Die Flatrate frisst ihre Kinder. Sachlicher ausgedrückt: Der Erfolg mobiler Internetanwendungen bringt die Infrastruktur immer häufiger an ihre Belastungsgrenze. Das erklärt Roman Friedrich, Partner und Telekommunikations-Experte bei Booz & Company, München.
Ohne massive zusätzliche Investitionen sei das Limit der bestehenden Netze in Westeuropa in zwei Jahren erreicht, sagt Friedrich. "Um das allein in Deutschland anstehende Investitionsvolumen von über 30 Milliarden Euro für den Ausbau der LTE- und Glasfasernetze aus dem Cashflow finanzieren zu können, muss es den Netzbetreibern schnellstmöglich gelingen, den zunehmenden Traffic in entsprechende Umsätze zu konvertieren", führt er aus.
Alternative: Differenzierte Preismodelle
Friedrich nennt die Erfindung der Datenflatrate einen "historischen Fehler" der Netzbetreiber. Der Consultant hat ausgerechnet, dass lediglich fünf Prozent der Datennutzer 75 Prozent des Datenvolumens eines Anbieters erzeugen. Die "Flatrate-Dominanz", so der Analyst, müsse differenzierten Preis- und Quality-of-Service-Modellen weichen.
Konkret: Wer ein schnelles und sicheres Netz will oder bei Engpässen bevorzugt behandelt werden möchte, soll dafür auch bezahlen. "Nur so können die Telkos wieder substanzielles Wachstum aus dem exponentiell wachsenden Datenaufkommen generieren und ihre Investitionen in die dafür notwendige Infrastruktur refinanzieren", sagt Friedrich.
Ein Blick in Richtung USA zeige, dass Unternehmen wie Verizon und AT&T das bereits praktizierten. In Europa bietet beispielsweise die Swisscom fünf verschiedene Preis-Modelle an. Sie reichen von 59 Schweizer Franken pro Monat bis 169 Schweizer Franken.
Deutschen Anbietern rechnet der Booz-Analyst aufgrund des Smartphone- und Tablet-Booms Chancen für neue Geschäftsfelder und Umsatzmöglichkeiten aus. Friedrich nennt im Privatkundenbereich Dienstleistungen rund um E-Health und E-Learning, im Bereich Business beispielsweise Smart Grid und Machine-to-Machine-Lösungen.
Im Jahr 2015, so Booz, werden 91 Prozent der Deutschen Smartphones nutzen. Mittelfristig verstärke auch die LTE-Technologie den Mobile-Data-Boom. Für einen schnelleren LTE-Durchbruch fehle "eine größere Palette entsprechender Endgeräte", sagt Friedrich.
Umsätze mit mobiler Sprachtelefonie sinken
Eine weitere These des Analysten lautet, Sprachtelefonie sei ein Auslaufmodell. Demnach sinken die Umsätze in der mobilen Sprachtelefonie weltweit von 663 Milliarden US-Dollar (erwartetes Volumen für 2012) auf 628 Milliarden im Jahr 2016. In der Bundesrepublik gehen die Erlöse von 15 Milliarden Euro auf voraussichtlich zwölf Milliarden zurück.
Weil die Übertragungsraten im Feld mobiler Daten zugleich so stark wachsen, sendet Friedrich den Schlachtruf aus: "Sprache ist tot - es leben die Daten". Er umschreibt damit die weltweite Entwicklung von einer sprachzentrierten zu einer datenzentrierten Welt. "So wächst das Datenvolumen via Mobilfunk und Festnetz pro Jahr im Schnitt um 29 Prozent", erklärt der Analyst.
Friedrich hat sich die Anbieterlandschaft von Netzwerk-Ausrüstern angesehen. Er sieht Cisco, Ericsson und Huawei vorn, spricht aber ALU, NSN und ZTE prinzipiell Entwicklungschancen zu - wenn es den kleineren Anbietern gelingt, sich durch Innovationen zu profilieren.
Stichwort Huawei: In der Sparte Smartphones hat der chinesische Anbieter im vergangenen Jahr stark zulegen können - der Absatz ging um 90 Prozent nach oben. Dies allerdings vor dem Hintergrund niedriger Gesamtzahlen, so dass Huaweis Marktanteil Ende 2012 noch nicht einmal fünf Prozent erreicht.
Samsung und Apple führen, Huawei entwickelt sich
Führend ist in diesem Segment Samsung mit 29 Prozent Marktanteil. Apple kommt Ende 2012 auf knapp 22 Prozent. Booz-Analyst Friedrich betont jedoch, dass Huawei insbesondere in den aufsteigenden Märkten Land gewinnt.