Am 19. September 2007 war es soweit. SAP stellte seine neue Mittelstands-Software Business ByDesign vor. Bis dahin war das Produkt nur unter seinem Code-Namen "A1S" bekannt.
Integrierte On-Demand-Lösung für den Mittelstand
Die Architektur ist komplett serviceorientiert, denn die Lösung basiert auf der Technologie-Plattform Netweaver und nutzt die im Enterprise Services Repository (ESR) der Plattform hinterlegten Prozessbeschreibungen.
Laut SAP ist es "die erste integrierte On-Demand-Lösung, die sich speziell an Mittelstandsfirmen richtet, die bisher noch keine integrierte betriebswirtschaftliche Standard-Software nutzen und eine schnelle, risikoarme Implementierung fordern." Das ist in schön formuliert und bestes Marketing-Sprech.
Abkehr von den Modulen
Weniger euphorisch in der Bewertung der Software sind jedoch Analysten und Marktforscher. Positiv überrascht zeigen sich Pierre Audoin Consultants (PAC) und Aberdeen, dass SAP mit der Software eine Abkehr von der klassischen Modul-Orientierung aus R/3 oder SAP ERP vollzieht. Zum Beispiel wird CRM-Funktionalität jetzt für alle relevanten Prozesse zur Verfügung gestellt.
Allerdings streiten die Analysten, ob die Software auch die Anforderungen von Mittelständlern erfüllt. Rein formal gesehen steht das Produkt zwischen den vorkonfigurierten Branchenlösungen, den so genannten Business-All-in-One-Paketen, und Business One als Lösung für den kleinen Mittelstand.
Kannibalisierungseffekte
Laut SAP ist Business One für Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern, Business ByDesign für 100 bis 500 Mitarbeiter und Business All-in-One für 100 bis 2.500 Mitarbeiter.
Diese Abgrenzung wird in der Praxis nicht funktionieren, denn Überlappungen sind unvermeidbar. Cindy Jutras von Aberdeen sieht vor allem Kannibalisierungs-Effekte mit Business One, da hier die Überschneidungen am größten sind.
PAC-Analyst Christian Glas meint, dass es nicht im Interesse von SAP sein kann, wenn sich zu viele Partner von Business One abwenden. Der Vertriebskanal von Business All-in-One wiederum komme nur eingeschränkt in Frage. Dieser lebe von seiner hohen Branchenkompetenz und sieht in den Business-All-in-One-Projekten mehr Potenzial. Übersetzt heißt das: Diese spülen mehr Geld in die Kasse als die Einführung von SAP Business ByDesign.
Noch keine Branchen-Funktionen aus der Steckdose
Als Manko wird auch die bislang fehlende Branchen-Funktionalität gesehen. Zwar benötigen einige Branchen, wie etwa Dienstleister, nur eine ERP-Software mit eher allgemeinen Funktionen.
Branchen wie die Fertigungs-Industrie inklusive ihrer Sub-Branchen hingegen brauchen stark vertikalisierte ERP-Lösungen, die ihre spezifischen Branchenanforderungen bereits weitgehend abdecken. Deshalb ist die Lösung nach Auffassung von PAC "nicht geeignet für Unternehmen, die eine tiefe vertikale Funktionalität benötigen."
Darüber hinaus müssen, da die Software servicebasiert ist, branchenspezifische Funktionen ebenfalls als Services bereitgestellt werden. Den Beratern der Experton Group zufolge ist bislang offen, ob die Services von der SAP oder den SAP-Partnern entwickelt werden.
Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass die Entwicklung der Services Zeit braucht. Bis so viele Branchen-Spezifika verfügbar sind, dass Kunden "aus der Steckdose" bedient werden können, wird noch einige Zeit vergehen.
Laut Ray Wang vom Analysten-Haus Forrester Research fehlen zudem der einfache Zugriff auf Reporting-Funktionen, die Möglichkeiten eine Portalumgebung rasch aufzubauen sowie die Integration mit Office-Produkten von Microsoft.
Sorgenkind Vertrieb
Ein weiterer Knackpunkt ist der Vertrieb. Nach Ansicht der Experton Group sind alle bisherigen Initiativen der SAP im Mittelstandsmarkt unterhalb von Business-All-in-One gescheitert. Bei Business One fehlten ein branchenspezifisches Angebot, entsprechende Lösungen werden als Add-Ons von SAP-Partnern bereitgestellt, und eine schlagkräftige Partner-Basis.
Mit der Markteinführung von Business ByDesign müssen die SAP und ihre Partner ein vollkommen neues Vertriebsmodell aufbauen. Der Software-Konzern setzt hier auf einen gemischten Ansatz. Zum einen wird SAP die Lösung direkt per Telefon und Internet vertreiben, zum anderen soll dafür der bestehende Partner-Kanal erweitert und auch Call Center und Strukturvertriebe einbezogen werden.
Nur Volumen-Geschäft spült Geld in die Kasse
Zur Systems 2007 teilte der Konzern mit, dass "neun deutsche SAP-Partner zu den ersten 22 Resellern weltweit gehören, die neben ihrem bestehenden SAP-Portfolio künftig auch die neue On-Demand-Mittelstandslösung vermarkten wollen."
Das ist im Vergleich zu den ehrgeizigen Zielen sehr überschaubar. Dazu gehören sowohl größere Partner, wie etwa die TDS, Steeb Anwendungssysteme, itelligence oder All for One Midmarket Solutions, als auch Business-One-Partner wie Kirbis, Versino oder die Computer im Büro Dr. Grüneberg.
Nach Ansicht von AMR-Research-Analyst Bruce Richardson ist zudem nicht klar, wie die Partner mit dem neuen SAP-Produkt Geld verdienen können. Das funktioniert seiner Meinung nach nur über das Massengeschäft und das ist teuer. Der CRM-Anbieter Salesforce.com hat dafür in den letzten Jahren rund 50 Prozent seiner Umsätze für Vertrieb und Marketing ausgegeben.
Kostengünstiges Angebot
Weitgehend einig sind sich die Analysten, etwa von PAC, Aberdeen sowie Experton Group, dass Mittelständler die On-Demand-Software relativ kostengünstig bekommen. Die monatliche Miete pro User liegt bei 133 Euro. Doch auch hier kommt übers Jahr gesehen viel Geld zusammen. Da Business ByDesign erst ab 25 Lizenzen zu haben ist, muss ein Mittelständler pro Monat mindestens 3.325 Euro ausgeben. Umgerechnet auf ein Jahr sind das knapp 40.000 Euro.
Laut Aberdeen-Analystin Ciny Jutras hält SAP bei den Kosten noch ein "Zuckerl" bereit. Firmen mit Anwendern, die nur gelegentlich mit der Software arbeiten und dabei nur auf bestimmte Funktionen zugreifen, bietet der Software-Konzern einen Gruppenpreis an.
Dieser beträgt für fünf User etwa 50 Euro. Davon könnten beispielsweise vertriebs-orientierte Mittelständler, deren Außendienst lediglich Zugriff auf die CRM-Funktionen der Software benötigt, profitieren.
Mittelstand schwankt zwischen Neugier und Desinteresse
Doch was sagt die von SAP angepeilte Zielgruppe der mittelständischen Unternehmen zu Business ByDesign? Eine Trendumfrage, die Meetbiz-Research im Auftrag des SAP-Portals Solutionparc durchführte, hinterlässt den Eindruck, dass Mittelständler sich noch nicht so recht für die On-Demand-Lösung begeistern wollen.
Von den mehr als 400 befragten mittelständischen Firmen erklärten zwar 35 Prozent, dass sie neugierig auf die Lösung sind und sich eine Beschäftigung damit lohnt. Doch 41 Prozent der Befragten wissen die neue Lösung noch nicht einzuschätzen und sogar ein Viertel hat gegenwärtig kein Interesse an der Lösung.
Grundsätzlich aufgeschlossen stehen Mittelständler dem On-Demand-Modell gegenüber, in dem die Software angeboten wird. 44 Prozent sind an dem Konzept interessiert, mehr als ein Viertel lehnt Miet-Software ab und immerhin 30 Prozent haben überhaupt keine Meinung dazu.
Top oder Flop
Obwohl diese Trend-Analyse keine endgültigen Schlussfolgerungen zulässt, so ist doch interessant, dass Mittelständler offenbar noch abwartend und zurückhaltend auf das neue Software-Angebot von SAP reagieren.
Das bestätigt auch eine Umfrage der ERP-Community ERP-Scout an der mehr als 800 Besucher teilnahmen. Ein Viertel hält die Software für einen Flop und lediglich zehn Prozent schätzen die Software als Top oder revolutionär ein.
Es wird spannend sein, in den nächsten Monaten zu beobachten ob SAPs On-Demand-Software beim Mittelstand toppt oder floppt.