Best Ager fühlen sich beruflich abgehängt - das ist das Ergebnis unserer Studie "Best Ager im Beruf - Potenzial im Fachkräftemangel?" von borisgloger consulting und der Technischen Hochschule Augsburg. Besonders auffällig: Bereits ab 40 Jahren nimmt die Einschätzung der Aufstiegschancen rapide ab. Während die Altersgruppe bis 40 Jahre ihre Aufstiegschancen mit 4,1 von 6 möglichen Punkten bewertet, erreicht die Altersgruppe ab 40 Jahren nur noch 3,5 Punkte. Ab 50 Jahren sinkt die Wahrnehmung der Aufstiegschancen nochmals deutlich auf 3,1 Punkte.
Arbeitgeber müssen Erfahrungswissen besser honorieren
Woran liegt das? Das Buch "From strength to strength" legt eine Erklärung nahe. Ältere Menschen haben eine andere Form von Fähigkeiten und Intelligenz als jüngere Kolleginnen und Kollegen. Sie bringen eine Art Weitblick und Erfahrungswissen in die Organisation ein. Der Knackpunkt ist, dass dieses Wissen erst in der Erforschung neuer Ansätze wirklich wertvoll wird.
Ohne diese Verbindung verpufft es und die Best Ager fühlen sich ausgeschlossen. Was tun? Die Lösung liegt einerseits in der Wertschätzung und andererseits in Aufgaben, die der Erfahrung dieser Arbeitsgruppe entsprechen sowie gleichzeitig neue Impulse liefern.
1. Motivieren und Binden von älteren Mitarbeitenden zur Priorität machen
Ältere Mitarbeitende sind zwar aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Gehälter kostspielig, aber mit ihrem großen Erfahrungsschatz unersetzlich. Sie können nicht durch jüngere, billigere Arbeitskräfte ersetzt werden. Es lohnt sich, allein wegen des großen Fachkräftemangels, auch in Zukunft auf ältere Mitarbeitende zu setzen. Die Unternehmen werden in Zukunft mehr denn je auf sie angewiesen sein.
Umgekehrt: Firmen, die jetzt systematisch daran arbeiten, die Älteren zu halten, werden aufgrund der neuen technologischen Chancen durch künstliche Intelligenz einen Wettbewerbsvorteil haben. An erster Stelle steht dabei, eine sinnstiftende Arbeit bis ins hohe Alter zu bieten. Das steigert nicht nur das Wohlbefinden und die Produktivität der älteren Menschen, sondern wirkt auch lebensverlängernd, wie es die Serie "Blue Zone" und das japanische Konzept des "Ikigai" zeigen.
Ältere Mitarbeiter als Multiplikatoren einspannen
Ikigai bedeutet aus dem Japanischen übersetzt "Lebensziel" und das Gefühl, etwas zu haben, wofür es sich lohnt, morgens aufzustehen. Das Fehlen von Ikigai geht mit verschiedenen sozialen und gesundheitlichen Problemen einher. Es ist daher wichtig, ältere Arbeitnehmer in ihrer Arbeit zu bestärken, ihren Beitrag zu würdigen und sie sogar als Multiplikatoren des Ikigai für die Jüngeren einzuspannen.
Dabei muss es nicht immer der aktuelle, enggefasste Arbeitsbereich selbst sein, der sinnstiftend wirkt. So zeigt unsere Studie: Besonders hohen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit von Fach- und Führungskräften haben die Weitergabe von Wissen (51,7 Prozent) und die Übernahme einer Mentorenfunktion (42,4 Prozent). Unternehmen sollten also für Programme sorgen, in denen die Älteren ihre Kontext-Erfahrungen und ihr Wissen um die vielen Zusammenhänge an die jüngeren Kollegen weitergeben können. Fachliches Wissen, etwa das zur neuesten Technologie, darf gerne von der KI oder den jüngeren Kollegen kommen.
2. Weiterbildung für die Best Ager: Ein neues Verständnis entwickeln
Die Zeichen der Zeit spielen den Unternehmen in die Hände: Die heute 55-Jährigen sind technisch anders versiert als noch vor 20 Jahren. Der Umgang mit dem Smartphone oder einer Videokonferenz ist ihnen in der Regel vertraut. Menschen 55+ bewegen sich anders, sind anders sozialisiert und ausgebildet als dieselbe Gruppe vor mehreren Dekaden. Es mag noch immer den einen oder anderen Best Ager geben, der neuen Technologien gegenüber skeptisch ist, doch das sind Ausnahmeerscheinungen.
Die Wertschätzung der älteren Generation, insbesondere auch durch jüngere Führungskräfte, kann daher nicht genug betont werden. Der Schlüssel ist, sie aktiv mitmachen zu lassen. Wie? Unternehmen sollten ältere Arbeitnehmer in neue Projekte außerhalb ihres Kernbereichs einbinden und ihnen die dafür notwendigen Weiterbildungen finanzieren. Diese frischen Impulse werden sich in einer gesteigerten Arbeitsproduktivität niederschlagen. Denn: Wer untypische Projekte übernimmt, stellt sich ungewohnten Herausforderungen und lernt neue Fähigkeiten. Die Best Ager erleben sich als selbstwirksam - das motiviert und macht produktiver.
Neue Projekte für ältere Mitarbeiter
Ein Beispiel könnte ein bereichsübergreifendes Projekt mit dem Schwerpunkt künstliche Intelligenz sein. Es ist entscheidend, Best Ager in diesen Prozess zu integrieren, auch wenn Jüngere bei Themen wie künstlicher Intelligenz möglicherweise einen natürlicheren Zugang haben. Eine Einbindung in ein solches Projekt zeigt ihnen, dass ihre Erfahrungen und ihr Wissen im Unternehmen geschätzt werden.
Die Teilnahme ist freiwillig, und daher liegt es an den Führungskräften, hier "Anreize" zu schaffen, die nicht einmal etwas kosten müssen. Eine persönliche Einladung, mit den Worten: "Deine Meinung ist für uns unverzichtbar, und wir würden uns freuen, wenn du dabei bist" kann hier der entscheidende Kniff sein. Darüber hinaus können die Top-Führungskräfte die Notwendigkeit und die Chancen zur persönlichen Weiterentwicklung sowie den Beitrag, aktiv an einer erfolgreichen Unternehmenskultur mitzuwirken, betonen.
3. Karrierepfad konkret aufzeigen und gestalten
Tatsache ist: Grundsätzlich strebt jeder Mensch nach Weiterentwicklung - unabhängig vom Alter. Deshalb ist es wichtig, dass auch die Best Ager von ihren Möglichkeiten überzeugt sind, sich noch weiterentwickeln zu können. Es kann vorkommen, dass Führungskräfte ihnen beim Aufzeigen dieser Möglichkeiten helfen müssen.
Je nach Unternehmenskultur sind die Anforderungen unterschiedlich: So motivieren in agilen Unternehmen häufig nicht höhere Positionen, sondern Aufgaben, die Erfahrung, Kompetenz und die Chance auf Wachstum widerspiegeln. Wir handhaben das zum Beispiel so: Jeder Mitarbeitende sucht sich sein Team selbst aus und kann es auch wechseln - zum Beispiel, weil jemand nicht mehr klassisch beraten, sondern nun Trainings konzipieren möchte. Oder ein Mitarbeiter möchte nicht mehr Kunden in der Automobilbranche beraten, sondern nachhaltige Projekte rund um Solar- oder Windenergie vorantreiben. Es ist die Verantwortung der Führungskräfte, das Experimentieren zu fördern und darauf hinzuweisen - besonders wenn jemand schon lange im Unternehmen oder in derselben Position tätig ist.
Aktiv den Austausch zwischen Jung und Alt fördern
Um im Wettbewerb bestehen zu können, sind Unternehmen auf das Wissen und Engagement ihrer erfahrenen Belegschaft angewiesen. Indem sie älteren Mitarbeitenden stetig neue Herausforderungen bieten, bleiben diese im schnellen Wandel der Arbeitswelt integriert. Interdisziplinäre Zusammenarbeit in Teams fördern den Austausch zwischen Jung und Alt, schaffen ein dynamisches Arbeitsumfeld und steigern so die Arbeitszufriedenheit.
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