Bosch stattet seine weltweit rund 240.000 Bildschirmarbeitsplätze mit neuen Büroanwendungen aus. "Wir sind ein globales Unternehmen und wollen unsere Mitarbeiter weltweit vernetzen, um über Grenzen hinweg eine noch bessere Zusammenarbeit zu erreichen", sagt Volker Deutschmann. Der Ingenieur der technischen Informatik ist der technische Projektleiter von "Next Generation Workplace".
Durch einheitliche und nutzerfreundliche Software baut das Stuttgarter Technologie- und Dienstleistungsunternehmen seine agile Arbeitsorganisation aus. Angelehnt an die gewohnte Social-Media-Nutzung der Mitarbeiter im privaten Umfeld kommen neue Kommunikations-Tools wie Videotelefonie oder Online-Chats am Arbeitsplatz zum Einsatz. Diese werden mit verschiedenen Endgeräten wie Notebooks oder Smartphones im Büro, von unterwegs oder von zu Hause aus nutzbar sein. Bis zum Jahresende 2015 verfügen etwa 100.000 Arbeitsplätze über die neue Software. 2016 werden die anderen folgen. Es sind vor allem Büroarbeitsplätze, aber auch Bildschirmarbeitsplätze in der Fertigung. In dieses Projekt Next Generation Workplace investiert das Unternehmen immerhin rund 800 Millionen Euro.
Es soll künftig weniger E-Mails geben
Bosch-Mitarbeiter sollen von jedem Standort der Welt aus einfach zusammenarbeiten können - innerhalb und außerhalb des Büros - so das große Versprechen. Basis dafür ist eine nahtlos integrierte Umgebung. Die Mitarbeiter können künftig mit Notebooks oder Smartphones Telefonate, Videokonferenzen und Online-Chats aus einem Programm heraus starten. Auch Dokumente sollen sich dann mit wenigen Mausklicks anlegen, gemeinsam bearbeiten und verwalten lassen. In Kombination mit der bestehenden Social-Business-Plattform Bosch Connected erwartet das Unternehmen einen weiteren Rückgang des E-Mail-Aufkommens und eine einfachere Kommunikation zwischen den Mitarbeitern.
Wesentliche Teile des neuen Softwarepakets sind die Büro-Software Office 2013, Sharepoint, die Kommunikationssoftware Skype für Business und die Notizerfassungssoftware OneNote. Diese Software nutzt den Computer als eine Art Notizbuch und ermöglicht das einfache Erfassen und Verwalten von Informationen.
Weit verbreitet sind solche Lösungen bislang nicht - oder sie werden nicht genutzt, wie eine aktuelle Studie zum Thema Wissens-Management (siehe Kasten) zeigt. Sie besagt nämlich, dass nur jeder fünfte Beschäftigte in Deutschland Collaboration Tools nutzt, um sich mit Kollegen auszutauschen. Von den etwa 360.000 Bosch-Mitarbeitern werden Ende nächsten Jahres zwei Drittel mit kollaborativer Software ausgestattet sein. Maßgeblich für den Projekterfolg ist nach Angaben von Stefan Asenkerschbaumer, stellvertretender Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung und verantwortlich für die Informationsverarbeitung, die Akzeptanz der neuen IT-Lösungen und der zusätzlichen Kommunikationsmöglichkeiten. "Deshalb haben wir unsere Mitarbeiter sehr früh eingebunden und ermittelt, welche Anforderungen, Erwartungen und Wünsche sie an ihren Computer-Arbeitsplatz der Zukunft haben."
"Die Arbeit macht jetzt mehr Spaß"
Ee Von Lim vom Bosch-Standort Singapur sagt: "Ich bin es gewohnt, privat mit Freunden und der Familie zu chatten und über unterschiedliche soziale Medien zu kommunizieren. Genauso intuitiv kann ich jetzt auch mit Kollegen in aller Welt zusammenarbeiten. Ich bin produktiver und die Arbeit macht mehr Spaß."
Die Accounting-Managerin hat mehrere Wochen als Pilotanwenderin an dem Projekt teilgenommen. Die Bosch-Verantwortlichen sind davon überzeugt, dass die neuen mobilen Arbeitsplätze die Zusammenarbeit der Belegschaft stärken werden, und die neue IT-Infrastruktur soll wesentlich zur Agilität des Unternehmens beitragen.
2013 hat Bosch das Projekt gestartet, "und nicht die Technik, sondern den Anwender in den Mittelpunkt aller Überlegungen gestellt", wie Deutschmann sagt.
In einer Trendanalyse hat das Projekt-Team zunächst Benutzer- und Zielgruppe identifiziert und dann die Frage geklärt: Welches sind die Anforderungen an den Arbeitsplatz der Zukunft? Es wurden Mitarbeiter befragt, Ergebnisse konsolidiert, Workshops organisiert. Daraus wurde eine Lösung konstruiert, an vier Standorten eine Testumgebung installiert und Mitarbeiter eingeladen, diese auszuprobieren. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde diese Lösung optimiert und am 6. Juli diesen Jahres damit begonnen, die ersten Next Generation Workplaces aufzubauen, beginnend in Malaysia und Nordamerika.
"Für die Wahl der Standorte waren verschiedene Gründe ausschlaggebend, unter anderem ausreichend Netz-Bandbreite", begründet Deutschmann. Vor dem Roll-out hat Bosch Kurse für die Mitarbeiter angeboten, zum Beispiel Webinare, Info-Sessions, Trainings-Videos oder Web-based-Trainings. Einfach nur die Technik zu installieren, wäre vergebene Mühe.
Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Stuttgart, war Projektpartner und hat beraten, Ergebnisse ausgewertet und Workshops mit Best-Practice-Beispielen organisiert. Josephine Hofmann leitet im IAO das Competence Center Business Performance Management.
Sie ist zuversichtlich, dass sich trotz noch einer gewissen Zurückhaltung in vielen Unternehmen, diese Form der Arbeit durchsetzen wird - auch bei Kleinen: "Selbst in mittelständischen Unternehmen mit unterschiedlichen Standorten lohnt sich kollaboratives Arbeiten." Nach Hofmanns Meinung seien die Systeme allerdings noch zu komplex. "Deshalb muss man Mitarbeiter intensiv schulen, auch um Akzeptanz zu schaffen." Nur dann machen viele mit, was auch der Sinn der Sache ist: Wissen teilen.
Nachholbedarf in puncto Wissens-Management
Die Suche nach Informationen kostet Zeit. Dennoch haben sich Wissensdatenbanken bisher nicht flächendeckend durchgesetzt. Nur jeder Vierte greift bei der Recherche darauf zurück. Die meisten suchen Hilfe bei Kollegen (60 Prozent) und im Internet (56 Prozent). Auch bei der Kommunikation favorisieren Mitarbeiter das persönliche Gespräch (74 Prozent) dicht gefolgt von der E-Mail (68 Prozent) und - mit deutlichem Abstand - dem Telefon (48 Prozent).
Völlig abgeschlagen sind hingegen Collaboration Tools: nur jeder Fünfte nutzt sie, um sich mit Kollegen auszutauschen. Das sind Ergebnisse der "Wissens-Management Umfrage 2015" der Zeitschrift Wissensmanagement in Zusammenarbeit mit dem Steinbeis-Beratungszentrum Wissens-Management im April 2015. Befragt wurden rund 400 Fach- und Führungskräfte.