Die Rolle des CIO sei obsolet, wettete vor rund eineinhalb Jahren Peter Lempp aus der Geschäftsleitung von Capgemini. Netzwerk-Spezialist Brocade erklärt, der "Dino-CIO", der den Mainframe immer noch selbst programmieren kann, sterbe wohl aus - als strategischer Berater sei der CIO künftig jedoch gefragt. In dieses Horn stoßen auch die Analysten von Booz mit ihrem Papier "The death of traditional IT and the rise of the new partnership model".
Auch Booz bestätigt die These vom wachsenden Einfluss der Fachabteilungen. Diese entschieden zunehmend selbst, welche Anwendungen und Services sie brauchen und mit welchen Dienstleistern sie zusammenarbeiten.
Dennoch: Nach wie vor wird jedes Unternehmen eine Corporate IT haben müssen. Aufgaben des CIO werden folgende sein:
das Entwickeln und Vorgeben von unternehmensweiten IT-Richtlinien,
Beschaffen und Bereitstellen aller Back-Office-Lösungen,
Integrieren und Testen der Services, die die Fachabteilungen von extern anfordern,
der Aufbau von Architekturen, Betriebsmodellen und Governance-Vorgaben, die das Unternehmen für die Entwicklung neuer Technologien und Geschäftsmodelle braucht.
Dabei verwenden die Analysten den Begriff "Architekt" mehrfach. Sie entwerfen Funktionen wie Business-Architekt, Lösungs-Architekt und Daten-Architekt. Solche Aufgaben müssten intern erledigt werden, während das Management von Anwendungen und Infrastruktur sowie die Administration von Netzwerk und Systemen nach draußen gegeben werden.
Für die Veränderungen in der Rolle der IT nennen die Analysten vier Auslöser. Diese haben im Großen und Ganzen mit Digitalisierung zu tun. Im Einzelnen spricht Booz von diesen Trends:
1. Information ist wichtiger als Abläufe: In jüngerer Vergangenheit war es noch vor allem um das Standardisieren von Prozessen und Abläufen gegangen. Unternehmen versprachen sich Wettbewerbsvorteile, wenn sie in diesen Punkten die Nase vorn hatten. Ab jetzt geht es immer mehr darum, die Mengen an Daten schnell und intelligent analysieren und nutzen zu können.
2. Front Office statt Back Office: Ein tüchtiges Back Office ist immer gut, Innovationen werden dort aber nicht entwickelt. Diese entstehen vor allem aus der Zusammenarbeit mit Partnern und Verbrauchern, wie Booz schreibt. Das setzt voraus, diese Partner und Verbraucher zu kennen und sich an ihren Bedürfnissen zu orientieren.
3. Technology-as-a-Service: Cloud Computing und Virtualisierung haben dazu geführt, dass Fachabteilungen zunehmend selbst über ihre IT-Bedürfnisse entscheiden. Dieser Entwicklung wird sich weiter fortsetzen.
Das Tempo steigt
4. Schneller am Markt sein: In wirtschaftlich unsicheren Zeiten gewinnen die Unternehmen, die am schnellsten neue Kundenwünsche erkennen und umsetzen. Damit brauchen auch die jeweiligen Fachabteilungen immer schneller spezifische Anwendungen und Services.
Fazit: In der Überschrift ihres Papiers rufen die Analysten zwar dramatisch den Tod der traditionellen IT aus ("The death of traditional IT…"), letztlich aber beschreiben auch sie eine Änderung der Rolle des CIO. Das Ende der Corporate IT beschwören sie dabei nicht.
Kenntnisstand der Fachabteilungen überprüfen
Die Analysten gehen nicht davon aus, dass alle Entscheider in den Fachabteilungen bereits die nötigen IT-Kenntnisse aufweisen. Unternehmen müssten zunächst einmal prüfen, wo die Fachabteilungen derzeit stehen und inwieweit sie eigenständig über die IT verfügen können.