Über Big Data ist in den zurückliegenden Jahren viel gesprochen und geschrieben worden. Die meisten Aussagen sind absolut konsensfähig. Erstens: Die Datenmenge steigt in atemberaubender Geschwindigkeit, da immer mehr Devices digitale Informationen produzieren. Das Internet of Things mit seinen Connected Cars, smarten Kühlschränken oder Fitnessarmbändern wird diese Entwicklung weiter beschleunigen. Zweitens: Diese Daten bilden die Wirklichkeit immer besser ab.
In ihnen steckt deshalb ungeheures Potenzial für die Unternehmen. Das Marketing kann jeden einzelnen Kunden ganz genau kennenlernen und ihn individuell und gezielt ansprechen. Oder ein anderes Beispiel: Die Produktion weiß ganz genau, wann der Ausfall einer Maschine droht, und kann die Wartung für den optimalen Zeitpunkt ansetzen. Und drittens: Bislang tun sich viele Unternehmen enorm schwer, die Daten sinnvoll zu nutzen.
Zu diesem Ergebnis kam auch eine Studie, die MHP im vergangenen Jahr betrieben hat. Von 254 Entscheidern aus deutschen Industrieunternehmen gaben lediglich sechs Prozent an, bereits ein Big-Data-Konzept umgesetzt zu haben - obwohl die meisten die ungeheuren Chancen erkannt haben. Aber viele scheiterten, wie die Erhebung zeigt, an folgenden drei Herausforderungen.
40 Prozent der Befragten vermissten eine klare strategische Ausrichtung im Unternehmen.
54 Prozent waren der Meinung, die bestehende technologische Infrastruktur würde den neuen Anforderungen nicht genügen.
63 Prozent sahen den Mangel an qualifizierten Mitarbeitern als eine wichtige Ursache für den Big-Data-Stillstand.
Data Scientists sind rar und teuer
Die beiden ersten Punkte lassen sich vergleichsweise leicht in den Griff bekommen. Viele Unternehmen engagieren sich hier bereits intensiv. Eine Management- und IT-Beratung wie MHP kann das sehr deutlich an den Projekten ablesen. Oft wird mit Kunden der Daten-Ist-Zustand erhoben, um mögliche Potenziale zu erkennen. Oder es geht darum, die Infrastruktur fit zu machen und die technologische Basis zu legen. Enorm schwer tun sich die Unternehmen indes, Mitarbeiter mit Daten-Know-how - also Data Scientists - in ausreichender Zahl zu finden, auch wenn sie bereit sind, sich das einiges kosten zu lassen. Daran wird sich wohl auch in den nächsten Jahren nicht viel ändern.
Der Grund: Frauen und Männer, die alle erforderlichen Kompetenzen mitbringen, sind rar - nicht zuletzt, weil bislang an den Hochschulen überhaupt nicht mit einem Fokus auf Daten ausgebildet wurde. Die ersten Studiengänge entstehen gerade erst. Menschen mit einem Informatik-, Ingenieurs- oder BWL-Hintergrund verfügen jeweils nur über ein paar der gefragten Skills. Diese müssten bestehende Lücken also zunächst auffüllen.
Der richtige Umgang mit Rohdaten
Dabei besteht die besondere Anforderung an Spezialisten für Data Science darin, dass sie sich in zwei Welten sehr gut zurechtfinden müssen. Auf der einen Seite benötigen sie herausragende technologische Fähigkeiten. Sie müssen wissen, wie sich innerhalb eines Unternehmens eine saubere Datenbasis generieren lässt, wie sie die Daten aus den unterschiedlichen IT-Systemen in eine Datenbank bekommen, und wie sie diese dort mit den gängigen Tools analysieren.
Das alles beherrschen die meisten Informatikabsolventen. Data Scientists sollten darüber hinaus aber auch in der Lage sein, die Rohdaten explorativ zu durchforsten, um auf neue Zusammenhänge zu stoßen. Und sie sollten Algorithmen entwickeln können, mit denen sich Daten systematisch und automatisch auswerten lassen. Mathematiker oder Physiker bringen hier meist ein sehr gutes Verständnis mit, sind sie es doch gewohnt, in abstrakten Zusammenhängen zu denken.
Der Data Scientist muss Generalist sein
Auf der anderen Seite müssen sich Data Scientist auch mit den fachlichen Anforderungen, Rahmenbedingungen und Prozessen auskennen - im besten Fall in unterschiedlichen Bereichen. Sie sollten also sehr genau wissen, welche Botschaften und Kommunikationskanäle im Dialog mit den Kunden genutzt werden, um das Marketing bei der Segmentierung der Zielgruppen zu unterstützen. Und sie sollten den Ablauf in der Produktion exakt vor Augen haben, um eine datenbasierte vorausschauende Instandhaltung - Predictive Maintenance - zu etablieren und kontinuierlich zu verbessern. Es geht für sie also immer darum, die Möglichkeiten der Datenanalyse mit fachlichen Herausforderungen zusammenzudenken.
Qualifizieren, einkaufen, auslagern
Bis zu einem gewissen Grad lässt sich eine an Daten orientierte Unternehmensorganisation aufbauen, auch wenn keine Talente mit all diesen Fähigkeiten zur Verfügung stehen. An einem bestimmten Punkt wird das vorhandene Wissen beziehungsweise Nichtwissen der Mitarbeiter allerdings zum Engpass. Darauf lässt sich auf drei Arten reagieren:
Erstens können die Unternehmen Mitarbeiter mit vielversprechenden Voraussetzungen weiterbilden. Das ist zwar ein nachhaltiges und vergleichsweise günstiges Vorgehen, nimmt aber Zeit in Anspruch.
Zweitens können Mitarbeiter mit dem erforderlichen Know-how rekrutiert werden. Wie gesagt, sind solche Talente derzeit aber noch rar und deshalb entsprechend gefragt und umworben.
Deshalb kann es drittens sinnvoll sein, Kapazitäten temporär und gezielt einzukaufen. In den meisten Fällen, wird es auf eine Mischung hinauslaufen: Ein neu eingestellter, hochqualifizierter Data Scientist bringt dann nicht nur all seine Skills ein, sondern kann auch die Entwicklung der internen Mitarbeiter und die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern steuern.
Wenn sich Unternehmen intensiver mit ihren Daten befassen und entsprechende Projekte anstoßen, wirkt sich das natürlich auch auf Beratungsunternehmen wie MHP aus. Consultants müssen in der Lage sein, den Kunden einen sicheren Weg durch das unentdeckte Datenterrain zu weisen. Das setzt voraus, dass sie über die gleichen Fähigkeiten verfügen, die auch von einem im Betrieb agierenden Data Scientist gefordert sind. Und mehr noch: Daten können nicht nur dazu dienen, bislang Bekanntes zu optimieren, sie können auch die Basis für komplett neue Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle sein.
Gerade solche Innovationen verschaffen Unternehmen einen erheblichen Vorsprung vor ihren Mitbewerbern. Von Beratern wird deshalb erwartet, kreative Impulse zu liefern. Ein systematisches Vorgehen und verschiedene Methoden und Techniken unterstützen einen solchen Innovationsprozess zwar - letztlich kommt es aber immer auf einen guten Einfall an. Ein Data Scientist bei einem Beratungsunternehmen sollte daher ein Gespür dafür haben, wie sich aus den vorhandenen Informationen und den technologischen Möglichkeiten in der spezifischen Welt des jeweiligen Kunden etwas Neues kreieren lässt.
Beratung: Skills werden schnell aufgebaut
Solche Mitarbeiter zu finden und zu gewinnen, ist auch für Beratungsunternehmen eine anspruchsvolle Aufgabe. Anders als die Kunden haben sie aber den Vorteil, dass Talente mit guten Voraussetzungen in kurzer Zeit viele unterschiedliche Situationen bei Unternehmen kennenlernen und so ihre Skills rasch erweitern können. Das gilt vor allem für das kreative Gespür, das so wertvoll ist.