Ultra-Breitband-Technologie

Breitband-Funk steuert Fabriken

02.12.2004 von Johannes Klostermeier
Die Ultra-Wideband-Technik (UWB) ermöglicht die Übertragung großer Datenmengen im Nahbereich, ergänzt Wireless LAN und das Navigationssystem GPS. Firmen wollen zunehmend ganze Produktionsstätten per Funk steuern – ohne K

„WIR ARBEITEN HIER MIT BIS ZU 15 LEUTEN an der Ultra-Breitband-Technik“, sagt Dirk Heberling, Abteilungsleiter Informations- und Kommunikationssysteme bei der Firma IMST im nordrhein-westfälischen Kamp-Lintfort. Sie entwickelt Sender und Empfänger für die Telekommunikationsbranche. Mit der neuen Technologie will der Experte in Zukunft auch extrem verwinkelte Fabrikhallen ausleuchten – ohne den bisher nötigen riesigen Kabelsalat. Er ist sich sicher: „In zwei bis drei Jahren sehen wir die ersten Lösungen.“ Und Christoph Mecklenbräuker, Projektleiter am Forschungszentrum Telekommunikation Wien, meint: „Im industriellen Umfeld kann man Ultra Wideband (UWB) zur Steuerung von Industrierobotern und zur Abfrage von Sensordaten einsetzen.“

Was die Funktechnik-Experten heute in freudige Aufregung versetzt, ist eigentlich eine ganz alte Technologie. Schon seit 30 Jahren gibt es die Idee, ein „Pulsradio“ zu entwickeln. Jeder Puls dauert dabei nicht länger als eine Milliardstelsekunde, wie bei einem ultraschnellen Morse-Code enthält die Abfolge der Pulse die zu übertragende Information. Doch erst seit drei Jahren, seitdem leistungsstarke Minichips immer preiswerter geworden sind, wird verstärkt an der kommerziellen Verwertbarkeit geforscht. Nur die Militärs auf der ganzen Welt nutzen heute schon Ultra- Wideband-Technik, um verdecktes Terrain zu erkunden, Minen zu suchen, als Bewegungsmelder durch Mauern hindurch, für Bodenradar und zur Ortung von Menschen.

Stör- und abhörsichere Technik

Die Vorteile der UWB-Technologie: Sie übermittelt extrem kurze Energie-Impulse in einem sehr breiten Frequenzspektrum, nahe am Rauschen, wobei die dabei verbrauchte Energie extrem gering ist. Die breitbandige Datenübertragung ist stör- und weitgehend abhörsicher, da die kurzen Impulse nur schwierig abzufangen sind. „In Industrieumgebungen können Sie sonst ja noch nicht einmal ein schnurloses Telefon benutzen“, sagt Heberling. Das System bietet zudem die Möglichkeit, selbst in geschlossenen Räumen eine bestimmte Position zu bestimmen. Die Funksignale belegen dabei sehr große Frequenz-Bandbreiten von mindestens 500 Megahertz. Dadurch werden Übertragungsraten von mehr als hundert Megabit pro Sekunde möglich.

Zum Vergleich: Bluetooth schafft nur einen Megabit pro Sekunde. UMTS ermöglicht zwar erheblich mehr als herkömmliche Handy-Netze, doch die theoretisch mögliche Datenübertragungsraten endet bei zwei Megabit pro Sekunde, und auch bei Wireless-LAN liegt der Wert heute lediglich bei 54 Megabit pro Sekunde. Größter Nachteil von UWB: Die Signale können nur über eine Distanz von zehn bis 20 Metern übertragen werden. Doch für die Ansteuerung von Robotern in verwinkelten Fabrikhallen ist die Technik ideal.

Die Funkindustrie will Ultra-Breitband-Geräte bauen, die in drahtlosen Sensornetzwerken im Masseneinsatz helfen sollen, Waldbrände zu verhüten, Feuchte und Druck von Deichen zu kontrollieren sowie Luftund Gewässerqualität zu überwachen. Daimler- Chrysler will die Technik auch für radarähnliche Sicherheitssysteme nutzen. Sie sollen Bremsen und Sicherheitsgurte von Fahrzeugen automatisch aktivieren, wenn eine Kollision bevorsteht.

Frequenzprobleme für UWB

Bevor jedoch UWB alles miteinander vernetzt, was bisher noch an Kabeln hängt, muss die Technik noch einige Hürden nehmen. „UWB hat ein regulatorisches Problem. Solange dies nicht geklärt ist, behindert es auch die Weiterentwicklung der Technik zur Serienreife“, sagt Christian Lührs, Geschäftsführer der Hamburger Stollmann E+V GmbH, die Hard- und Software für Bluetooth, ISDN, DSL und andere Kommunikationstechnologien entwickelt.

Ganz wichtig: UWB darf nicht den Nutzern der bisherigen drahtlosen Techniken in dem genutzten Breitband- Spektrum zwischen einem und mehreren Gigahertz dazwischenfunken. Die Abgesandten von Fluggesellschaften, von Mobilfunkbetreibern und vom Verteidigungsministerium in den USA betonen die möglichen Gefahren durch Interferenzen zwischen Mobilfunk, GPS und Radar. Die US-Aufsichtbehörde für Telekommunikation hat deswegen vorsorglich die kommerzielle Nutzung auf Anwendungen beschränkt, die oberhalb von 3,1 Gigahertz senden.

In Nordamerika und Europa arbeiten Forscher vehement daran, die Technik so weit voranzubringen, dass die US-Ingenieursvereinigung Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) sie zum neuen, mit der Bezeichnung „802.15“ abgekürzten Standard erklärt. Doch genauso wie bei der Vollendung anderer neuer Technologien ist auch hier ein Streit um den richtigen Weg ausgebrochen.

Derzeit kämpfen zwei amerikanische Konsortien um Einfluss und Geld: Auf der einen Seite steht die so genannte Multiband-Allianz, angeführt vom Computer-chip-Hersteller Intel. Zum jetzigen Zeitpunkt ist ungewiss, ob die Multiband OFDM (Orthogonal Frequency Division Multiplexing) Alliance mit ihrem Multi-Band- Ansatz als Sieger hervorgeht. Denn auf der anderen Seite hält die XtremeSpectrum-Gruppe, vor allem vertreten durch den Handyhersteller Motorola, dagegen. Die Firma Xtreme-Spectrum aus Vienna in Virginia, von Motorola aufgekauft, favorisiert den Single-Band- Ansatz. Ihre Lösung namens Direct Sequence Code- Division Multiple Access (DSCDMA) kommt aus der Funktechnik und hätte den Vorteil, das es die passenden Chips dafür bereits in Großserienherstellung gibt.

Beide Techniken basieren jedoch auf der gleichen grundlegenden Basistechnik und weisen letztlich nur wenige Unterschiede aus. Für alle an der neuen Technik interessierten Unternehmen heißt es heute aber noch: Sie müssen abwarten, bis sich die nationalen wie europäischen Regulierungsbehörden endgültig geeinigt haben. Noch stehen etliche Konferenzen auf dem Kalender der Standardisierer – und vor dem Durchbruch der neuen Technik.