darüber hinaus höchste Aufmerksamkeit und viel Feingefühl.

Was die Compliance anbelangt, so ist der Einfluss von Regelwerken wie Basel II auf das Offshoring zu berücksichtigen. Zudem müssen bei alle Geschäftsaktivitäten strikt die lokalen Bestimmungen und Gesetze im Verlagerungsland befolgt werden.

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