Denn was z. B. in der Automobilindustrie oder im Maschinenbau in den letzten Jahrzehnten an eigener Fertigungstiefe reduziert wurde (Porsche z. B. hat nur noch 20 Prozent eigene Fertigungstiefe), ist in den IT-Abteilungen deutscher Unternehmen zwar noch Zukunftsmusik, dennoch wird mit Riesenschritten aufgeholt.
Laut PACs aktuellen Prognosen beträgt der externe Bezug von Software und IT-Services mittlerweile 40 Prozent an den Gesamtausgaben für IT - Tendenz steigend!
Diese zunehmende Arbeitsteilung ist durch fünf Kernentwicklungen gekennzeichnet:
1. Zunehmende Reife der Kunden
Der CIO von heute hat seine Orientierung dahingehend verändert, dass er eher in strategischen als in rein technischen Dimensionen denkt, sprich welchen Wertbeitrag die IT zum Unternehmenserfolg beisteuern kann. Neben der Organisation eines reibungslosen IT-Betriebs wird heutzutage immer mehr Zeit mit der Definition bestmöglicher Sourcing-Strategien und der Hebung von Innovationspotenzialen durch geeignete Partnerschaften mit externen Anbietern verbracht. In anderen Worten bedeutet das - welche IT-Funktionen sollten weiterhin inhouse oder extern erbracht werden.
Der Trend geht dabei zu einer immer arbeitsteiligeren Leistungserbringung. Die fortschreitende Industrialisierung der Branche hat dabei eine Anbieterlandschaft hervorgebracht, die engmaschige Dienstleistungen für eine fast unbegrenzte Vielzahl von Anforderungsfeldern zur Bereitstellung einer modernen und homogenen IT anbietet. Die Auseinandersetzung mit dem bestmöglichen Sourcing-Mix stellt demnach in besonderem Maße die Weichen für eine erfolgreiche und zukunftsfähige IT-Strategie.
2. Erhöhte Akzeptanz für globale Liefermodelle
IT-Anwender erleben im Augenblick die allmähliche Öffnung zur globalisierten Welt des IT-Leistungsbezugs. Den Kunden von Software und IT-Services wird es an einigen Stellschrauben immer weniger wichtig, wo die Leistung erbracht wird, sofern Qualität stimmt und die Kosten niedrig sind. Das hat die Mehrheit der international agierenden Anbieter von Software und IT-Services dazu veranlasst, massiv in den Aufbau von Standorten in Niedriglohnländern zu investieren.
Etablierte Standorte wie Indien und zunehmend auch Osteuropa bieten mittlerweile gut ausgebildete IT-Fachkräfte zu (noch) unschlagbaren Konditionen an. Der "War of Talent" ist in vollem Gange, und hohe Fluktuationsraten sowie überproportional schnell steigende Preise haben bislang nicht dazu geführt, dass die Investitionen abnehmen. Deutschland hat im Vergleich zum beispielsweise angelsächsischen Raum noch weit höhere Akzeptanzprobleme für Sourcing-Konzepte mit hohem Offshore-Anteil. Nichtsdestotrotz stellen wir fest, dass gerade die osteuropäischen Standorte (nearshore) hinsichtlich kultureller, prozessualer und kommunikativer Elemente massiv zum Abbau von Barrieren führen.
3. War of Talent
Langfristig gesehen wird es in Deutschland zu einem erheblichen IT-Fachkräftemangel kommen, der zu Engpässen bei der Besetzung offener Stellen führen wird. Insbesondere mittelständische Anbieter werden dies zu spüren bekommen, weil Sie nicht über die internationalen Vernetzungen verfügen, um mit grenzüberschreitenden Teams Projekte bestmöglich zu besetzen.
Auch wenn immer mehr Teile der Leistungserbringung weltweit standardisiert erbracht werden, wird ein signifikanter Anteil an Onsite-Personal wichtig bleiben. Zur Beseitigung des Dilemmas bedarf es einer ausgeklügelten Personalpolitik, um etablierte Mitarbeiter zu binden und neue Mitarbeiter mit attraktiven Bedingungen für das Unternehmen zu gewinnen.
4. Kürzere Innovationszyklen
Neue Technologien und Architekturen werden bei weitem schneller zur Marktreife gebracht als zu Beginn der Informationstechnologie. Die Investitionen in die Entwicklung und Patentierung materieller (z. B. Hardware-Produkte) als auch immaterieller Güter (z. B. Software-Produkte) und Dienstleistungen (z. B. IT-Beratung, kundenspezifische Software-Entwicklung, Systemintegrationen) nehmen einen immer höheren Stellenwert bei den Anbietern ein. Der Kampf um die nachhaltige Innovationsführerschaft als Schlüssel zu langfristigen Wettbewerbsvorteilen ist voll entfacht.
5. Mergers & Acquisitions / Gesteigerter Verdrängungsmarkt
Die großen Anbieter von Software und IT-Services führen eine Konsolidierungswelle an, die zwar einerseits zu einer Verringerung der absoluten Anzahl an Wettbewerbern führt, andererseits aber schlagkräftige Mischkonzerne hervorbringt, die in den verschiedenen IT-Disziplinen immer stärker miteinander konkurrieren, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch wenn nicht zuletzt die eine oder andere Akquisition zur Absicherung bzw. Ausdehnung der eigenen Marktanteile dient und langfristig vor feindlichen Übernahmen schützen soll. Nichtsdestotrotz werden strategische Zukäufe in erster Linie getrieben vom Zugewinn an IP (Intellectual Property), um komplementäre Technologien in das Unternehmen zu integrieren.
Doch die Konsoldierung im Service-Markt geht weiter. So sorgt beispielsweise auf dem deutschen Markt eine mögliche partielle Veräußerung von Geschäftbereichen von T-Systems für Gesprächsstoff. Für viele Anbieter ist und bleibt Deutschland der Kernmarkt in Europa, auch wenn hier weiterhin mit hohem Preisdruck zu rechnen ist. PAC ist der Überzeugung, dass die Preise für IT-Dienstleistungen nur in Bereichen wieder steigen werden, in denen fachliche Kompetenz sehr knapp ist, sprich in eher wenigen jedoch spezialisierten Disziplinen.
Generell ist der Markt für Software und IT-Services nach wie vor von teilweise hohen Wachstumsraten geprägt. Innovative Themen wie SOA, System Management, Virtualisierung, Business Intelligence und Embedded IT haben sowohl auf Produktseite (Hardware, Software) als auch insbesondere bei der Dienstleistungserbringung zum Teil hohe zweistellige Wachstumsraten zu verzeichnen. Wichtig ist es deshalb für die Anbieter, sehr genau die Potenziale einzelner und auch verketteter Disziplinen ins Auge zu fassen.
Stephan Kaiser ist Berater und Analyst bei Pierre Audoin Consultants (PAC).