Mindestens 85 Prozent des gesamten E-Mail-Aufkommens besteht aus Spam, so das Fraunhofer-Institut für sichere Informationstechnologie (SIT). Die Forscher wollten es genauer wissen und haben sich angesehen, welche kostenfreien Dienstleister den Nutzern am meisten Spam ins Haus schicken. Die Frage ist schnell beantwortet: Wer bei GMX seinen Account hat, braucht viel Toleranz. Bei Yahoo dagegen wird man noch am wenigsten belästigt.
GMX und Web.de: "Propaganda für Microsoft"
Seit ihrer Veröffentlichung stehen die Ergebnisse der Studie in der Kritik. Erstellt hat das SIT die Untersuchung "mit finanzieller Unterstützung der Microsoft Deutschland GmbH" - so steht es auf Seite 2 des Ergebnisberichts. Für die schlecht Platzierten Grund genug, die Studie anzuzweifeln: "Die Untersuchungskriterien, die Microsoft mit dem Fraunhofer-Institut vereinbart hat, lassen jedoch vermuten, dass es sich hierbei weniger um eine seriöse Untersuchung, als vielmehr um Propaganda für Microsofts Hotmail handelt", schreibt in einer Stellungnahme die für die Marken GMX und Web.de zuständige Pressestelle der 1&1 Internet AG.
Das SIT stufe die Newsletters der Anbieter als Spam ein. Sie zählten aber "per Definition nicht als Spam", so die Pressestelle. Weiterer Kritikpunkt: Die Studie berücksichtige nicht die sogenannten "False Positive" - also vom Nutzer erwünschte und erwartete Nachrichten, die fälschlich in den Spam-Ordner sortiert werden. Das Fraunhofer-Institut relativiert die Ergebnisse der Untersuchung in der begleitenden Pressemitteilung selbst: Es handle sich nur um eine "Moment-Aufnahme", die sich nicht ohne Weiteres verallgemeinern lasse, heißt es darin.
Diese Momentaufnahme sieht so aus: Die Fraunhofer-Gesellschaft hat Tester Konten bei GMX, Googlemail, Hotmail, Web und Yahoo eröffnen lassen und den Februar 2010 beobachtet. Während der GMX-Nutzer 116 Spam-Nachrichten erhielt, waren es bei Yahoo nur acht. Beim Web-Account gingen 57 ein, bei Googlemail 18 und bei Hotmail 13. In der Abschlussbewertung, in die weitere Kriterien einflossen, belegt Microsofts Dienst Hotmail Platz zwei.
Spam und Anti-Spam im Dauerwettlauf
Dies vor dem Hintergrund, dass laut Angaben des Bonner Informationsdienstes "Neues Arbeitsrecht für Vorgesetzte" neun von zehn Deutschen zugeben, am Arbeitsplatz auch privat ins Internet zu gehen. Die Hälfte davon sogar mehr als drei Stunden pro Woche. Nach einer Studie von Osterman Research verschicken 82 Prozent der Mitarbeiter Unternehmensnachrichten über ihren privaten Account, falls die Geschäftsführung den Versand größerer Dateien per Mail verbietet.
Die Fraunhofer-Gesellschaft betont, dass die Menge an Spam vermutlich höher ausgefallen wäre, wenn die Test-Accounts länger bestanden hätten. Zum Zeitpunkt der Studie waren die Konten maximal drei Monate alt.
Unter dem Begriff Spam verstehen die Forscher nicht nur externe E-Mails, sondern auch Werbemitteilungen des Dienstanbieters, deren Erhalt der Nutzer nicht ausdrücklich zugestimmt hat. Alle Tester hatten Spam-Abwehr aktiviert, und zwar die Standardeinstellungen der persönlichen Spam-Filter.
Die Fraunhofer-Gesellschaft glaubt nicht, dass der Wettlauf zwischen Spammern und ihren Abwehrern so schnell vorbei ist. Die Autoren der Studie schreiben, dass "die Dienstanbieter immer wieder die technischen Abwehrmaßnahmen gegen Spam verändern und Spammer immer wieder neue Angriffsvarianten entwickeln".