Bis zur Fusion war für Dirk Ventur alles in Ordnung. Der ehemalige CIO von SKW Trostberg bewegte sich im üblichen Spannungsfeld zwischen Strategie, Umsetzung, Optimierung und Standardisierung. Doch nachdem SKW und Degussa fusioniert hatten, verantwortete der 44-jährige CIO nur noch die IT-Strategie des Düsseldorfer Degussa. "Dadurch gestaltete sich alles sehr theoretisch, die Umsetzung fehlte völlig. Ich war weit weg von der wirklichen IT-Welt." Ventur wechselte den Job.
Ein typischer Fall: Die wirtschaftliche Situation zwingt Unternehmen zu fusionieren oder ihre IT auszulagern. Damit verändert sich oft der Arbeitsbereich der CIOs. Ihre Karriereperspektiven werden allerdings nicht zwangsläufig schlechter. "Früher galt die einfache Formel: je mehr Personalverantwortung, desto kompetenter die Führungskraft", so Elke Beekmann, Personalberaterin bei Civitas in München. Das habe sich inzwischen geändert: "Kaum ein CIO hat heute einen Lebenslauf mit regelmäßig steigenden Mitarbeiterzahlen. In der Branche ist klar, dass diese Zeiten vorbei sind."
Tatsächlich sehen nicht alle CIOs die Alleinstellung so kritisch wie Ventur. Eine optimale Lösung hat Rudolf Germer gefunden: Der 54-Jährige ist seit Anfang 2002 EDV-Leiter bei Globeground, einem Berliner Airport-Dienstleister. Ein umfangreiches IT-Team sucht man bei ihm vergebens: Gerade drei Mitarbeiter, eine Assistentin und einige EDV-Dienstleister stehen ihm zur Seite. "Wir haben alles outgesourct", sagt Germer.
Dennoch ist er nicht nur für strategische Überlegungen zuständig. Kleinere Eigenentwicklungen, zum Beispiel im Datenbankbereich, werden von den Globeground-Programmierern selbst erarbeitet und anschließend an die Dienstleister übergeben. Germer ist von dieser Lösung überzeugt: "Ich kann mich vor allem auf Strategie und Entwicklung konzentrieren." Eigentlich sei sein jetziger Job der eines Consultants.
Das war in seiner vorherigen Position als Betriebsleiter der Berlindat, dem IT-Dienstleister des Energieversorgers Bewag, anders; hier hatte er 150 Mitarbeiter. "Auch wenn die Personalangelegenheiten notwendig und wichtig waren, sie kosteten trotzdem viel Zeit", konstatiert Germer. Diese Zeit könne er jetzt seinen Kernaufgaben widmen.
Diese Konzentration auf das Wesentliche hat auch Hans-Georg Heinl, CIO der Buderus AG aus Wetzlar, erreicht. Nachdem er 1996 zunächst das Rechenzentrum an Lufthansa Systems outgesourct hatte, folgte im Jahr 2000 die komplette Anwendungsentwicklung. Heinl blieb allein - zuständig für die Strategie und die Kommunikation mit den wenigen ITlern, die in den einzelnen Fachabteilungen für die jeweilige Projektumsetzung verblieben waren.
Seit einiger Zeit hat das Single-Dasein des 55-Jährigen wieder ein Ende: 40 Mitarbeiter aus den Fachabteilungen sind in seinem Ressort zusammengezogen worden und dort jetzt für Projektmanagement, Anwendungsbetreuung und Schulungen zuständig - Aufgaben, die vorher ebenfalls ausgelagert waren. Geplant war diese Restrukturierung nicht: "Das Outsourcing war erfolgreich, aber vielleicht haben wir etwas übertrieben", sagt Heinl.
Doch die aktuelle Situation - Strategieverantwortung mit einer kleinen, schlagkräftigen Mannschaft - entspricht dem langjährigen Buderus-ITler ohnehin am ehesten: "Ohne die vielen Mitarbeiter kann ich mich jetzt ganz auf das Projektgeschäft konzentrieren." Insgesamt könne er nun effektiver planen; die Fachabteilungen würden auch besser beraten. Heinls Resümee: "So wie es jetzt läuft, ist es wirklich gut."
Diese Schlussfolgerung zieht jetzt auch Ex-Degussa-Mann Ventur. Nach einigen Monaten Beratertätigkeit wechselte er im Sommer letzten Jahres zu Arvato Systems, der IT-Service-Tochter von Bertelsmann. Dort ist er als Vice President für die Geschäftseinheit Global24 zuständig. "Jetzt kann bin ich die entwickelten Konzepte auch wieder in die Praxis umsetzen. Das ist eine ganz andere Welt und macht viel Spaß."