Blackberry ist Kult. Das Lieblingsaccessoire moderner Manager steht für Echtzeit und symbolisiert so paradigmatisch das Leitbild der heutigen Geschäftswelt. Genau aus diesem Grund beginnt die Einführung der Push-Mail-Handys in vielen Firmen auch nicht mit einer dedizierten Mobil-Strategie, wie Alexander Fischer weiß: „In den meisten Firmen sind die Blackberrys nach und nach als Privatanschaffung aufgetaucht, und irgendwann war die IT natürlich gefordert, diese Geräte ordentlich in die Messaging-Infrastuktur zu integrieren.“ Der Leiter IT-Infrastruktur bei Papierhersteller August Koehler AG in Oberkirch erinnert sich, dass er die Blackberrys ursprünglich überhaupt nicht auf seiner Rechnung hatte, als er vor eineinhalb Jahren eine langfristige mobile Agenda erarbeitete: „Wir setzten vor eineinhalb Jahren ganz auf Windowsbasierende PDAs und Smartphones, weil wir uns aus Integrationssicht die größten Vorteile versprachen.“
Es sollte jedoch alles anders kommen. Wie andernorts zogen in Oberkirch die Blackberrys über das Management in das Unternehmen ein. Außerdem musste Fischer noch seine ehrgeizigen Windows-Mobile Planungen revidieren. Lieferant T-Mobile strich nämlich zwischenzeitlich zum Leidwesen vieler Firmenanwender sein Microsoft-Engagement zusammen – die Smartphone-Serie SDA wurde komplett ausgemustert, und das als Blackberry-Alternative angekündigte Microsoft Direct Push kam bisher nicht recht in die Puschen. „Ich hatte mich ursprünglich auf die Ankündigungen von T-Mobile und Microsoft verlassen, aber bisher kann ich allenfalls eine halbherzige Umsetzung erkennen“, beklagt Fischer.
Allein das Tarifmodell sei kontraproduktiv: Um nämlich die Push-Funktion von Microsoft auf einem MDA (Mobile Digital Assistent) nutzen zu können, muss jede halbe Stunde ein kleines Datenpaket gesendet werden. Weil aber der Mobilfunktarif als kleinste Abrechnungseinheit 100-KB-Datenblöcke vorsieht, entstehen bei der Dauernutzung enorme Kosten, die weit über dem tatsächlichen Verbrauch liegen.
Während Blackberry mittlerweile einen regelrechten Push-Mail-Hype ausgelöst hat und andere Anbieter zur Nachahmung treibt, macht sich Fischer zunehmend Gedanken über die Nebenwirkungen dieser Technik. „Das Hauptproblem mit den Blackberrys und anderen Pushfähigen Geräten sehe ich darin, dass der Anwender zum Sklaven des E-Mail-Systems wird“, schildert Fischer die Schattenseite der Mail-Zustellung in Echtzeit. Push verwandle nämlich ein asynchrones Kommunikationssystem in ein synchrones, mit bis heute weitgehend unterschätzten Folgen.
Gefährlicher Erwartungsdruck
Im Selbstversuch hat der IT-Profi erlebt, wie er den ganzen Tag mit eingehenden E-Mails beschäftigt war und sich dabei nicht mehr richtig auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren konnte: „Ich bin mir nach einer gewissen Zeit wie ein Pawlowscher Hund vorgekommen, der den ganzen Tag nur noch auf die Signale des Blackberry reagiert“, beschreibt der IT-Manager den Push-Effekt.
Sorgen bereitet ihm auch noch ein anderer, bisher weitgehend unbeachteter Aspekt des Echtzeit-Mail-Verkehrs: Push-Mail-Geräte suggerieren den Kommunikationspartnern eine permanente Erreichbarkeit – und das habe auf Dauer fatale Folgen für den Benutzer: „Push erzeugt einen gefährlichen Erwartungsdruck, weil der Sender dabei annimmt, dass der Mail-Empfänger in jeder Situation unmittelbar die Nachrichten lesen kann“, so Fischer. Erschwerend kommt hinzu, dass die Erreichbarkeit sich nicht auf die offiziellen Arbeitszeiten beschränkt. Denn bekanntlich schielen gewissenhafte Mitarbeiter auch nach Feierabend oder am Wochenende auf das Display nach Neuigkeiten.
Unternehmen mit Blackberry-Nutzern wären nach Ansicht des IT-Managers eigentlich gefordert, unter Einbeziehung des Betriebsrats Richtlinien für den Umgang mit dieser Technologie zu erarbeiten, „denn schließlich handelt es sich hierbei um eine Situation, die vergleichbar ist mit jener bei der Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes“. Doch noch spielt sich das Ganze in einer Grauzone ab: Einerseits dürfte kaum ein Unternehmen von seinen Mitarbeitern offiziell verlangen, E-Mails außerhalb der Arbeitszeiten zu bearbeiten. Gleichzeitig jedoch ist nicht zu bestreiten, dass handliche Endgeräte mit einer Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit dazu verleiten, entsprechend genutzt zu werden.
Fischer sieht hier auch die IT gefordert, sich stärker einer ganzheitlichen Sichtweise zuzuwenden. Heute sei es nicht mehr die Aufgabe, Bits und Bytes zu drehen. Vielmehr gehe es darum, Möglichkeiten und Risiken neuer Technologien aufzuzeigen und die Anwender zu beraten. Bei vielen Kollegen vermisst er dieses Verständnis: „Die IT fungiert leider immer noch allzu oft als Hüterin der Daten, anstatt sich mit Technikmarketing zu befassen. Wenn eine IT aber nur reaktiv Funktionen zur Verfügung stellt, hat sie ihre Aufgabenstellung nicht verstanden und kann outgesourct werden“, so Fischer.
Wie ganzheitliches Technikmarketing funktionieren kann, erläutert er am Beispiel seiner Mobility-Strategie bei Koehler: Tritt ein Mitarbeiter mit dem Wunsch nach einem Mobilgerät an die IT heran, muss er zunächst einmal ein einstündiges Pflichtprogramm durchlaufen, in dem er alle von der Koehler-IT angebotenen Mobil-Technologien kennen lernt. Die meisten Anwender sind von der Bandbreite der angebotenen Lösungen erst einmal überrascht: Neben Handy, Blackberry, T-Mobile SDA/MDA-Smartphone und Laptop zählen auch Outlook Web Access oder der PC-Fernzugriff über Citrix-Terminalserver zum Mobile-Portfolio.
Trotz seiner kritischen Töne gegenüber Push-E-Mail möchte Fischer niemandem seinen Blackberry ausreden, wie er betont. Aber nicht ohne Stolz berichtet er von etlichen Außendienstkollegen, die von ihm zunächst einen Blackberry wollten – und nach der Powerpoint-Aufklärungsstunde als überzeugte Notebook-Anwender die Technikabteilung verließen.