Fünf Prozent Verschwendung: Das sind läppisch anmutende 5 Cent je Euro. Das sind aber auch exorbitante 51 Millionen, wenn es um Projekte geht und man für diese 1 Milliarde ausgibt. Als Durchschnittswert kann man diese fünf Prozent auch so interpretieren: Hat man die Dinge so im Griff wie die besten Wettbewerber, zahlt man nur ein Prozent drauf. Zählt man demgegenüber zu den Firmen mit schlechter Performance, sind es aber zehn Prozent. Auf die Milliarde hochgerechnet geht es dann um den Unterschied zwischen 10 und 100 Millionen. Eine Menge Geld.
Sparen durch besseres Anforderungsmanagement
Das Rechenbeispiel stammt aus einer Studie, die Aaron Smith für das Project Management Institute (PMI) erstellt hat. Die Quintessenz der Studie ist ziemlich griffig: Die oben kalkulierten Spareffekte lassen sich laut PMI erzielen, wenn man schlichtweg das Anforderungsmanagement optimiert. Das heißt also, indem man in Mitarbeiter, Projekte und Unternehmenskultur investiert.
Eine zweite Studie zum Projektmanagement setzt den Akzent erwartungsgemäß anders. Gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) fragt Anbieter InLoox nach dem Stand der Dinge hinsichtlich Projektmanagement-Software in deutschen Unternehmen.
Folgt man der klassischen Dichotomie eines technologieversessenen Ansatzes und einer auf die Organisation ausgerichteten Herangehensweise, könnte man hier einen Gegensatz herauslesen. In Wahrheit ergänzen sich die Befunde jedoch. An der ewigen Tatsache, dass viele - ja allzu viele - Projekte in der Praxis scheitern respektive in zeitlicher und budgettechnischer Perspektive ausufern, hat sich nämlich nichts geändert. PMI verweist darauf, dass das Anforderungsmanagement eine ebenfalls sehr traditionelle Achillesferse im Projektmanagement ist. Das Institut arbeitet ferner heraus, wie sich auf dieser Ebene Besserungseffekte erreichen lassen.
Software um Probleme im Projektalltag zu überblicken
Die LMU-Studie zeigt demgegenüber, dass die Anwender auf wachsende Herausforderungen immer häufiger mit dem Einsatz von spezieller Software reagieren. Wer den Fokus der anderen Untersuchung verinnerlicht hat, ist dann schon einmal vor der Einschätzung gewarnt, dass mit dem Rückgriff auf die bestmögliche Software alles geritzt sein dürfte. So ist es bestimmt nicht.
82 Prozent der insgesamt 135 im Auftrag von InLook befragten Führungskräfte gaben an, eine Projektmanagement-Software zu nutzen. Für 81 Prozent der Befragten führten Probleme, im Projektalltag den Überblick zu behalten, zur Suche nach einer Projektsoftware. 73 Prozent gaben die steigende Bedeutung der Projektarbeit im Unternehmen als ausschlaggebenden Grund für die Beschäftigung mit dem Thema an. Für 58 Prozent war die fehlende Effizienz innerhalb der Projektarbeit ein wichtiges Motiv.
Produktwechsel wegen schlechter Usability
Offenkundig ist es auch Leidensdruck, der zu Investitionen in diese Tools führt. Bei 52 Prozent der Teilnehmer waren schon einmal Informationen im Projektalltag untergegangen. 45 Prozent nannten eine ungleiche Ressourcenauslastung, 44 Prozent Probleme durch die fehlende Projektdokumentation als Ursache für die Beschäftigung mit dem Thema.
Nachholbedarf erkennen die Anwender insbesondere bei der Benutzerfreundlichkeit und bei der Flexibilität. Bei 70 Prozent der Befragten führte eine unternehmensinterne Veränderung zum Produktwechsel, weil das bisherige Produkt sich nicht an die neuen Gegebenheiten anpassen ließ. Fehlende Usability war für 58 Prozent der Grund für einen Produktwechsel.
Projektmanagement wird zum Wettbewerbsvorteil
Allgemeine Einschätzungen der von der LMU Befragten unterstreichen, dass erfolgreiches Projektmanagement sich immer voraussetzungsreicher gestaltet. Jeweils um oder deutlich über 80 Prozent stimmen Aussagen zu, nach denen Projekte immer komplexer werden, der Internationalisierungs- und Virtualisierungsgrad steigt, orts- und zeitunabhängiger Zugriff an Bedeutung gewinnt und erfolgreiches Projektmanagement in Zukunft ein Wettbewerbsvorteil sein wird.
Diese Erkenntnis ist gewissermaßen die implizite Grundannahme auch der PMI-Studie, die gleichwohl auf einen anderen Hebel abzielt und diesen so definiert: "Anforderungsmanagement ist die Disziplin der Planung, Beobachtung, Analyse, Kommunikation und Kontrolle von Anforderungen." Es handle sich um einen kontinuierlichen Prozess während der Projektlaufzeit. Involviert seien der Austausch innerhalb des Projektteams sowie mit anderen Beteiligten sowie Anpassungen, sobald sich die Anforderungen ändern.
Verwechslungsgefahr besteht laut Studie zwischen Anforderungsmanagement und geschäftlicher Analyse. Darum spezifiziert das PMI: Um Projekte erfolgreich gestalten zu können, müssen Firmen wirklich gut in Business Analysis sein. Genau dafür sei aber Expertise im Anforderungsmanagement notwendig. In jedem Fall seien Mängel im Anforderungsmanagement der zweithäufigste Grund für das Scheitern von Projekten.
Misstände bei Projekten seit Jahren unverändert
37 Prozent der rund 2000 befragten Unternehmen führten genau dieses Problem als Ursache für Fehlschläge an, so PMI. Vor einem Jahr seien es lediglich 32 Prozent gewesen. Eine offenkundige Verschärfung der Mängel also. Und das vor dem Hintergrund, dass bereits 2009 eine Studie von IAG Consulting in drei von vier Firmen einen niedrigen Reifegrad diagnostizierte.
"Derartige Erkenntnisse hätten als Weckruf dienen sollen", konstatiert jetzt PMI-Autor Smith. "Gleichwohl hat sich seither wenig in der Beantwortung von Anforderungskrisen gebessert - und das gilt bis heute." 47 Prozent der erfolglosen Projekte verfehlten ihre Ziele, weil das Anforderungsmanagement schlecht sei.
Drei Ebenen für Verbesserungen
Wie lässt sich das verbessern? PMI nennt drei Ebenen, auf denen die Anwender ansetzen sollten:
1. Menschen: "Organisationen müssen die benötigten Ressourcen bereitstellen, um adäquates Anforderungsmanagement leisten zu können, so dass Lösungen für Projekte und Programme empfohlen werden können. Gleichzeitig müssen sie auch die notwendigen Skills erkennen und entwickeln, um die Funktionen ausführen zu können."
2. Prozesse: "Organisationen müssen ihre Prozesse sowohl auf der Projekt- als auch auf der Projektebene standardisieren und formalisieren. So stellen sie sicher, dass für alle ihre Initiativen kontinuierlich ein gutes Anforderungsmanagement geliefert werden kann."
3. Kultur: "Organisationen müssen auf ihrer obersten Ebene die Sensibilität für die Dringlichkeit des Ganzen schärfen. Denn nur dann bewerten Executive Management und Sponsoren die entsprechenden Praktiken als kritische Kompetenz bei Projekten und Programmen. Und nur dann ist für den benötigten Support und das Engagement gesorgt, um unternehmensweit herausragende Ergebnisse zu ermöglichen."
Drei Muss-Forderungen also in der Diktion des PMI. Konkret heißt das beispielsweise, dass es ohne Investitionen in Personal nicht funktioniert - was selbstverständlich auch die interne Entwicklung von Skills beinhaltet. Klare Definitionen von Praktiken und Prozessen sind ebenso geboten wie die Revision von Prozessen. Umgesetzt wird das auf diese Weise aber nur in der Hälfte der Firmen.
Zur Bestätigung der genannten Thesen greift PMI auf eine Unterscheidung zwischen sehr erfolgreichen Firmen und solchen mit schlechter Performance zurück. Die Unterschiede sind in der Regel tatsächlich frappierend. So sorgen knapp 70 Prozent der High Performer für ausreichende Bereitstellung für Ressourcen, aber nur 40 Prozent der Low Performer - jeweils nach eigener Einschätzung.
Projektmanager oder Business Manager? Egal
Indes offenbart die Studie auch spannende Abweichungen vom Erwartbaren. So unterscheiden sich beide Gruppen beispielsweise nicht darin, dass die Verantwortlichkeit fürs Anforderungsmanagement in die Hände von Projektmanagern oder Business Managern gelegt werden. Diese Personalfrage sei offensichtlich irrelevant, schlussfolgert Autor Smith. Wichtiger als das "Wer?" sei tatsächlich das "Wie?".
Nicht zu unterscheiden sind die beiden Gruppen auch darin, dass jeweils gut die Hälfte in Zukunft von einer steigenden Nachfrage nach Business Analysten ausgeht und eine verbesserte Integration von Anforderungsmanagement und Business Analysis mit dem Projektmanagement erwarten.
"Während eine Steigerung der Zahl an Business Analysten und eine erhöhte Schlagzahl bei der Integration positive Signale sind, zeigt unsere Studie, dass mehr passieren muss", konstatiert Aaron Smith. "Das gilt insbesondere in den Bereichen Leadership Support, professionelle Entwicklung und Kommunikation."