manager-magazin.de: Sie arbeiten seit 1979 bei Bosch, sind Jurist, Arbeitsdirektor und verantwortlich für den Bereich Verpackungstechnik. Wie ist Ihre Karriere bei Bosch verlaufen?
Malchow: Ich habe ganz unterschiedliche Stationen durchlaufen. Ich war im Automobilbereich tätig, in der Werkleitung, als kaufmännischer Geschäftsleiter in der Landesgesellschaft in Frankreich und im Bereich Elektrowerkzeuge sowie als Präsident des Bereiches Car Multimedia. Am Ende habe ich festgestellt: Der Erfolg in all diesen Bereichen hängt entscheidend davon ab, ob es gelingt, eine hoch qualifizierte und motivierte Mannschaft um sich zu scharen.
Mit dieser Einsicht allein wird man nicht Mitglied der Geschäftsführung.
Malchow: Meine Liebe und das Engagement für dieses Thema sind von anderen bemerkt worden. Da hat man sich wohl gedacht: Das ist der richtige Mann, der die Funktion Arbeitsdirektor übernehmen kann.
Wer genau hat das gemerkt?
Malchow: Der Aufsichtsrat, der hat mich gewählt.
Wer hat Sie denn konkret gefördert?
Malchow: Ich war lange Zeit im Personalwesen tätig und hatte dann ein Gespräch mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden, Herrn Scholl. Der hat mich gefragt: "Herr Malchow, haben Sie nicht Interesse, mal etwas ganz anderes zu machen?" Ich habe geantwortet: "Gerne, wie können wir das in die Wege leiten?" Darauf hat er geantwortet: "Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Sie kaufmännischer Bereichsgeschäftsführer werden." Das war für mich damals aber noch weit weg.
Was mussten Sie tun, um Ihr Ziel zu erreichen?
Malchow: Herr Scholl hat gesagt: "Da müssen Sie als Erstes in der Werkleitung gewesen sein, dann sollten Sie im Ausland in der Geschäftsleitung gewesen sein." Dann könne man sich vorstellen, dass ich einen solchen Posten übernehme. Und genau das ist nach mehreren Jahren passiert.
Findet eine solche Karriereförderung wie bei Ihnen bei Bosch auch heute noch statt?
Malchow: Ja, in den meisten Fällen. Wir haben ein Instrument, das wir Mitarbeiter-Entwicklungsdurchsprache nennen, wo Personalbereich und die jeweiligen Vorgesetzten ganz systematisch über begabte Leute sprechen. Das geht bis zur Geschäftsführung hinauf. Dort wird namentlich über alle wichtigen Leute geredet, die wir fördern wollen und darüber, wie wir das machen.
Wie oft finden solche Gespräche statt?
Malchow: Bei jeder Geschäftsführungssitzung wird über den Punkt Personal gesprochen. Da diskutieren wir nicht nur über Strategien, sondern auch über Maßnahmen und Personen. Da wird konkret besprochen, welche Personen wir wie fördern können.
Nach welchen Kriterien wählen Sie potenzielle Führungskräfte aus?
Malchow: Wir haben feste Kriterien, die angehende Führungskräfte erfüllen müssen. Dazu gehört unter anderem der Auslandsaufenthalt, die Arbeit in einer anderen Funktion als in der Heimdisziplin, die Arbeit in unterschiedlichen Unternehmensbereichen und Projekt- und Führungserfahrung. Wenn wir bei der Geschäftsführungssitzung über Personalien sprechen, dann reden wir konkret darüber, wer welche Stelle besetzen könnte. Zu jedem Kandidaten, über den gesprochen wird, gibt es neben dem Namen Kästchen, wo dokumentiert ist, ob die Kriterien erfüllt werden oder nicht. Dann geht es schon darum, dass das Kreuz an der richtigen Stelle ist.
Werden angehende Topmanager bei Bosch eher im fachlichen Bereich gefördert oder mehr in der Breite?
Malchow: Wir erwarten von unseren Topmanagern Erfahrung und ein breites Wissen. Bei Bosch gibt es zahlreiche selbstständige Produktbereiche, die geführt werden müssen. Dafür brauchen wir Manager, die einen Bereich vollständig unternehmerisch abdecken können, also Leute, die schon verschiedene Funktionen und verschiedene Geschäfte kennengelernt haben. Außerdem akquirieren wir ständig neue Unternehmen. Dafür brauchen wir Leute, die in der Lage sind, sich sehr schnell und sehr sensibel in ein neues Geschäft einzuarbeiten. Deswegen verlangen wir diese Breite von unseren Managern.
Macht sich der Krieg um die besten Köpfe auch bei Bosch bemerkbar?
Malchow: Auch wir merken, dass der Arbeitskräftemarkt enger wird. Deswegen reagieren wir auf die veränderte Situation.
Wie genau?
Malchow: Im Zuge der Umstellung an den Hochschulen auf Bachelor- und Master-Studiengänge haben wir zum Beispiel ein individuell auf Bachelor-Absolventen zugeschnittenes PreMaster Programm aufgelegt. Wenn jemand seinen Bachelor-Abschluss hat, kann er bis zu einem Jahr bei Bosch wichtige Praxiserfahrung sammeln.
Dort übernimmt die oder derjenige Tages- und Projektaufgaben und besucht parallel dazu Fachseminare. Außerdem gibt es einen Mentor, der die persönliche Entwicklung unterstützt. Anschließend gehen die Teilnehmer ins Master-Studium. Während diesem halten sie aber Kontakt zum Unternehmen und können weiter dort arbeiten. Sie haben die Möglichkeit, ihre Abschlussarbeit hier zu schreiben und, falls gewollt, ihre Promotion anzuschließen.
Wieso glauben Sie, dass ein solches Programm bei High Potentials ankommt?
Malchow: Wir haben das durch eine Untersuchung unter Studenten getestet und sehr positive Rückmeldungen bekommen. Ergebnis einer Marktforschungsstudie war, dass sich Bachelor-Studenten mehr Praxis wünschen. Das Programm schnürt Erst- und Aufbaustudium sowie praktische Berufserfahrung zu einem attraktiven Bildungspaket zusammen. Wir sind nun das erste deutsche Industrieunternehmen, das Theorie und Praxis in dieser Form verbindet, und ich verspreche mir einiges davon.
Haben Sie in diesem Zusammenhang auch gefragt, was sich die Studenten am meisten wünschen?
Malchow: Interessanterweise stand an erster Stelle nicht die Vergütung von immerhin 1900 Euro im Monat. An erster Stelle stand die persönliche Betreuung durch einen Mentor. Die Studenten haben sich eine Person gewünscht, die sie in dieser Zeit individuell berät und fördert. Und das haben wir berücksichtigt.
Können Sie denn auf all die Mitarbeiter verzichten, die dann Mentor sind?
Malchow: Der Mentor ist ja nicht freigestellt für diese Zeit. Das sind zum Beispiel Führungskräfte in einer Entwicklungsabteilung. Die Kollegen machen dies parallel zu ihrer normalen Tätigkeit.
Machen die Führungskräfte das gerne? Die ziehen sich dann die Konkurrenz im eigenen Haus heran.
Malchow: Hier geht es nicht um Konkurrenz, es geht um Nachwuchsgewinnung. Unsere Philosophie ist: Das Kümmern um den Nachwuchs und die Entwicklung talentierter Mitarbeiter ist eine der Kernaufgaben der Vorgesetzten. Es ist ein wesentlicher Bestandteil des Jobs.
Und da hat keiner Angst, dass er von einem Jüngeren aus der Position verdrängt wird?
Malchow: Nein, das Problem haben wir nicht. Wir wachsen sehr stark. Deswegen haben talentierte Leute mit Potenzial bei uns große Chancen, weiterzukommen. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren 80.000 Mitarbeiter zusätzlich aufgebaut, davon allein in Deutschland 20.000. Für jeden, der gut ist, gibt es bei Bosch eine Möglichkeit, Karriere zu machen.
Wie viele Absolventen haben die Möglichkeit, am PreMaster Programm teilzunehmen?
Malchow: Wir fangen zunächst mit 50 besonders hoch qualifizierten Personen an und warten, welchen Erfolg wir haben. Für uns ist das erstmal ein Test, mit dem wir in den Markt gehen. Wenn die Resonanz gut ist, werden wir die Zahl aufstocken. Wir haben in den vergangenen Jahren zwischen 1500 und 2000 Hochschulabsolventen eingestellt. Sie sehen: Wir brauchen Leute mit Bachelor- und Master-Abschluss.
Welche Bedingungen müssen Absolventen erfüllen, um am PreMaster Programm teilzunehmen?
Malchow: Interessenten brauchen einen überdurchschnittlichen Abschluss, Zielstrebigkeit, Innovationsstärke, Teamgeist und sollten durch sonstige Aktivitäten während des Bachelor-Studiums gezeigt haben, dass sie sich von der Masse abheben. Das können Sprachkenntnisse, Auslandssemester oder andere Aktivitäten sein, die dokumentieren, dass der Bewerber Initiative und Kreativität an den Tag legt. Bewerben kann man sich ab sofort auf www.bosch-career.de.
Gibt es ein Höchstalter?
Malchow: Nein, wir haben keine Altersgrenze, und es gibt auch keine Quotierung in Frauen und Männer. Aber ich würde mir wünschen, dass wir insbesondere auf der technischen Seite viele Studentinnen gewinnen können. Wir möchten explizit mehr Frauen für die Ingenieursberufe begeistern.
An welche Fachrichtungen wendet sich Ihr Pogramm?
Malchow: Wir wenden uns an Ingenieure, Naturwissenschaftler und Informatiker einerseits. Und auf der wirtschaftswissenschaftlichen Seite suchen wir im Moment Absolventen mit dem Schwerpunkt Marketing.
Bosch meldet 3300 Patente im Jahr an. Haben die PreMaster-Teilnehmer die Freiheit zu forschen?
Malchow: Sicher, abhängig von dem Bereich, in dem sie nach dem Studienabschluss eingesetzt werden. Bei Bosch haben auch schon Auszubildende Erfindungen zum Patent angemeldet. Den Weg von der Idee bis hin zum patentierten Produkt nennen wir bei Bosch Innovationsprozess. Ganz am Anfang werden Strategien abgeleitet, in welchen Bereichen Innovationen erreicht werden sollen. In der darauf folgenden Ideenfindungsphase wird mit Brainstorming und anderen Methoden gearbeitet. Da wird sehr frei überlegt, was es für neue Trends und Themen gibt. Dieser Prozess wird immer konkreter, bis am Ende ein Produkt entsteht.
Wie frei sind die Entwickler in diesem Prozess?
Malchow: Insbesondere in der Ideenfindungsphase sind nahezu keine Grenzen gesetzt. In bestimmten Abteilungen haben die Entwickler dann ein freies Budget an Zeit und Geld, die Idee umzusetzen. Dort gibt es die Vorgabe, erst nach einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten über Ergebnisse zu berichten.
Wie viel Geld stecken Sie in die Forschung?
Malchow: Wir geben im Bereich Forschung und Entwicklung viel Geld aus. 3,6 Milliarden Euro, das sind 7,7 Prozent vom Umsatz. Unser Forschungsbereich ist die Grundlage unseres Erfolgs.