Der Investitions- & „Ernsthaftigkeits-“Test
Auch US-Firmen ist das Marktpotential ihrer Lösungen in Deutschland bewusst. Kein Wunder, dass man gerne ein Stück vom Kuchen abhaben will. Doch wer ernten will, muss auch säen. Leider sehen das US-Anbieter etwas anders. Die generelle Zielsetzung ist es, die Investitionen möglichst aus den Erlösen der ersten Aufträge zu tätigen. Dass ein Mindestmass an Initial-Investition getätigt sein muss, dass über ein Basisteam vom Account Manager oder Produktberater hinausgeht, stösst eher auf Unverständnis. Doch wer ungenügend investiert, unterliegt später leider der "Sparen egal was es kostet“ - Regel. Erfahrung hat gezeigt, dass das zur Folge hat, dass der erste Auftrag oft ein Mehrfaches kostet, von dem was er einbringt und nicht selten scheitert. Die Folge ist meist der frustrierte Rückzug vom Markt oder der Fortbestand auf Sparflamme.
Tipp: Lassen Sie sich die Investitionspläne für den Deutschen Markt erläutern, auch von Unternehmen die schon "etabliert" sind. Beachten Sie dabei Software-Lokalisierung, Vertrieb, Implementierung, Büros, Marketing etc., aber seien Sie nicht überrascht, wenn das Ergebnis recht mager ausfällt.
Der Deutsche Manager – Ein Entscheidungsträger?
Wer kennt sie nicht die fantastischen Titel von Managern bei US-Firmen – Sales Director, Vice President, Country Manager etc., doch wieviel steckt wirklich dahinter?
Anders als bei deutschen Unternehmen können lokale Töchter von US-Firmen höchst selten autark entscheiden. Selbst Geschäftsführer stehen zwar rechtlich in der Verantwortung, müssen aber für viele Fragen, gerade bei finanziellen, bei ihrer US-Mutter um Genehmigung anfragen. Sogar in sehr grossen Unternehmen endet eine Entscheidung oft auf dem Tisch des CEO. So muss man sich nicht wundern, dass selbst Angebote vier Wochen und länger dauern können. Das lediglich, weil in manchen Firmen eine Gruppe aus Managern über zu gewährende Rabatte entscheiden muss, wo bei uns eigentlich eine Person entscheidet. Wundern Sie sich also nicht, wenn Ihnen der Verkäufer eines US-Unternehmens sagt, "so schnell schiessen die Preußen nicht“! Übrigens: Ein "Account Manager" hat in der Regel überhaupt nichts zu entscheiden, auch wenn er so tut als ob.
Tipp: Erkundigen Sie sich über die Entscheidungsbefugnis Ihres Verhandlungspartners. Befragen Sie ihn über Entscheidungswege und bei welchen Fragen, wo und was entschieden wird. Tut man dies nicht, wird man sich über die langen Wege wundern. Der Verkäufer würde Ihnen ja gerne viel schneller die gewünschten Zusagen machen würde. Er kann einfach nicht.
Der Motivationsfaktor schlechthin – "Cash up front"
Wer US-Unternehmen kennt, weiss dass diese Cash getrieben sind. Gute Aufträge sind nicht unbedingt nach Deutscher Manier die Aufträge, die langfristig gute und lukrative Umsätze liefern. Dies liegt daran, dass laut den US-Buchführungsregeln nur Umsätze gutgeschrieben werden können, die in maximal neun bis zwölf Monaten zur Zahlung führen. Längerfristige Verträge sind zwar gut für das Unternehmen, aber für den Vertrieb wenig interessant. Hört sich schlimm an, ist aber so!
Bedenken Sie, dass vom Account Manager bis zum CEO nur die Umsätze zählen, bei denen jetzt Geld fliesst. Besonders, was die Provisionen angeht. Da zählt die simple Regel, dass nur anrechenbarer Umsatz als Erfolg gilt, und nur dadurch der Account Manager motiviert sein kann.
Tipp: Wer bei US-Firmen kauft, sollte bereit sein, den grösseren Betrag der Lizenzen bei Vertragsabschluss zu bezahlen. Dann ist der Kunde wirklich König. Übrigens: Mehr Geld am Anfang ist ein guter Grund für einen grösseren Rabatt.
Die Präsentation
Es gibt zwei Extreme bei Lösungspräsentationen. Die "Deutsche Art", nur mit Fokus auf die Lösung und die "Amerikanische Art", mit Fokus auf Philosophie, Folien und Return on Invest.
Die optimale Lösung liegt aber in der goldenen Mitte. Doch wenn Sie das dem Anbieter nicht mitteilen, sollten Sie nicht erwarten, dass er Ihren Anforderungen gerecht wird. Kernfrage ist erst einmal, ob die Präsentation vom erfahrenen, Deutschen Mitarbeiter oder vom "US-Experten“"durchgeführt wird. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein US-Mitarbeiter, unabhängig von seiner Betriebszugehörigkeit, so präsentiert wie Sie das erwarten. Stellen Sie sicher, dass Sie eine deutschsprachige Version, mit deutscher Funktionalität und deutschen Daten sehen werden. Sollte das nicht zur Verfügung stehen, müssen Sie entscheiden, ob die Lösung so innovativ ist, dass dies weniger relevant ist, werden aber nicht erst bei der Präsentation davon überrascht. Übrigens: Zusagen fehlende Funktionalität später zu erhalten oder Entwicklungspläne, die Erweiterungen ankündigen, sind nur von Belang, wenn diese vertraglich vereinbart wurden. Also vor Vertragsabschluss daran denken.
Tipp: Geben Sie genauesten die Vorstellungen des Präsentationsinhaltes vor. Informieren Sie Ihr Gegenüber über Zielsetzung des Termins und die Erwartungshaltung der Teilnehmer. Nehmen Sie sich gegebenenfalls die Zeit und stellen Sie einen Mitarbeiter zur gemeinsamen Vorbereitung frei. Die Erkenntnisse, die dabei gewonnen werden können, sind Gold wert!
Die Vertragsgestaltung
Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass wer in Deutschland Geschäfte machen will, auch Deutsche Verträge mit Deutschem Recht hat. Doch weit gefehlt. Besonders bei Unternehmen, die gerade auf den Europäischen Markt kommen, kann dies nicht erwartet werden. Wer also noch nie einen Englischsprachigen Vertrag mit US-Recht gesehen hat, der wird ihn bald zu sehen bekommen. Die Sturheit der US Anbieter auf den eigenen Vertrag zu bestehen, kann eine Einigung oft um Monate verzögern
Tipp: Fragen Sie gleich am Anfang der Vertriebsaktivitäten nach den Deutschen Musterverträgen. Wenn der Account Manager dann ins Stottern gerät, ist Vorsicht geboten. Stellen Sie sicher, dass der Anbieter auch einen Deutschen Anwalt hat, der mit Ihnen verhandeln kann. US-Anwälten Deutsche Anforderungen näher zu bringen, ist oft schlichtweg aussichtslos.
Das Implementierungsteam – Verwertbare Erfahrung zählt!
Experten für die Implementierung oder Erstellung von Anpassungen an der Software kommen höchst selten aus Deutschland, eher aus den USA oder neuerdings aus Indien. Erwarten Sie weder die „Deutsche Gründlichkeit“ noch ausreichende Deutschkenntnisse. Wenn Ihr eigenes Projektteam nur schlecht Englisch spricht, ist ein Auffrischungskurs angesagt. Berater von lokalen Partnern sprechen zwar besser Deutsch, mit der echten Erfahrung, in der Lösung hapert es aber meist. Egal wie oft diese international implementiert wurde. Übrigens: Wenn Mitarbeiter aus aller Welt eingeflogen werden, um die Lösung hier zu implementieren, kann es durchaus vorkommen, dass Sie auf den Reisekosten sitzen bleiben. Nutzen Sie unterschiedliche Erfahrungen oder ungenügende Sprachkenntnisse für variable Tagessätze.
Tipp: Checken Sie die Lebensläufe der Implementierungsberater. Lassen Sie sich die wichtigsten Mitarbeiter persönlich vorstellen. Vereinbaren Sie vertraglich, dass Mitarbeiter nicht wahllos ausgetauscht werden können. Veranlassen Sie ein nachvollziehbares und offen gelegtes Projekt-Controlling. Auch wenn Sie nicht alles bezahlen, ist es hilfreich zu wissen, wann der Anbieter in die Miesen rutscht. Über ungenügende Qualität und Motivation muss man sich dann jedenfalls nicht mehr wundern.
Der CEO des Anbieters - Sponsor für Ihren Auftrag
Wer trifft sie nicht gerne, die Entscheidungsträger beim Anbieter. Zur richtigen Zeit fliegen US-Top-Manager gerne nach Deutschland, um die Wichtigkeit des Auftrages zu untermauern. Doch wie wichtig ist Ihr Auftrag wirklich für den Anbieter? (Siehe "Cash up Front"). Nutzen Sie diese Meetings, um die nötigen Zusagen für Ressourcen und sonstigen Bereiche in Ihrem Projekt.
Tipp: Stellen Sie sicher, dass der CEO nicht nur ein "Vertriebsinteresse" an Ihnen hat. Am Besten fragt man bei bestehenden Kunden nach, inwiefern die Involvierung von Top Management bei diesem Anbieter wirklich nützlich war.
Fazit: Wer ernstes Interesse an einer US-Software-Lösung hat, muss sich darauf einstellen, sich den US-Gegebenheiten anzunähern. Tut man dies nicht, könnte man vielleicht sein blaues Wunder erleben. Wer jedoch die Spielregeln beherrscht, kann durchaus Vorteile aus der Zusammenarbeit mit US-Software-Anbietern ziehen.
Die "Schnellcheckliste" – bei wenigen "Ja" ist Vorsicht geboten:
1. Deutsche Referenzen, Sprachversion, Funktionalitäten, Handbücher
2. Deutsche Verträge – Sprache, Recht und Gerichtsstand, Anwalt
3. Deutsche GmbH/Niederlassung
4. Deutsche Implementierung, Support, mit lokaler Erfahrung der ausgewählten Lösung
5. Lokale Partner – Vertrieb, Implementierung, eingebundene Lösungen mit Schnittstellen
Christoph Gross ist selbständiger Unternehmensberater und seit über 19 Jahren im IT Bereich in Beratung und Vertrieb tätig. Er arbeitete für Unternehmen wie i2 Technologies, Manugistics, QAD oder Manhattan Associates mit Kunden in über 20 Ländern und diversen Branchen.