Büroschlaf

Bei Amazon und Google schlafen die Mitarbeiter

27.08.2018
Snoozing is losing? Wer am Schreibtisch ein Nickerchen macht, erntet Spott. Doch ausgeschlafene Mitarbeiter bringen mehr Leistung, das erkennen erste Konzerne. Aber nicht unbedingt in Deutschland.
Google-Hauptsitz in Mountain View: Gelegenheiten für ein Powernapping gibt's genug - auch draußen.
Foto: Benny Marty - shutterstock.com

Witze darüber gibt's genug. Wie den hier: "Lieber acht Stunden Büro als gar keinen Schlaf." Schlafen, das hat keinen guten Ruf, und selbst das kleinste Nickerchen ist an den meisten Arbeitsplätzen tabu. Dabei meinen Schlafmediziner: Wir sollten uns viel häufiger mal zu den Akten legen. Büroschlaf steigere die Leistung. Erste US-Konzerne haben es begriffen und fördern das Dösen am Arbeitsplatz. Doch hierzulande passiert wenig. Warum eigentlich?

Ingo Fietze leitet das schlafmedizinische Zentrum an der Berliner Charité. Er meint: "Dass Schlaf ein Leistungsreservoir ist, dass Schlaf besser ist als die zehnte Tasse Kaffee, das spricht sich nur sehr langsam rum." Nach dem Gang in die Kantine entscheiden sich die meisten Beschäftigten für den langen Kampf gegen das "Suppenkoma" und gegen ein kurzes Nickerchen.

Schlafstörungen treten massenhaft auf

Ärzte warnen: Auf Dauer kann keiner gegen seine innere Uhr leben. Schlafstörungen führten zu Hunderttausenden von Krankmeldungen, so verliere die deutsche Volkswirtschaft pro Jahr 60 Milliarden Euro. Das rechnete die US-Denkfabrik Rand Corporation für 2016 aus.

Professor Fietze ist sicher: Mittagsschläfchen bei der Arbeit könnten die Summe drücken. "Denn wenn der Mitarbeiter müde ist, gibt es eher Fehler und auch Unfälle am Arbeitsplatz." Ein "Power Nap" - so heißt das Nickerchen jetzt - steigere die Leistungsfähigkeit um bis zu 40 Prozent, meinen andere Forscher, die die Rückkehr zum Mittagsschlaf fordern. Fietze betont: "Wer hart arbeitet, muss auch schlafen."

Doch noch immer brüsteten sich Manager damit, dass sie mit wenigen Stunden Schlaf auskämen. "Snoozing is losing" - wer schlummert, verliert.

"Acht Stunden Premium-Schlaf" von Jeff Bezos

Nur wenige bekennen sich zum Gegenteil: Amazon-Gründer Jeff Bezos etwa, laut Forbes-Magazin der reichste Mann der Welt. Er rühmt seinen allnächtlichen "acht Stunden Premium-Schlaf". Tesla-Chef Elon Musk klagt derweil, dass er manchmal nur mit Schlaftabletten Ruhe finde.

In der Google-Zentrale stehen Liegesessel bereit, in denen Mitarbeiter unter einer Kugelhaube dösen. Nike hält in Portland Schlafräume vor, ebenso Uber in San Francisco. Die Unternehmerin Ariana Huffington wirbt für das Erfolgsrezept Schlaf - in den USA ist von einem Kulturwandel die Rede.

Und in Deutschland? Unternehmen zu finden, die den Schlaf der Mitarbeiter aktiv fördern, ist die Nadel-Suche im Heuhaufen. Einfache Ruheräume gibt es zwar meistens - denn schwangere und stillende Kolleginnen haben darauf einen Anspruch.

"Powernapping"-Kurse am Arbeitsplatz

Aber nur selten zählt Schlaf zum betrieblichen Gesundheitsmanagement, wie etwa im Bosch-Entwicklungszentrum in Abstatt bei Heilbronn. Mit Kopfhörern können Mitarbeiter auf sogenannten Klangliegen dösen. Bei BASF gibt es mehrmals im Jahr "Powernapping"-Kurse am Arbeitsplatz. "Insbesondere Schichtmitarbeiter berichten über eine erfrischende Wirkung der Naps", sagt eine Sprecherin.

Jede dritte Frau und jeder vierte Mann möchte nach einer Umfrage der Techniker-Krankenkasse Mittagschlaf halten, doch die Unternehmen sind skeptisch. "Das Thema ist nicht abschließend untersucht", heißt des bei der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände. "Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse, dass ein Mittagsschlaf die Arbeitsfähigkeit oder das Wohlbefinden fördert."

Unfallrisiko

Es komme auf viele weitere Faktoren an, etwa wann man schläft und wie lange man schon wach sei. "Es kann sich auch ein Unfallrisiko ergeben, wenn man nach einem Mittagsschlaf nicht richtig wach wird", warnen die Arbeitgeber. Sie betonten aber auch: Jeder Arbeitnehmer kann seine Ruhepause gestalten wie er will. "Wenn er in der Zeit ein Nickerchen machen will, ist er darin frei."

Sechs Stunden, 49 Minuten und 48 Sekunden schlafen Arbeitnehmer durchschnittlich, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ermittelten. Wie viel Schlaf jeder braucht, liegt in den Genen und ist unterschiedlich. Viele Forscher aber sehen die Deutschen als übermüdete Gesellschaft.

Direkt am Schreibtisch wegdösen

Wann werden Arbeitnehmer müde? Am ehesten zwischen 12 und 14 Uhr und zwischen 16 und 18 Uhr, sagt Charité-Arzt Fietze. Sein Rat: direkt am Schreibtisch wegdösen. "Je unbequemer, desto besser." Dann wache man nach einer Viertelstunde wieder auf und versinke nicht im Tiefschlaf.

Als die Stadt Vechta vor Jahren ihren Bediensteten ein Mittagsschläfchen genehmigte, lief der Beamtenbund Sturm gegen diese "politische Instinktlosigkeit". Schlaf habe einen schlechten Ruf, meint Charité-Professor Fietze. "Wer schläft ist ein Faulenzer." Das sei ein speziell deutsches Vorurteil. "In Asien schläft jeder überall und keiner regt sich darüber auf." (dpa/rs)

Tipps und Fakten zum Büroschlaf zwischendurch
Das erholsame Schläfchen
Kurze Ruhepausen können im Arbeitsalltag helfen, so machen toten Punkt zu überstehen. Der Online-Shop perfekt-schlafen.de verrät zehn Tipps und Fakten rund um die erholsamen Schläfchen zwischendurch.
1. Von wegen Schlendrian: Powernaps steigern Konzentration und Leistungsfähigkeit?
Regelmäßige Schläfchen zwischendurch senken das Herzinfarkt-Risiko und steigern nachweislich die Konzentration und Leistungsfähigkeit. Die Aufmerksamkeit kann durch ein kurzes Nickerchen sogar um bis zu 100 Prozent erhöht werden, sodass das Energietanken am Arbeitsplatz auch für Chefs echte Vorteile hat.
2. Kompakte Entspannung, die in jede Mittagspause passt?
Powernaps sollten etwa 10 bis 30 Minuten lang sein. Damit lassen sie sich problemlos in jede Mittagspause integrieren. Aber Achtung: Länger als eine halbe Stunde sollte das Nickerchen nicht werden, danach fällt der Körper in einen Tiefschlaf - das Aufwachen wird dann ungemütlich und wenig erfrischend.
3. Schön satt ruhen: Powernap nach dem Mittagessen?
Besonders gut schläft es sich im Büro direkt nach dem Mittagessen, der Körper ist dann ohnehin träge und kann sich im Schlaf voll und ganz auf die Verdauung konzentrieren. Damit der Chef dabei auch ja nicht die Augen verdreht, sollte die Pause schon so geplant sein, dass nach dem Essen noch 20 bis 30 Minuten zum Ruhen übrig sind.
4. Gemütliche Atmosphäre für schnelle Entspannung?
Der perfekte Raum für einen gemütlichen Powernap sollte abgedunkelt und kuschelig warm sein. So kann der Körper schneller abschalten und sich auf den Ruhemodus einstellen. Ist im Büro kein Ruheraum vorhanden, bietet zum Beispiel ein ungenutzter Konferenzraum eine gute Alternative. Licht aus, Rollos runter und einfach mal die Äuglein schließen.
6. Schlafen macht schlank?
Wer den nächtlichen Schlaf durch Mittagsschläfchen ergänzt, kann sogar sein Gewicht positiv beeinflussen. Denn Menschen, die viel schlafen, profitieren von der Produktion des appetithemmenden Hormons Leptin. Wer weniger schläft, hat demnach häufiger Appetit auf süße und fette Speisen - deshalb nachmittags lieber ein Schläfchen statt Kaffee und Kuchen.
7. Bessere Stimmung: Schlafen macht glücklich?
Powernaps sind nicht nur Energie-Booster, sondern auch wahre Killer angespannter Büroatmosphäre. Da während des Schlafens auch das Hormon Serotonin ausgeschüttet wird, wirkt das Nickerchen als Stimmungsaufheller und zaubert gute Laune in den trägen Nachmittag.
8. Alle Viere von sich strecken: Schlafpositionen im Büro?
Wer sich nicht traut, direkt unter seinem Schreibtisch alle Viere von sich zu strecken, kann auch auf dem Stuhl bequem schlafen. Lässt er sich verstellen, sollte er am besten ganz zurück gedreht werden, um die Füße (natürlich ohne Schuhe) gemütlich auf dem Schreibtisch parken zu können. Bietet der Stuhl diesen Luxus nicht, lässt es sich auch mit dem Kopf auf dem Tisch gut ruhen. Für regelmäßige Schläfchen auf der Tischplatte empfiehlt sich die Anschaffung eines gemütlichen Kissens.
9. Abschalthilfe: Gadgets für den Powernap?
Am Arbeitsplatz mal eben abzuschalten ist natürlich nicht ganz einfach, besonders dann nicht, wenn man nur begrenzt Zeit dafür hat. Abhilfe können neben den altbewährten Oropax auch coole Gadgets wie das so genannte Ostrich Pillow, oder Straußenkissen, schaffen. Das etwas merkwürdig anmutende Kissen wird ganz einfach über den Kopf gestülpt und schafft so die nötige Dunkelheit, Ruhe und Polsterung.
10. Nicht verschlafen: Tipps zum Wachwerden?
Um rechtzeitig wieder wach zu werden und nicht in den gefährlichen Tiefschlaf zu verfallen, hilft ein Handywecker oder Timer. Ist der Akku einmal leer, einfach auf einen simplen Aufwachtrick zurückgreifen: Ein Schlüsselbund oder einen Apfel in die ausgestreckte oder auf dem Bein abgelegte Hand nehmen. Nickt der Körper in den Tiefschlaf, entspannt sich der Arm und Schlüssel oder Apfel fallen lauthals zu Boden - Guten Morgen! Auch ein Espresso vor dem Schläfchen kann eine gute Idee sein. Er entfaltet seine Wirkung nach etwa 20 Minuten und macht den Träumer automatisch wieder wach.
5. Rechtlich sicher eingebettet: Arbeitgeber können Schläfchen nicht verbieten?
Auch wenn es manchem Chef vielleicht komisch vorkommt, wenn sich die Belegschaft am Arbeitsplatz ausruht: Verbieten können Arbeitgeber die Schläfchen nicht, vorausgesetzt sie finden in der Pause statt. Diese Zeit steht dem Arbeitnehmer zur freien Verfügung, egal ob er essen, tanzen oder einfach ein kleines Nickerchen machen möchte.