Arbeitsplatz der Zukunft

Bosch-Mitarbeiter arbeiten kollaborativ

10.08.2015 von Peter Ilg
Wenn Mitarbeiter vernetzt sind, hat jeder die Chance, seinen Beitrag zum Gelingen eines Projektes beizutragen. Kollaboratives Arbeiten, also die Zusammenarbeit über Distanzen, setzt Technik voraus. Nur wenn die akzeptiert wird, machen viele mit. Was auch der Sinn des Teilens von Wissen ist. Bosch wagt das Experiment mit seinem Projekt Next Generation Workplace.
  • Das Projekt "Next Generation Workplace" soll die Kommunikation zwischen Bosch-Mitarbeitern vereinfachen
  • Auch mittelständische Unternehmen sollten kollaboratives Arbeiten in Betracht ziehen

Bosch stattet seine weltweit rund 240.000 Bildschirmarbeitsplätze mit neuen Büroanwendungen aus. "Wir sind ein globales Unternehmen und wollen unsere Mitarbeiter weltweit vernetzen, um über Grenzen hinweg eine noch bessere Zusammenarbeit zu erreichen", sagt Volker Deutschmann. Der Ingenieur der technischen Informatik ist der technische Projektleiter von "Next Generation Workplace".

Durch einheitliche und nutzerfreundliche Software baut das Stuttgarter Technologie- und Dienstleistungsunternehmen seine agile Arbeitsorganisation aus. Angelehnt an die gewohnte Social-Media-Nutzung der Mitarbeiter im privaten Umfeld kommen neue Kommunikations-Tools wie Videotelefonie oder Online-Chats am Arbeitsplatz zum Einsatz. Diese werden mit verschiedenen Endgeräten wie Notebooks oder Smartphones im Büro, von unterwegs oder von zu Hause aus nutzbar sein. Bis zum Jahresende 2015 verfügen etwa 100.000 Arbeitsplätze über die neue Software. 2016 werden die anderen folgen. Es sind vor allem Büroarbeitsplätze, aber auch Bildschirmarbeitsplätze in der Fertigung. In dieses Projekt Next Generation Workplace investiert das Unternehmen immerhin rund 800 Millionen Euro.

Auch das soll künftig selbstverständlich werden: der weltweite Austausch mit den Kollegen via Videokonferenz.
Foto: Bosch

Es soll künftig weniger E-Mails geben

Bosch-Mitarbeiter sollen von jedem Standort der Welt aus einfach zusammenarbeiten können - innerhalb und außerhalb des Büros - so das große Versprechen. Basis dafür ist eine nahtlos integrierte Umgebung. Die Mitarbeiter können künftig mit Notebooks oder Smartphones Telefonate, Videokonferenzen und Online-Chats aus einem Programm heraus starten. Auch Dokumente sollen sich dann mit wenigen Mausklicks anlegen, gemeinsam bearbeiten und verwalten lassen. In Kombination mit der bestehenden Social-Business-Plattform Bosch Connected erwartet das Unternehmen einen weiteren Rückgang des E-Mail-Aufkommens und eine einfachere Kommunikation zwischen den Mitarbeitern.

Die Geschichte von Bosch - Von der Zündkerze ins Internet der Dinge
Der Gründer
Die Anfänge von Bosch sind stark vom Firmengründer Robert Bosch geprägt: "Immer habe ich nach dem Grundsatz gehandelt: Lieber Geld verlieren als Vertrauen. Die Unantastbarkeit meiner Versprechungen, der Glaube an den Wert meiner Ware und an mein Wort standen mir stets höher als ein vorübergehender Gewinn." Er führt die 8-Stunden-Woche ein, ist aber auch für Sparsamkeit berüchtigt: "Der Vadder kommt, löschet die onötige Lichter aus!" warnen sich die Mitarbeiter, wenn der Firmengründer einen Kontrollgang macht.
Mit einem Magnetzünder fängt alles an
Der erste Niederspannung-Magnetzünder wird von Bosch 1887 für einen stationären Benzinmotor gebaut. Für ein Kraftfahrzeug sind diese Zünder noch viel zu groß.
Die Diversifikation beginnt
Die Weltwirtschaftskrise ist ein Anlass für die Diversifikation: 1926 kommen auch Scheinwerfer zum Produktportfolio, ein Jahr später Diesel-Einspritzpumpen, Gasgeräte von Junkers und die erste Bohrmaschine.
Der Durchbruch in den 30ern: Zündkerze...
Die Zündkerze - hier ein berühmtes Werbeplakat von 1930 - bringt Bosch den Durchbruch und macht das Unternehmen zum international agierenden Großkonzern. Bis zum ersten Weltkrieg hat Bosch kaum Konkurrenten.
... und Kühlschrank
Der erste Bosch-Kühlschrank ist kreisrund: Die Trommelform hat im Erscheinungsjahr 1933 Kostengründe, setzt sich aber nicht durch.
Die Waschmaschine
Ab 1958 hat Bosch seine erste Waschmaschine im Programm, die das Unternehmen bald zum ersten Waschvollautomaten weiter entwickelt.
ABS
Ein Patent auf ein Antiblockiersystem hatte Bosch schon 1936 eingereicht, erst 1978 ist es aber marktreif und wird in die ersten Autos eingebaut. 1995 kommt ESP auf den Markt, das nicht zuletzt dank dem berühmten "Elchtest" erfolgreich ist.
#Fail
Nobody is perfect: Eine der größten Rückrufaktionen betrifft die Hausgeräte von Bosch: Wegen Brandgefahr muss das Unternehmen 5 Millionen Geschirrspülmaschinen zurückrufen, die zwischen 1999 und 2005 hergestellt wurden.
Das vernetzte Heim
Auch bei seinen Haushaltsgeräten setzt Bosch stark auf Vernetzung und Sensortechnik: Die Backöfen und Geschirrspüler der neuen Serie 8 sind per WLAN verbunden und per iOS-App steuerbar. Per App kann man einen Backvorgang starten oder erhält per Push-Nachricht Infos über den Füllstand des Geschirrspülers. Ein Kühlschrank mit integrierter Kamera soll bald erscheinen.
Ab ins Auto
Von Bosch stammt auch das neue Kombiinstrument des neuen Hybridsportwagens i8 von BMW. Verschiedene Modi stehen zur Wahl, der Modus "Eco Pro" zeigt Übergänge zwischen E- und Benzin-Betrieb besonders detailliert an. Der Raum zwischen den Hauptinstrumenten wird flexibel für Navigations-, Radio- und Telefoninformationen genutzt.
Parklückenvermessung
Zu den vielen Fahrassistenzsystemen von Bosch gehört unter anderem die Parklückenvermessung. Ein Sensorsystem im Citroen C4 Picasso teilt dem Fahrer mit, ob eine Parklücke groß genug für sein Auto ist.
Es geht ins IoT
Bei dem IoT-Projekt "Track and Trace", auch "Vernetzte Werkzeuge in der Fertigung" genannt, testet Bosch vernetzte Industriewerkzeuge. Dank Ortung ist dann beispielsweise der Standort eines Werkzeuges immer bekannt.
Neue Kooperationen
Bosch SI arbeitet unter anderem mit MongoDB eng zusammen. Zu den Kooperationspartnern gehören Tech Mahindra und Cisco.
Übernahme von Prosyst
Die deutsche Bosch hat nie vor Firmenübernahmen zurückgescheut, Mitte Februar 2015 übernimmt Bosch die IoT-Softwarefirma ProSyst. Das auf Gateway-Software und Middleware spezialisierte Unternehmen setzt auf die OSGi-Technologie und beschäftigt rund hundert Mitarbeiter in Deutschland, Sofia und Bulgarien. Kunden sind unter andere BMW, Schneider, EnBW und viele mehr. Ergänzen soll die Software von Pro-syst die so genannte "Bosch IoT Suite", eine Eigenentwicklung der Bosch-Tochter Software Innovations.
Bosch Rexroth
Open Core Engineering von Bosch Rexroth soll eine Brücke zwischen Automatisierung von Maschinen und der IT-Welt schlagen. Ein direkter Zugriff auf den Steuerungskern ist dabei möglich.
2010: Neues Werk in Reutlingen
In der 2010 eingeweihten WaferFab in Reutlingen baut Bosch ASICs, analoge ICS, Hochleistungsbauelemente und MEMS. Fabless Production ist zwar in Mode, Bosch hat aber andere Kunden als Nvidia und Co.
Embedded-Entwicklung
Etas ist ein Embedded-Entwickler mit 700 Mitarbeitern und 135 Millionen Euro Umsatz (2008), der zu hundert Prozent der Muttergesellschaft Bosch gehört.

Wesentliche Teile des neuen Softwarepakets sind die Büro-Software Office 2013, Sharepoint, die Kommunikationssoftware Skype für Business und die Notizerfassungssoftware OneNote. Diese Software nutzt den Computer als eine Art Notizbuch und ermöglicht das einfache Erfassen und Verwalten von Informationen.

Weit verbreitet sind solche Lösungen bislang nicht - oder sie werden nicht genutzt, wie eine aktuelle Studie zum Thema Wissens-Management (siehe Kasten) zeigt. Sie besagt nämlich, dass nur jeder fünfte Beschäftigte in Deutschland Collaboration Tools nutzt, um sich mit Kollegen auszutauschen. Von den etwa 360.000 Bosch-Mitarbeitern werden Ende nächsten Jahres zwei Drittel mit kollaborativer Software ausgestattet sein. Maßgeblich für den Projekterfolg ist nach Angaben von Stefan Asenkerschbaumer, stellvertretender Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung und verantwortlich für die Informationsverarbeitung, die Akzeptanz der neuen IT-Lösungen und der zusätzlichen Kommunikationsmöglichkeiten. "Deshalb haben wir unsere Mitarbeiter sehr früh eingebunden und ermittelt, welche Anforderungen, Erwartungen und Wünsche sie an ihren Computer-Arbeitsplatz der Zukunft haben."

"Die Arbeit macht jetzt mehr Spaß"

Ee Von Lim vom Bosch-Standort Singapur sagt: "Ich bin es gewohnt, privat mit Freunden und der Familie zu chatten und über unterschiedliche soziale Medien zu kommunizieren. Genauso intuitiv kann ich jetzt auch mit Kollegen in aller Welt zusammenarbeiten. Ich bin produktiver und die Arbeit macht mehr Spaß."

Die Accounting-Managerin hat mehrere Wochen als Pilotanwenderin an dem Projekt teilgenommen. Die Bosch-Verantwortlichen sind davon überzeugt, dass die neuen mobilen Arbeitsplätze die Zusammenarbeit der Belegschaft stärken werden, und die neue IT-Infrastruktur soll wesentlich zur Agilität des Unternehmens beitragen.

2013 hat Bosch das Projekt gestartet, "und nicht die Technik, sondern den Anwender in den Mittelpunkt aller Überlegungen gestellt", wie Deutschmann sagt.

Volker Deutschmann, Bosch: „Wir haben 2013 unser kollaboratives Projekt gestartet und haben von Anfang an den Anwender in den Mittelpunkt all unserer Überlegungen gestellt.“
Foto: Bosch

In einer Trendanalyse hat das Projekt-Team zunächst Benutzer- und Zielgruppe identifiziert und dann die Frage geklärt: Welches sind die Anforderungen an den Arbeitsplatz der Zukunft? Es wurden Mitarbeiter befragt, Ergebnisse konsolidiert, Workshops organisiert. Daraus wurde eine Lösung konstruiert, an vier Standorten eine Testumgebung installiert und Mitarbeiter eingeladen, diese auszuprobieren. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde diese Lösung optimiert und am 6. Juli diesen Jahres damit begonnen, die ersten Next Generation Workplaces aufzubauen, beginnend in Malaysia und Nordamerika.

"Für die Wahl der Standorte waren verschie­dene Gründe ausschlaggebend, unter anderem ausreichend Netz-Bandbreite", begründet Deutschmann. Vor dem Roll-out hat Bosch Kurse für die Mitarbeiter angeboten, zum Beispiel Webinare, Info-Sessions, Trainings-Videos oder Web-based-Trainings. Einfach nur die Technik zu installieren, wäre vergebene Mühe.

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Stuttgart, war Projektpartner und hat beraten, Ergebnisse ausgewertet und Workshops mit Best-Practice-Beispielen organisiert. Josephine Hofmann leitet im IAO das Competence Center Business Performance Management.

Sie ist zuversichtlich, dass sich trotz noch einer gewissen Zurückhaltung in vielen Unternehmen, diese Form der Arbeit durchsetzen wird - auch bei Kleinen: "Selbst in mittelständischen Unternehmen mit unterschiedlichen Standorten lohnt sich kollaboratives Arbeiten." Nach Hofmanns Meinung seien die Systeme allerdings noch zu komplex. "Deshalb muss man Mitarbeiter intensiv schulen, auch um ­Akzeptanz zu schaffen." Nur dann machen viele mit, was auch der Sinn der Sache ist: Wissen teilen.

Josephine Hofmann, Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation: „Man muss die Mitarbeiter intensiv schulen, denn noch sind viele Systeme sehr komplex.“
Foto: Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation

Nachholbedarf in puncto Wissens-Management

Die Suche nach Informationen kostet Zeit. Dennoch haben sich Wissensdatenbanken bisher nicht flächendeckend durchgesetzt. Nur jeder Vierte greift bei der Recherche darauf zurück. Die meisten suchen Hilfe bei Kollegen (60 Prozent) und im Internet (56 Prozent). Auch bei der Kommunika­tion favorisieren Mitarbeiter das persönliche Gespräch (74 Prozent) dicht gefolgt von der E-Mail (68 Prozent) und - mit deutlichem Abstand - dem Telefon (48 Prozent).

Völlig abgeschlagen sind hingegen Collaboration Tools: nur jeder Fünfte nutzt sie, um sich mit Kollegen auszutauschen. Das sind Ergebnisse der "Wissens-Management Umfrage 2015" der Zeitschrift Wissensmanagement in Zusammenarbeit mit dem Steinbeis-Beratungszentrum Wissens-Management im April 2015. Befragt wurden rund 400 Fach- und Führungskräfte.