Darüber hat sich Tilla Goldberg wohl öfter geärgert: Man schnibbelt Karotten und schon rollen die orangenen Scheibchen über den ganzen Küchentisch. Kurzerhand entwarf die Dame ein Schneidebrett mit Auffangschale. Zu beziehen bei Tchibo. Das Hamburger Unternehmen produziert und vertreibt den Artikel ebenso wie eine kindersichere Klo-Bürste von Peter Franke und einen Auto-Handtaschenhalter von Manfred Behrens. Die Produkte, allesamt von Kunden erdacht, laufen unter dem Label "Tchibo Ideas". So nennt das Unternehmen denn auch die "Community" samt der dazugehörigen Internet-Plattform.
Damit dürfte der Konzern zu den "Winners" in Sachen Produktivität zählen, jedenfalls nach Einschätzung von Andrew McAfee. Der Forscher am Center for Digital Business an der MIT Sloan School of Management proklamiert, dass der Erfolg eines Unternehmens davon abhängt, wie gut es Wissen und Erfahrungen nutzt - und zwar nicht nur aus den Köpfen von Ingenieuren und BWLern, sondern auch von Kunden und Mitarbeitern.
Daher kommt an Web 2.0 kein Unternehmen mehr vorbei, so McAfee. In einem Gespräch mit Roger Roberts von McKinsey erklärte der Forscher, wie sich das auf die Arbeitswelt auswirkt. Themen des Gespräches waren Sicherheit, Manager-Rolle und Erfolgskontrolle. Ein Aspekt verbindet alle drei: McAfee will keine Kritik an Web 2.0 gelten lassen.
Stichwort Erfolgskontrolle: Einen klassischen Begriff für den Return on Investment (ROI) gibt es bei Web 2.0 nicht, so McAfee. Er hält diese Denke auch für "altmodisch". Bei Web 2.0 muss das Unternehmen zunächst einmal die Frage klären, was genau erreicht werden soll. Geht es darum, Mitarbeiter-Wissen innerhalb global verteilter Niederlassungen zu verbreiten? Geht es um Kundenbindung? Oder darum, dass die Firmenleitung Compliance-Richtlinien bekannt machen will? Erst nach Festlegen der Ziele kann entschieden werden, wie Erfolgskontrolle aussieht.
Stichwort Manager-Rolle: Web 2.0 ändert die Unternehmenskultur massiv. CIOs und IT-Entscheider, die sich vorwiegend als Abwehrer von Risiken und Gefahren sehen, werden an Social Media verzweifeln. Sobald sich ein Unternehmen den verschiedenen Kommunikationswegen öffnet, gibt es kaum noch Möglichkeiten, die Informationsflüsse zu filtern und zu kontrollieren.
Laut McAfee profitieren von der Entwicklung zu Web 2.0 insbesondere die Manager, die gut mit Menschen können. Die Tools unterstützten sie darin, das Potenzial der Mitarbeiter zu erkennen und zum Vorteil des Unternehmens einzusetzen.
Dabei übersieht der Forscher nicht, dass sich ältere Mitarbeiter mit Technologie schwerer tun als ihre jungen Kollegen. McAfee plädiert für zwei Dinge: Erstens ausreichend Geduld. Zweitens sollte die Firmenleitung Vorreiter sein und beispielsweise eigene Blogs einrichten. Wichtig dabei: Ein Blog ist nicht dazu da, Beiträge im Stil von Pressemitteilungen zu verbreiten. Der Blogger sollte sich von der persönlichen Seite zeigen.
CIOs müssen eine Web-2.0-Strategie entwickeln
Unabhängig davon, wie ein Unternehmen die Kommunikations- und Kollaborationstools einsetzt, muss der CIO auf jeden Fall den Hut aufhaben. McAfee vergleicht die heutige Situation mit der vor rund zehn Jahren. Damals wurde der oberste IT-Entscheider nach der Internet-Strategie gefragt. Heute muss er eine Web-2.0-Strategie entwickeln.
Stichwort Sicherheit: Die Mahnungen, über Blogs und Twitter kämen Malware oder Security-relevante Inhalte ins Unternehmen, wischt McAfee vom Tisch. Er hält sie im Wesentlichen für ängstliche Vorurteile. Vage stützt er diese Einschätzung auf eigene Erfahrungen und Erfahrungsberichte anderer.
Wikipedia als Erfolgsbeispiel
Bei aller Begeisterung für Web 2.0 räumt McAfee ein, von der zögerlichen Umsetzung innerhalb der Wirtschaft überrascht zu sein. Mit Blick auf Wikipedia, Facebook und Youtube ist er jedoch überzeugt, dass es ohne nicht mehr geht.
Das Gespräch zwischen Andrew McAfee, Principal Research Scientist am Center for Digital Business der MIT Sloan School of Management, und Roger Roberts von der Unternehmensberatung McKinsey ist unter dem Titel "How web 2.0 is changing the way we work" in der Reihe McKinsey quarterly erschienen.