In Ihrer Studie stellen Sie fest, dass die Investitionsneigung im Bereich Business Intelligence trotz Krise mit 42 Prozent überraschend groß ist. Ausgerechnet das besonders gebeutelte produzierende Gewerbe sei Vorreiter im strategischen BI. Warum gerade diese Unternehmen?
Marcus Dill: Weil das produzierende Gewerbe traditionell knapp kalkulieren muss und gezwungen ist, sämtliche Potenziale auszuschöpfen. Außerdem hat man in diesen Unternehmen die Vorteile von Automatisierung und Standardisierung in den Produktionsprozessen zu schätzen gelernt und diese Erfahrung schon sehr früh und bereitwillig auch auf die informationstechnischen und kaufmännischen Prozesse übertragen. Und die Effizienz von Prozessen will gemessen werden. An dieser Stelle kommt Business Intelligence ins Spiel. Demgegenüber ging es beispielsweise den Banken lange sehr gut - vielleicht zu gut. Deshalb hat diese Branche häufig allzu großzügig gedacht und weniger Anstrengungen im Hinblick auf Prozesseffizienz und deren Messung unternommen.
"Mittels Data Mining kam die Bank Betrügern auf die Spur"
Denken die Banken jetzt um?
Marcus Dill: Das Interesse an BI wächst ganz eindeutig. Das liegt auch daran, dass nicht mehr alleine regulatorische Aspekte wie Basel II einen Einstieg nahe liegen, sondern ökonomisches Kalkül. Die positiven Effekte von intelligenten Analysen auf den Return-On-Investment im Finance-Bereich sind schlechterdings nicht zu übersehen.
Können Sie dafür ein Beispiel geben?
Marcus Dill: Ja, wir hatten in unserem Hause gerade mit einem recht interessanten Fall zu tun. Es ging um Betrugserkennung im Umfeld Leasing und Finanzierung von Automobilen. Mit den in der Branche üblichen halbautomatischen Prüfverfahren wären Auffälligkeiten in der schier unüberschaubaren Masse von Verträgen untergegangen. Mittels einer Data Mining-Analyse kam die betroffene Bank einer ganzen Reihe von Betrügern auf die Spur und konnte so erhebliche Betrugsverluste vermeiden. Die Kosten dafür waren vergleichsweise gering - nicht einmal der Wert eines einzigen Oberklassefahrzeugs.
Ihre Studie stellt auch fest, dass sich neben mächtigen Suiten auch MS Excel hartnäckig als Reporting Tool hält. Inwieweit ist das ein Problem?
Marcus Dill: Excel ist aus Anwendersicht ein fast geniales Tool. . Dass die Anwender gerne mit diesem Werkzeug arbeiten, ist angesichts der gebotenen Flexibilität auch allzu verständlich. Neben der hohen Fehlerquote bei manuellen Eingaben liegt der Nachteil aus Unternehmenssicht allerdings darin, dass Daten und Analyselogik verstreut auf einer Vielzahl einzelner Rechner liegen. Das verursacht hohe Kosten bei der Integration und viele Inkonsistenzen zwischen den einzelnen "Analyseinseln". Das manuelle Zusammenführen von Daten führt zu erheblichen Zeitverlusten. Nicht wenige Unternehmen brauchen auf diese Weise viele Tage und Wochen, bis sie ihr Monatsreporting erstellt haben, das ihnen eine solide BI-Infrastruktur in 1-2 Tagen auswerfen würde.
Sollen die Unternehmen also versuchen, ihren Mitarbeitern den Spaß an der Arbeit mit Excel auszutreiben?
Marcus Dill: Nicht zwangsläufig. Am Front-End muss auf die Flexibilität keineswegs verzichtet werden. Es gibt ja BI-Lösungen, die Excel als Oberflächentool integrieren. Entscheidend ist nur, dass nicht in jeder Abteilung das Rad neu erfunden wird, sondern Daten und daraus abgeleitete Kennzahlen möglichst zentral und für alle Bereiche verwendbar vorgehalten werden. Dies senkt nicht nur die Kosten für Analysen, sondern reduziert auch das Begriffswirrwar, das in vielen Unternehmen heute noch herrscht. Nicht selten existieren in derselben Firma - oder sogar derselben Abteilung - zahlreiche Definitionen von Kennzahlen wie "Umsatz". Oder aber gleiche Sachverhalte werden mit verschiedenen Synonymen belegt. Eine sinnvolle Strategie bezüglich Excel hängt ansonsten natürlich auch von den Bedürfnissen der unterschiedlichen Gruppen im Unternehmen ab. Ein Controller z.B. wird immer sein Excel haben wollen, um auf der Basis von Daten Rechnungen und Simulationen durchzuführen. Nur sollte sichergestellt sein, dass er diese Datenbasis aus einem zentralen BI-System mit Qualitätssicherung zieht.
"Management-Cockpits sind eine sinnvolle Sache, die noch wenig genutzt wird"
Nur jedes siebte Unternehmen setzt laut Ihrer Studie Dashboards und Management Cockpits ein. Was ist so schlimm an dieser Zurückhaltung?
Marcus Dill: Eigentlich nichts. Management Cockpits sind grundsätzlich eine sinnvolle Sache, die aber noch wenig genutzt wird, weil viele Unternehmen noch Nachholbedarf bei den zu schaffenden Voraussetzungen haben, vor allem bei der Definition ihrer Kennzahlen und Analysen . Solange noch Unklarheit über die darzustellenden Inhalte herrscht, ist deren grafische Aufbereitung oftmals sekundär. In vielen Fällen genügen den Anwendern zunächst die nackten Zahlen. Da erscheinen die zusätzlichen Funktionen schlicht verzichtbar. Bei vielen Unternehmen ist das BI-Umfeld inhaltlich schlicht noch zu dynamisch, als dass der Zeitpunkt für Investitionen in Dashboards schon gekommen wäre - auch wenn im Rahmen einer langfristigen Strategie kein Weg daran vorbei führt.
Ebenfalls nur sieben Prozent der Unternehmen haben bislang ein "Competence Center" für ihre BI aufgebaut. Empfiehlt sich das denn - beispielsweise auch für Mittelständler?
Marcus Dill: Aus Beratersicht eindeutig ja. Ein derartiges Center ist ein sinnvolles Instrument, den oftmals bestehenden Flickenteppich an Daten und Tools in den verschiedenen Abteilungen zu vereinheitlichen und eine integrierte BI-Landschaft mit zentralem Data Warehouse zu schaffen. Ein BI-CC ist die Voraussetzung für Kosteneffizienz und Qualität in BI. Es ist in großen Unternehmen unverzichtbar, bietet sich aber auch für mittelständische Firmen an, sofern mehrere Abteilungen an einer BI-Initiative beteiligt sind. Meines Erachtens schreckt der hochtrabende Begriff "Competence Center" oftmals ab. In der Praxis reicht es oft schon aus, wenn sich Beauftragte aus jeder Abteilung einmal wöchentlich oder monatlich treffen und miteinander gemeinsame Standards und Erweiterungsvorhaben abstimmen.