Es muss nicht immer der Marktführer sein. Das Unternehmen Zarafa verspricht seinen Kunden, die sich vom Microsoft Exchange Server lösen und stattdessen die Zarafa-eigenen Open-Source-Mailserver-Lösungen einsetzen wollen, Einsparungen von bis zu 50 Prozent der bisherigen Kosten - sowie mehr Unabhängigkeit.
Hauptprodukt des Unternehmens ist die „Zarafa Collaboration Platform" (ZCP). Die offene und kompatible Groupware-Plattform lässt sich als Microsoft-Exchange-Ersatz für E-Mail, Kalenderführung, Kollaboration und Aufgabenverteilung verwenden. Instant Web Meetings und andere Apps erweitern die Software zur Kollaboration-Plattform. Das Unternehmen wirbt mit seiner Expertise in Kalenderführung und der Kompatibilität zu vielen mobilen Geräten. Der „Zarafa Archiver" soll die Beanspruchung teuren Speichers für Langzeitarchivierung verringern und Organisationen in die Lage versetzen, eine Mail-History anzulegen.
Ziel: Großen Herstellern Marktanteile abjagen
Das europäische Softwareunternehmen hat es innerhalb kurzer Zeit geschafft, den Großen Marktanteile abzunehmen. „Und wir wachsen weiter schnell", sagt Helmuth Neuberger. Er hatte nach der Universität 1991 eine eigene Firma gegründet, die Open-Source-Lösungen programmierte, bevor er 2006 Geschäftsführer bei Zarafa Deutschland wurde. "Wir machen schon immer Groupware", sagt er.
„Mit Zarafa muss man nicht gleich den ganzen Open Source Stack nehmen. Der Vorteil unserer Lösung ist, dass wir das Heterogene können. Sie nehmen nur, was Sie wollen, ob Outlook oder Blackberry, und tauschen die Dinge aus, die nur Geld kosten", sagt Neuberger.
Eine Organisation, die die Zarafa-Software erfolgreich einsetzt, ist die Bundeszentrale für Politische Bildung in Bonn. Dort arbeiten bis zu 250 Menschen damit. Neuberger: „Sie benutzen unser Produkt schon seit Jahren."
Schnittstellen zu mobilen Endgeräten
Der IT-Referatsleiter der Bundeszentrale Manfred Klass lobt das Produkt: „Es läuft absolut stabil, und es hat den Vorteil, dass man Outlook so betreiben kann, als würden Exchange Server dahinter liegen. Eine aus IT- und aus Anwendersicht, gerade was die Unterstützung des Frontends Outlook anbetrifft, exzellente Wahl." Klass lobt die „wunderbaren Schnittstellen" zu mobilen Endgeräten und das Webinterface. „Unsere Endkunden sind zufrieden."
Als es damals um die Entscheidung für eine Exchange-Alternative ging, hatte Klass sich auch die Lösungen anderer Firmen angesehen: Neben dem Suse Open Exchange Server Samsung Contact und Scalix sowie das vom BSI gesponserten und in Univention enthaltene Kolab, um sich dann für Zarafa zu entscheiden. Allerdings habe Microsoft seine Preise in den Rahmenverträgen inzwischen so weit gesenkt, dass die Produkte des Softwarekonzerns heute in etwa genauso teuer seien, gibt Klass zu bedenken.
Das ist ein Problem für kleinere Anbieter wie Zarafa und Co.: Viele kleinere Softwarehersteller ärgern sich hinter vorgehaltener Hand darüber, dass manche Ausschreibungen gar nicht mehr stattfinden, weil die Behörden-IT-Leiter wegen bestehender Rahmenverträge mit Microsoft nur noch ihr Kreuz an den vorgegebenen Stellen machen sollen. Ein anderer Trick: Ausschreibungen werden von vornherein so erstellt, dass sie nur auf bestimmte Unternehmen passen, etwa alle, die über Referenzen mit 100.000 Usern in den letzten fünf Jahren verfügen. Im Ergebnis bleiben neue Wettbewerber vor der Tür.
Und wer ein Zarafa-Angebot vorlegen könne, so heißt es, der bekomme von Microsoft deutlich günstigere Konditionen eingeräumt. Neubergers Glück: Man darf in Europa APIs nicht patentieren, sie sind nicht schutzfähig. Die Europäische Union wünscht sogar ausdrücklich, dass Schnittstellen anderen zur Verfügung stehen, um den Wettbewerb zu erhalten.
Neuberger: „Wir machen das, was die Leute heute von Groupware erwarten, allerdings als Open Source, das funktioniert, basierend auf dem Linux Server Stack, sehr sicher und stabil. Die Benutzer sollen den Unterschied zu kommerzieller Software nicht bemerken, denn wir holen die Nutzer dort ab, wo sie sind. Das ist auch der Hauptgrund, warum wir im Public Sector so erfolgreich sind."
Starker Einsatz im Public Sector
Auch das Bundeskartellamt, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, das Erzbischöfliche Ordinariat München und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag nutzen Zarafa. Bei den Katholiken gibt es einen Rahmenvertrag, Zarafa hat dort Exchange abgelöst. Beim Kartellamt dürfte der Terminus der "marktbeherrschenden Stellung" bei der Wahl eine Rolle gespielt haben, beim Bundesdatenschutzbeauftragten, der aber keine offizielle Referenz ist, soll die dortige Linux-Affinität den Ausschlag gegeben haben.
Bei den Grünen entschied man sich 2009 nach einem Testlauf für die Collaboration-Platform. „Die Outlook-Integration ist für uns die wichtigste Voraussetzung, da Outlook sehr intensiv genutzt wird und viele Mitarbeiter zusätzlich Zugriff auf bis zu drei Gruppenpostfächer haben", sagte IT-Leiter Dirk Mönig dazu der COMPUTERWOCHE. Ein weiterer wichtiger Aspekt war dort der Web Access.
Mönig ist mit der Exchange-Alternative ebenfalls zufrieden: „Bei der Administration ist es ein großer Vorteil, dass man in viele Komponenten hineinschauen kann." Der Zarafa-Server laufe mit hoher Stabilität, auch sei der Support überzeugend.
Auch von den deutschen Städten und Gemeinden setzen bereits einige auf die Open-Source-Groupware-Lösung. „Es gibt Bundesländer, wo die Entscheidungsstrukturen sehr microsoftorientiert ist sind", sagt Neuberger. „Und es gibt Länder, wo das nicht so ist. Die sagen, wir wollen jetzt auch mal was anderes."
Neuberger weiter: "Die haben keine Lust mehr, dass man ihnen den Preis diktiert und teilweise sehr arrogant auftritt. Wir geben den Leuten die Wahl, denn es gibt einen Hunger nach Alternativen. Entscheider haben es nicht gerne, wenn man ihnen sagt: Du darfst nicht entscheiden, Du musst das so nehmen."
In den Benelux-Staaten Holland und Belgien hat Zarafa nach eigenen Angaben zwischen 20 und 30 Prozent Marktanteil bei Städten und Gemeinden. Stark sei man neben den deutschsprachigen Ländern auch in Frankreich. In Brasilien und Indien versucht das Unternehmen Fuß zu fassen. „Dort gibt es große Organisationen, die die teuren Microsoft-Produkte nicht kaufen wollen. In den Emerging Countries geht es sehr stark um den Preis."
Support-Kosten zwischen einem und 40 Euro pro Nutzer und Jahr
Dort sei man aber sehr schnell bei 2000 bis 3000 Nutzern. „Die nutzen dann unseren Support." Die Kosten dafür liegen zwischen einem Euro und 40 Euro pro User pro Jahr, je nach dem, was der Kunde haben möchte. In Europa gehe es mehr darum, eine Alternative zu haben, die rechtlich besser den eigenen Anforderungen entspreche. Neuberger: „Was Microsoft in der Cloud tut, das passt nicht jedem."
Zarafa wirbt mit der großen Kompatibilität zu mobilen Geräten. „Das bauen wir konsequent aus. Da ist uns die Community eine große Hilfe", sagt er. Gerade was die Mobile-Anbindung angeht, sei es ohne die Open-Source-Gemende nicht möglich. „Es gibt so viele Geräte, dass wir das nie im Leben alleine schaffen könnten."
Hier sieht Neuberger auch einen guten Ansatz, andere von seiner Groupware-Alternative zu überzeugen: „Viele sind von proprietären Herstellern enttäuscht worden. Bei Lotus Notes geht die mobile Anbindung nur mit großem Aufwand, Blackberrys sind ein Problem, mit vielen anderen geht es gar nicht." Auch gebe es ganz viele Novell-Kunden, die nach Alternativen suchten.
Daten von Lotus Notes zunächst in Microsoft-Formate umwandeln
Auf neue Chancen für sein Unternehmen hofft Neuberger ebenfalls in den Kultusministerien der Bundesländer und in kleineren Bundesbehörden. „Wir wollen in unserem Bereich der Open-Source-Marktführer werden, denn wir glauben an die Open-Source-Kultur", sagt er
Die Migration in die Zarafa-Welt verlaufe meist problemlos: „Wenn man von Microsoft kommt, ist es sehr einfach, weil wir dafür die Werkzeuge haben, die die Migration vereinfachen. Einen Exchange-Server kann man so in einer Nacht austauchen, indem wir die Daten zu uns rüber saugen." Bei Lotus Notes gebe es hingegen Probleme: „Man kann die Lotus-Notes-Daten aber mit Tools zunächst in Microsoft-Formate umwandeln, die wir dann wieder zu uns holen." Neuberger: „Wir müssen als Newcomer zeigen, wie die Migration einfach geht, und auch immer demonstrieren, wie es wieder zurück geht."
Als nächstes jedenfalls will sich IT-Referatsleiter Klass von der Bundeszentrale für Politische Bildung die Archivlösung von Zarafa anschauen. „Unsere Journalisten und Autoren haben gigantisch große Postfächer, weil sie ihre Buchmanuskripte oft per E-Mail hin- und her schicken. Das würde ich gerne ändern", sagt er.
Der Anbieter von Open-Source-Groupware und Collaboration-Software hat seinen Hauptsitz im niederländischen Delft, wo das Unternehmen im Umfeld der Universität entstand. Niederlassungen gibt es auch in Stuttgart (Support und Technik), Hannover (Sales) und Belo Horizonte, Brasilien. Zarafa arbeitet nach eigenen Angaben mit mehr als 250 Partnern und tausenden Anwendern zusammen.
Die Gründer des Unternehmens sind Niederländer, auch wenn sie englisch klingende Namen tragen: Brian Joseph und Steve Hardy. Der Name des Unternehmens kommt allerdings aus dem Afrikanischen und stammt, wie in Wikipedia steht, von einer Giraffenkuh, „die als erste seit der sogenannten Medici-Giraffe nach über 300 Jahren lebend Europa erreichte".
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.