Die wöchentliche CIO-Kolumne

Blick voraus von oben

19.08.2002
Die Hochwasserkatastrophe zeigt nicht nur, dass in der Raum- und Umweltplanung vieles schief gelaufen ist. Abgesoffene Rechenzentren und Netzausfälle dürften auch in IT- und Telekommunikationsverantwortlichen Grund zum Nachdenken geben. Aber Lösungen - wen wundert's - kosten Geld.

Das Hochwasser bewegt sich unaufhaltsam gen Westen. IT und Telekommunikation reagieren mit Ausfällen. Eigentlich sollten Handys und Internet gerade bei Katastrophen dazu dienen, schnell und problemlos Hilfe zu rufen und zu koordinieren. Doch momentan funktionieren in Dresden rund 15 000 Telefonanschlüsse nicht: Vermittlungsstellen sind voll Wasser gelaufen oder können wegen Stromausfällen nicht arbeiten. Letzte Woche hatte die Elbflut rund 100 000 Festnetzanschlüsse rund um Dresden und Chemnitz vom Netz gespült, darunter auch die Notrufnummern 110 und 112.

Wenn Funkvermittlungsstellen ausfallen, brechen auch Mobilfunknetze und Internetanschlüsse zusammen. Denn in den Vermittlungsstellen werden auch ihre Daten vermittelt. Und falls die Netze schon nicht in Folge der Elbflut gestört sind, dann brechen sie spätestens unter der Überlast der Not-Anrufe zusammen. Deshalb ruft Dresden ihre Bürger auf, weniger zu telefonieren: "Bitte Mobilfunkgespräche einschränken! Die Rettungskräfte brauchen die Leitungen!", steht auf der Website der Stadt Dresden .

Im Österreischen Saalfelden bringen Bürger wenig Verständnis für geflutete Räume auf. "Wenn man weiß, dass der halbe Ort in der roten Zone steht, warum hat man dann die Telefontechnik und alle Server in den Keller montiert?", zitiert der Österreichische Rundfunk (ORF) einen aufgebrachten Saalfeldener Bürger. Diese Frage werden sich inzwischen vermutlich auch die Mitarbeiter des Anonymisier-Dienstes JAP (Java Anon Proxy) schon gestellt haben, der im Untergeschoss der TU Dresden momentan wohl weniger residiert: Wasser im Keller, Strom weg, Server aus.

Dagegen sitzt Chiphersteller AMD weiter buchstäblich auf dem trockenen, weil sich schon vor dem Bau weitreichende Gedanken gemacht wurden: Das Werk liegt weit über dem Elbtal und betreibt ein eigenes Kraftwerk zur Stromversorgung. Nur die Trinkwasserversorgung und die Evakuierung von Mitarbeitern machen den Chip-Bauern noch Sorgen.

Daten- und Informationstechnik funktionieren folglich, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Doch daran muss vor einer Katastrophe gedacht werden. IT nützt nichts, wenn sie im Krisenfall mit untergeht. Dabei lassen sich gerade mit IT-Hilfe Risikopotenziale beizeiten identifizieren.

Im Dezember 2001 stellte das Fraunhofer-Institut für Geographische Systeme mit anderen Fraunhofer-Gesellschaften die Studie "Marktanalyse Katastrophen- und Notfallmanagementsysteme" vor. Eine entscheidende Rolle kommt danach geografischen Informationssystemen (GIS) zu, die raumbezogene Daten grafisch aufbereiten. Anhand dieser Darstellungen lässt sich beispielsweise simulieren, wie sich Hochwasser an einem bestimmten Ort auswirken wird. Krankenhaus- und Rechenzentrumsplaner erkennen so, wo flutsicher gebaut werden muss.

GI-Systeme leben allerdings von ihrer Datenbasis. Informationen über Niederschläge, Topographie und Bodenqualität müssen einfließen, meteorologische und hydrologische Modelle miteinander verbunden, Fließgeschwindigkeiten und Kapazitäten von Wasserläufen gemessen werden. In einem 1-Millionen-Euro-Projekt arbeiten zurzeit das Bundesforschungsministerium, das Fraunhofer-Institut und das Land Norwegen daran, Messpunkte zur Erhebung dieser Daten zu planen.

Bleibt die Frage, wer das bezahlen soll. Aber unter dem Druck des Wassers werden ja ohnehin nicht nur IT-Budgets nochmal genau unter die Lupe genommen werden müssen.