Microsoft senkt Preis

Billigeres Office 365 spaltet Analystenwelt

17.04.2012 von Werner Kurzlechner
Nach der Preissenkung bei Microsofts Cloud-Office erwartet Nucleus Research einen Schub im Neugeschäft. Experton dagegen sieht darin ein Einknicken vor Google.
Experton-Analyst Axel Oppermann: "Das gewählte Verhalten wird sicherlich bei einigen Bestandskunden zu Kaufreue führen."
Foto: Experton Group AG

Eine tolle Nachricht für die Anwender war kürzlich von Microsoft zu vernehmen, wie man meinen möchte. Der Anbieter senkt die Preise für seine Cloud-Office-Lösung Office 365 um bis zu ein Fünftel; bei SharePoint Storage gibt es sogar einen Preissturz um 90 Prozent pro Gigabyte. Die Analystenwelt reagiert auf die vermeintliche Positivmeldung allerdings gespalten. Während Nucleus Research die Maßnahme als Chance für Neueinsteiger aus dem Mittelstand bejubelt, lässt die Experton Group kein gutes Haar an der Microsoft-Strategie. Anwender der ersten Stunden würden vor den Kopf gestoßen, Dienstleistungspartner müssten Verdienstverluste hinnehmen, und außerdem zeige sich, wie sehr Microsoft mittlerweile von Google vor sich hergetrieben werde. Schließlich soll Office 365 vor allen Dingen im Wettkampf mit Google Apps bestehen.

Gerade einmal ein Dreivierteljahr ist Office 365 auf dem Markt. Dass es nun schon zu einer Preissenkung kommt, ist nach Einschätzung von Nucleus durchaus klug. So habe man in einer eigenen Studie herausgefunden, dass die Hälfte der Cloud-Anwender bereits nach einem halben Jahr über einen Anbieterwechsel nachdenke. Im Falle von Office 365 habe sich bereits auf dem bisherigen Preisniveau für die Kunden ein hoher Return-on-Investment (ROI) ergeben, sagte Nucleus-Analystin Rebecca Wettemann unserer Schwesterpublikation PCWorld.

Ziel, neue Kunden zu gewinnen

„Dieser Preiswechsel ist vermutlich eine Penetrationsstrategie von Microsoft mit dem Ziel, neue Kunden zu gewinnen“, so Wettemann weiter. „Der Markt der kleinen und mittleren Unternehmen ist besonders preissensitiv.“ Die Analystin, die eigene Fallstudien zu Office 365 durchgeführt hat, verweist darauf, dass Anwender in der Regel von teureren Cloud- oder On-Premise-Angeboten zur günstigeren Collaboration- und Kommunikationsplattform von Microsoft wechseln. Dort fänden sie zudem höhere Verlässlichkeit und Verfügbarkeit zu niedrigeren Support-Kosten vor.

Wer einmal das monatlich oder nach Nutzer abgerechnete und in der Regel aus Exchange, Office, SharePoint und Lync geschnürte Office-365-Paket angeschafft habe, bekomme in der Regel noch mehr Appetit auf Cloud-Angebote, so Nucleus Research weiter. „In den meisten Firmen punktet Office 365 weiter, weil Nutzerfreundlichkeit ein Schlüsselfaktor ist und so viele Nutzer Office und das Outlook-Interface kennen“, berichtet Wettemann.

Genau an dieser Stelle setzt die harsche Kritik von Experton an, laut der die nur für Neukunden und bei Vertragserneuerung geltende Preissenkung für allgemeine Verwirrung und Verdruss sorgen wird. „Unternehmen, die vor einer Entscheidung für oder gegen Office 365 stehen, sollten sich durch die preisliche Kosmetik nicht blenden lassen“, rät Analyst Axel Oppermann.

Fatale Ansprache-Änderung

Für kleine und mittlere "Early Adopters" seien statt der Kosten Argumente wie Funktionalität, Zuverlässigkeit, Skalierbarkeit oder auch Sicherheit entscheidend. Office 365 biete ihnen einen Service, den sie selbst nicht in vergleichbarer Form im eigenen Unternehmen aus eigenen Mitteln bereitstellen können. „Große Unternehmen gewichten hingegen die Preise für unterschiedliche Services der Anbieter stärker“, so Oppermann. Bedingt durch ihren Erfahrungsschatz, die eingesetzte Technologie und im Unternehmen vorhandene Kompetenzen, liege die Messlatte hier einfach auf einer anderen Ebene. „Und eben diese Unternehmen finden auch immer öfter Geschmack an den Lösungen von Google“, weiß der Experton-Analyst, auch wenn dies in Deutschland noch seltener der Fall sei als in anderen Regionen.

„Microsoft, der Platzhirsch im Markt für Office-Lösungen, sieht sich von Google, der Ikone der Online-Welt, herausgefordert und weiß sich hier anscheinend nur durch eine Preisreduktion zu helfen“, argwöhnt Oppermann. So rutsche Microsoft ohne zwingende Not von einer nutzenbasierten Ebene auf eine preis- und kostenfokussierte Dimension. "Auch mit den in den kommenden sechs bis neun Monaten zu erwartenden Erweiterungen und Ergänzungen für Office 365 wird es Microsoft dann äußerst schwer haben, wieder den Weg der Nutzenargumentation zu beschreiten“, vermutet der Experton-Analyst.

Microsoft habe mittlerweile das Problem, mit Office 365 zwar ein gutes Produkt anzubieten, aber nicht mehr über eine zwingende Machtposition zu verfügen. „Neue Herausforderer wie Google, Dropbox, Zoho oder Salesforce.com greifen am Markt für Office-Produktivitätslösungen massiv an“, so Oppermann.

Angstgegner Nummer 1 in diesem Segment sei indes Google. Microsoft habe sich in der Vergangenheit dem Angebot von Google und den Herausforderungen der neuen Wettbewerber gestellt. „Diese Positionierung und Marktansprache kann unter Aspekten wie Qualität oder Funktionen subsumiert werden“, erläutert der Analyst. Deshalb beurteilt er die neue Billigpreis-Strategie skeptisch.

Zumal es durch die Maßnahme auch Verlierer gibt. Besonders betroffen von dieser Entwicklung seien die Partner, die die Services an den Kunden bringen. So steige unter Umständen zwar die Zahl der möglichen Kunden, die absolute Provision pro User reduziere sich jedoch. „Die sechs Prozent Jahresprovision – respektive die zwölf Prozent für die Gewinnung eines Neukunden – sind zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig“, so Oppermann. Der Analyst äußert sich besorgt, dass die Service-Partner die notwendigen Spielräume verlieren, um für ihre Kunden kreative Lösungen entwickeln zu können.

"Innovatoren abgestraft"

Ein Schlag ins Gesicht der Early Adopter sei die frühe und erst ab dem nächsten Renewal-Termin geltende Preissenkung überdies. „Für die Kunden, die sich früh für eine Lösung wie Office 365 entschieden haben, ist dieser Sachverhalt wie ein Eimer voll kaltes Wasser ins Gesicht“, wettert Oppermann. „Diese Innovatoren werden abgestraft.“

Der Analyst geht davon aus, dass sich das alles auch für Microsoft selbst zum Eigentor entwickeln könnte. Das gewählte Verhalten werde sicherlich bei einigen Bestandskunden zu Kaufreue führen. „Auf jeden Fall wird das Verhalten aber bei aktuellen und zukünftigen Innovationen für Verzögerungen bei einer raschen Adaption sorgen“, prognostiziert der Experton-Analyst.

Oppermanns Fazit aus Anwendersicht: „Anwender sollten sich nicht von der preislichen Diskussion in die Irre leiten lassen.“ Vielmehr gelte es, auf Basis von Nutzen die Auswahl von Services zu bewerten.