Es geht weiter, aber anders: Das Netzwerk CIO-Circle wird es in der bisherigen Form bald nicht mehr geben, sein Geist allerdings soll im Anwenderverband Voice fortbestehen. Diese Botschaft stand neben dem Hauptthema "Der CIO als Change Manager" über der Jahrestagung des CIO-Circle in Stuttgart Ende April.
Von "Freude und Wehmut" hatte Peter Meyerhans von Drees & Sommer als Kopf der Organisatoren zu Beginn des Kongresses gesprochen. Mit der Zusammenkunft von rund 90 IT-Chefs auf den Tag genau zehn Jahre nach dem ersten Treffen der Circle-Gründer markierte die Tagung ein Jubiläum. Gleichzeitig wurde allen, die bis zum Ende des zweiten Kongresstags blieben, klar, dass der einst als informelles Netzwerk geborene CIO-Circle fortan unter anderer Flagge weitersegelt.
Hatten die CIOs auf der Circle-Tagung vor einem Jahr in Frankfurt am Main noch grundsätzlich darüber diskutiert, ob man sich vom Netzwerk zur Interessenvertretung weiterentwickeln wolle, sind in dieser Frage mittlerweile Fakten geschaffen. Voice als Verband der IT-Anwender hat sich zum Nationalen IT-Gipfel vergangenen Dezember öffentlich präsentiert. Von den bisherigen Mitgliedern des von Finaki getragenen CIO-Colloquiums sind schon gut zwei Drittel in die neue Organisation übergetreten, wie in Stuttgart Martin Urban von der Berliner Stadtreinigung berichtete, der als einer von drei Vertretern aus dem CIO-Circle Voice mitgegründet hat. Die Auflösung des CIO-Forums, aus dessen Reihen Voice ebenfalls mitgegründet wurde, ziehe sich wegen internen Klärungsbedarfs derweil noch hin.
Die bisher im CIO-Circle mitwirkenden IT-Chefs können ab sofort in die neue Organisation übertreten, wollen sie weiter am Austausch mit den Kollegen teilnehmen. Die unter www.cio-circle.org erreichbare Plattform, auf der die mehr als 900 im Circle vernetzten CIOs diskutieren oder Fachfragen von Kollegen beantworten, wird zum 1. Juli abgeschaltet.
Der Austausch von CIO zu CIO soll im Community-Bereich von www.voice-ev.org weitergehen. "Es ist gut, dass wir zu neuen Ufern aufbrechen", sagte Wirtschaftsinformatiker Helmut Krcmar, der die Internet-Plattform des CIO-Circle bislang über seinen Lehrstuhl an der TU München betreibt. Die auf dem Open-Source-CMS Drupal basierende neue Plattform werde dem Netzwerk einen "qualitativen Fortschritt" bringen, so Krcmar. Die vernetzten IT-Chefs sollen dort alle Funktionen finden, die sie vom CIO-Circle kennen, und mehr: vom Veranstaltungskalender über eine Bibliothek für Dokumente und die Möglichkeit zum Hochladen von Videos bis zum Best-Practice-Austausch mit Blogs und Wikis.
Zwei Rundschreiben werden alle beim CIO-Circle angemeldeten IT-Chefs über den Übergang informieren. Eines soll vor Erscheinen dieser Ausgabe schon versandt worden sein, eine Erinnerung folgt Mitte Juni. Wer sich unter der Flagge von Voice weiterhin vernetzen will, dessen persönliche Informationen und Diskussionsbeiträge werden auf die neue Plattform migriert. Wer nicht einwilligt, dessen Daten werden Ende Juni gelöscht.
200 Euro Jahresbeitrag
Voraussetzung, sich auf der neuen Plattform einloggen zu können, ist die Mitgliedschaft bei Voice. Für 200 Euro Jahresbeitrag bekommen Unternehmen, die ihren IT-Chef in den Verband entsenden, oder CIOs, die persönlich beitreten, Zugriff auf die Netzwerkplattform. Der Basisbetrag deckt im Wesentlichen die Betriebskosten der Plattform ab. Schrittweise lässt sich die Mitgliedschaft durch Inanspruchnahme unterschiedlich bepreister "Services" aufstocken, beispielsweise die Teilnahme an Veranstaltungen des Verbands. Wer alle Leistungen des Verbands nutzt, zahlt den Höchstbetrag von 7500 Euro, was dem bisherigen Mitgliedsbeitrag im CIO-Colloquium entspricht.
Die bisherigen Grundsätze für den Beitritt gelten nach den Worten von Almatis-CIO und Circle-Mitgründer Henning Stams, der ebenfalls im Präsidium von Voice sitzt, unverändert weiter: Zugelassen ist, wer die strategische IT-Verantwortung in einem Unternehmen trägt. Anbieter und Berater bleiben außen vor.
Die von vielen als "Kuschelecke" bezeichnete Möglichkeit zum vertrauten und vertraulichen Austausch bleibt also erhalten. Neu ist, dass er bei Voice unter festen Strukturen stattfindet. Neben dem neunköpfigen Präsidium mit Ex-Lufthansa-CIO Thomas Endres an der Spitze hat die als Verein eingetragene Voice seit Anfang März mit dem einst im CIO-Colloquium und bei Finaki tätigen Christoph Hecker auch einen hauptamtlichen Geschäftsführer. "Dass es Strukturen gibt, heißt aber nicht, dass wir die bisherige informelle Arbeit aufgeben", sagt Henning Stams. Weiterhin sei die Netzwerkarbeit auf Initiative Einzelner angewiesen, und CIOs könnten zum Beispiel Patenschaften für Diskussionsthemen übernehmen oder Workshops organisieren. "Mir ist spontan nichts eingefallen, was gegenüber dem Circle wegfällt", sagte Stams, ohne dass sich Widerspruch regte.
Lobbyarbeit für Anwender gegenüber Politik und IT-Branche
Neu allerdings ist, dass bei Voice auch Meinungsbildung und Meinungsäußerung auf dem Programm stehen. Lobbyarbeit für Anwender gegenüber Politik und IT-Branche ist erklärtes Ziel des Verbands. "Darum kommen wir nicht mehr herum, wir werden mittlerweile wahrgenommen und gefragt", sagte Stams. Geplant ist, dass dafür das derzeit noch in München angesiedelte Büro nach Berlin umzieht.
Eine Jahrestagung in ähnlicher Form wie bisher soll es auch unter der Flagge von Voice geben. Werner Merkl, CIO von S-Y Systems Technologies Europe in Regensburg, und Thilo Grawert von der Universa Lebensversicherung präsentierten sich zum Ende der Tagung als Ausrichter des nächsten Treffens. Es soll im April 2013 wahrscheinlich in der Region Nürnberg stattfinden. Zu der vertrauten Runde im Circle werden sich dann neue Gesichter aus dem Colloquium und auch dem CIO-Forum gesellen.