UMTS-Anbieter starten ihre Dienste

Breitbandig, aber nicht großflächig

03.05.2004 von Holger Eriksdotter
Für Mobile-Office-Funktionen ist der UMTS-Zugang in Städten ein Schritt nach vorn. Als Basis breitbandiger mobiler Außendienstlösungen taugt UMTS allerdings noch nicht, denn eine flächendeckende Versorgung wird es auf absehbare Zeit nicht geben.

Roman Friedrich hat als Vodafone-Testkunde erste Erfahrungen mit UMTS gesammelt. Der Geschäftsführer der Düsseldorfer Niederlassung des Beratungsunternehmens Booz Allen Hamilton ist als Frequent-Traveller von den Vorzügen des neuen Netzes überzeugt: "Die Abdeckung in den Ballungsräumen ist sehr gut, ebenso wie die Übertragungsrate." Der schnelle Zugriff auf Office-Anwendungen, E-Mail, Inter- und Intranet habe seine Arbeit erheblich vereinfacht. Friedrichs Fazit: "Für Vielreisende bringt die schnelle Datenverbindung einen deutlichen Gewinn an Produktivität".

Mitte Februar hat Vodafone als erster Provider sein UMTS-Netz gestartet. Die drei anderen Lizenzinhaber Deutsche Telekom, O2 und E-Plus ziehen jetzt nach. Allerdings schreibt die Telekom-Regulierungsbehörde nur eine Netzabdeckung von 25 Prozent der Bevölkerung vor. Folgerichtig haben die vier UMTS-Lizenzinhaber zuerst Ballungsräume wie Hamburg, Frankfurt und München in Angriff genommen; auf dem flachen Land hingegen wird das Netz auf absehbare Zeit nicht verfügbar sein. Zwar versprechen alle TK-Unternehmen den zügigen Ausbau der Netze, aber "es ist nicht unser Ziel, jeden Bergbauern mit UMTS zu versorgen", sagte Vodafone-Chef Jürgen von Kuczkowski auf der Cebit.

Während die Anbieter bei Privatkunden auf Multimediadienste setzen, ist das Interesse der Business-Anwender an Unterhaltung via Handy eher begrenzt. Mit Steckkarten für Notebooks, Tablet-PCs und PDAs sollen ihnen die breitbandigen Datendienste zu verbesserter und flexiblerer Unternehmenskommunikation verhelfen. Aber auch hier sind die Kosten keine Nebensache: "Die Tarifgestaltung wird eine wesentliche Rolle dabei spielen, ob das UMTS-Angebot in den Unternehmen ankommt", sagt Peter Scheer, Manager Consultant bei der Meta Group. Die Tarife allerdings sind nach Meinung des Geschäftsführers des Online-Portals Teltarif.de, Martin Müller, noch keineswegs attraktiv genug. "Für intensives mobiles Arbeiten sind die UMTS-Tarife viel zu teuer." Noch sind die Preismodelle aller Provider nicht bekannt, aber ein Volumentarif von 150 MB pro Monat schlägt wohl mit 50 bis 65 Euro zu Buche. Müller vermutet allerdings, dass sich diese hohen Preise angesichts des großen Konkurrenzdrucks nicht lange halten werden.

Vodafone stattete in rund 350 Städten Testkunden mit UMTS aus. Die Freude der Teilnehmer trübte sich nur beim Verlassen des Netzes: Zwar schaltete die Notebook-Karte problemlos auf GPRS um, "aber die Geschwindigkeit einer GPRS-Verbindung ist im Vergleich zu UMTS natürlich enttäuschend", sagt Testkunde Rolf Meyer, Generalsekretär des Deutschen Raiffeisenverbands. Den meisten Geschäftskunden reicht GPRS mit einer Übertragungsrate von 53,6 Kbit/s nicht aus, weshalb sie WLAN-Verbindungen mit Raten von 11 bis 55 Mbit/s vorziehen.

WLAN keine Alternative

Die Hamburger Unternehmensberatung Mummert Consulting prognostiziert weiteres Wachstum: Die Zahl der Hotspots soll auf 135000 im Jahre 2006 steigen. Aber auch WLANs eignen sich nicht als großflächige Zugangstechnologie: Die Betreiber bieten weder einheitliche Zugangsprozeduren und Abrechnungsmodelle noch durchgängige Tarife. Zudem ist ein Roaming - von einem Hotspot zum nächsten - selbst bei dicht zusammenliegenden Funknetzen zurzeit nicht möglich.

Über mobile Office-Funktionen hinaus, für die üblicherweise Hotspots benutzt werden, verspricht die Integration mobiler Systeme in das Backend der Firmen-IT einen noch größeren Produktivitätsgewinn. In der Anbindung von Vertriebs-, CRM- und ERP-Systemen an die Geräte der Außendienstmitarbeiter steckt ein gewaltiges Potenzial. Allerdings liegen hier auch die größeren Probleme: "Die technische Realisierung mobiler Anbindungen ist meistens kein großes Problem - im Gegensatz zur IT- und Prozessintegration", sagt Volker Gruhn, Professor für angewandte Telematik und E-Business an der Universität Leipzig.

Der Bedarf ist vorhanden, denn zurzeit sind die meisten mobilen Anwendungen nicht sonderlich mobil: Nach einer Studie der Marktforscher von Tech-Consult basieren mehr als 80 Prozent der mobilen Außendienstlösungen noch auf Festnetzverbindungen. Außendienstler gleichen ihren Daten meist ein- bis zweimal täglich über ISDN- oder Modemverbindung mit der Zentrale ab. Kein zukunftstaugliches Modell, resümiert Professor Gruhn: "Mobile Thin Clients, die in Echtzeit auf die zentralen Systeme zugreifen, bieten die beste Kosten-Nutzen-Relation". Sein Fazit: "Die Unternehmen machen sich noch zu wenig Gedanken um die Konzeption mobiler Anwendungen."

Ob allerdings UMTS den entscheidenden Schritt nach vorn bringen wird, ist zweifelhaft. Zwar lassen sich mobile Lösungen meist einfach durch einen zusätzlichen UMTS-Kanal aufrüsten. Bei der mobilen Systemarchitektur allerdings kann man nicht mit den hohen UMTS-Datenübertragungsraten rechnen. Weil das Breitbandnetz nicht flächendeckend verfügbar ist, muss eine überall einsetzbare Außendienstlösung so konzipiert sein, dass sie nötigenfalls auch mit GPRS-Übertragungsraten auskommt.

Für Thomas Stanckiewicz, zuständig für die IT-Systeme der Außendienstmitarbeiter beim Hamburger Gabelstapler-Hersteller Still, ist UMTS zurzeit noch keine Option. Bisher betreibt das Unternehmen eine GPRS-Außendienstlösung für 700 Service-Techniker. "Wir würden gerne größere Datenmengen übertragen und denken auch über UMTS nach", sagt Stanckievicz. "Aber solange es keine flächendeckende Versorgung gibt, würde es unser System nur verkomplizieren." Seine Außendienstler sind auch in ländlichen Gebieten ohne UMTS-Abdeckung unterwegs. Anders sieht Jörg Weckenmann, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters XNA, die Situation. Sein UMTS-Außendienstsystem befindet sich zurzeit in der Testphase. "Unsere Vertriebsmitarbeiter sind fast ausschließlich in Großstädten unterwegs, deshalb haben wir kaum ein Problem mit fehlender Netzabdeckung", sagt er. Für die Anbindung der mobilen Lösung setzt er ein Gerät inklusive Software ein, das sein Provider O2 zusammen mit Sun Microsystems anbietet. Es bildet die Schnittstelle zwischen dem Enterprise-Network und allen gängigen mobilen Geräten wie Handys, PDAs und Notebooks. Neben UMTS kann das System auch Festnetzverbindungen und andere mobile Kanäle wie GMS, GPRS und HSCSD integrieren. "Bisher sind wir sehr zufrieden mit der Lösung", sagt Weckenmann, "in Zukunft wollen wir über mobile Kanäle auch auf das CRM-System zugreifen."

Kosten und Sicherheit schrecken ab

Die wenigsten Unternehmen sind bisher so weit. Der IDC-Studie "Was Business-Kunden wirklich wollen" zufolge besitzen 74 Prozent der befragten Firmen in Deutschland keine Strategie, die die Verwendung mobiler Daten innerhalb des Unternehmens festlegt. Hohe Umsetzungskosten, Unsicherheit über die Betriebskosten und Sicherheitsbedenken halten sie von UMTS ab. Laut einer Umfrage von Mummert Consulting vom November 2003 unter 280 Fach- und Führungskräften der Telekommunikationsbranche wird UMTS den Durchbruch in diesem Jahr nicht schaffen.

Auf die Frage nach den wichtigsten Übertragungstechnologien landete UMTS abgeschlagen hinter WLAN, GSM, GPRS und sogar Bluetooth. Auch die Provider sind nur verhalten optimistisch: "Die Einführung von UMTS ist kein Sprint - das wird ein Langstreckenlauf", sagt eine E-Plus-Sprecherin.