Wie sieht der Tagesablauf eines Vorstandsmitglieds aus? Emilio Matthaei gibt mit seiner Doktorarbeit eine Antwort auf diese Frage. Für seine Dissertation an der Handelshochschule Leipzig hat er sich Terminkalender von Vorstandsmitgliedern der höchsten Hierarchie-Ebenen internationaler Firmen mit durchschnittlich weit über 100.000 Mitarbeitern angesehen.
Matthaei, der heute als Banker für Goldman Sachs in London arbeitet, wollte herausfinden, welche Tätigkeiten zum Tagesgeschäft eines Vorstands gehören. Außerdem interessierte er sich dafür, wo Konzernvorstände arbeiten und mit wem.
Um an diese Informationen zu gelangen, hat Matthaei von zahlreichen Vorständen jeweils vier Wochen ihres elektronischen Kalenders ausgewertet und anschließend mit den Vorstandsmitgliedern und ihren Referaten über die Kalenderinhalte diskutiert. Für die Ergebnisse seiner Arbeit wertete er schließlich zwölf Terminkalender aus.
Keine Reaktion auf E-Mails
Welche Vorstandskalender er unter die Lupe genommen hat, verrät er nicht. Der FAZ erläuterte der 29-Jährige jedoch, wie er sich Zugriff zu den Vorstandskalendern verschaffte. Eine E-Mail oder einen Brief zu schicken, führte selten zu einer Antwort. Deshalb fuhr Matthaei zu Konferenzen und sprach die Kandidaten direkt an: "Auf dem Weg in oder aus dem Saal habe ich sie angesprochen", sagte er der FAZ. Mehr als die Hälfte der Angesprochenen ließen ihn in ihre Kalender sehen.
Meist arbeiten die Vorstände die Mathaei Einblick in ihren Terminkalender gewährten, mehr als 65 Stunden in der Woche. An einem normalen Arbeitstag haben die Führungskräfte weit mehr als fünf Termine vor sich. Auch an zahlreichen Wochenenden befassen Vorstände sich mit ihren Führungstätigkeiten.
Vorstände sind kaum im eigenen Büro
Nur etwa 60 Prozent der geplanten Termine und Aktivitäten verbringen Vorstände im eigenen Unternehmen. Die übrige Zeit stehen Besuche und Dienstreisen an. Matthaeis Auswertung ergab, dass Führungskräfte die wenigste Zeit in ihrem eigenen Büro verbringen und sie insgesamt nur in sehr geringem Maß allein arbeiten. Im Durchschnitt verbringt ein Vorstand 64 Prozent seiner Zeit in Meetings, zum Beispiel zusammen mit anderen Führungskräften, Mitarbeiterin oder Geschäftspartnern.
Die Vorstände sprachen mit Mathaei auch über die Herausforderungen ihrer Tätigkeit: "Aufgrund der zunehmenden Größe der Unternehmen und der Dynamik der Märkte sowie der Komplexität vieler Aufgaben bleibe immer weniger Zeit für die Entscheidungsfindung durch den Vorstand allein", sagt der ehemalige Promotionsstudent. Um in global und oftmals dezentral organisierten Unternehmen Vertrauen zu schaffen, seien immer wieder physische Nähe und der direkte Kontakt zum Menschen erforderlich. Auch deshalb verbringen die Vorstände so viel Zeit mit Meetings, Besuchen und Dienstreisen.
Emilio Matthaei hat seine Doktorarbeit an der Handelshochschule Leipzig, einer betriebswirtschaftlichen Hochschule, geschrieben. Seine Arbeit, "The Nature of Executive Work", ist im Gabler Verlag erschienen.