Um die rechtlichen Voraussetzungen für eine Vereinfachung der Bürokratie zu schaffen, hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Förderung elektronischer Verwaltungsdienste beschlossen. Das E-Government-Gesetz (PDF) könnte im ersten Halbjahr in Kraft treten. Im Gesetz geregelt werden etwa die Einbindung der Online-Ausweisfunktion des neuen Personalausweises und die Verwendung von De-Mail. Damit sollen mehr Transaktionen rechtskräftig online abgewickelt werden.
CIO.de: Wie ist der Stand des E-Government-Gesetzes?
Alexander Schmid: Das Gesetz liegt jetzt beim Deutschen Bundestag mit der Kommentierung des Bundesrates. Der Deutsche Bundestag wird sich in den kommenden Wochen damit befassen. Über die Ausschüsse können die Bundestagsmitglieder ihre Änderungswünsche äußern.
CIO.de: Wann wird es in Kraft treten?
Schmid: Der Wunsch aller beteiligten Parteien ist, dass es in dieser Legislaturperiode verkündet wird. Der Wahltermin ist ja im September. Ich rechne deswegen mit Mai oder Juni, - wenn es nicht noch gravierende Änderungswünsche gibt. Dann müsste es überarbeitet werden und eventuell auf die nächste Legislaturperiode verschoben werden müssen. Das ist aber nicht kriegsentscheidend. Das Wesen des Gesetzes ist ja nicht strittig. Es ist eher seine Komplexität, weil es in alle anderen Politikfelder hineinwirkt.
CIO.de: Es geht ja um die Änderung vieler anderer Gesetze, womit die elektronische Kommunikation ermöglicht wird, eigentlich eher eine Formsache, keine politische Streitfrage.
Schmid: Ja, vordergründig ja. Dahinter ändert sich aber etwas. Daher kommen auch die Bedenken der Betroffenen. Wenn die Kommunikation elektronisch in die Behörde hinein kommt, dann brauche ich dort ganz andere Prozesse. Wenn ich meine Daten offen lege, brauche ich eine andere Datenstrukturierung. Dann wird es ein größerer, interner Änderungsaufwand, den ich als Behörde erst einmal in den Blick bekommen muss.
CIO.de: Die Umsetzung dauert ja sicher, nachdem das Gesetz verabschiedet ist.
Schmid: Es ist eine Evaluation binnen drei Jahren gesetzlich festgeschrieben, die prüft, wo die Schriftform wegfallen kann und binnen fünf Jahren, wie der Umsetzungstand ist. Es ist vernünftig, erst die Rahmenbedingungen zu schaffen und zusammen mit der Verwaltung zu erarbeiten, welche Veränderungen es noch geben sollte. Diese Arbeit setzt die Legitimation durch das Gesetz voraus. Schon nach drei Jahren wird man sehen, ob es Nachsteuerungsbedarf gibt.
Veränderung braucht Management, Aufklärung und Einbindung
CIO.de. Wie groß ist die Begeisterung in der Verwaltung?
Schmid: Die Verwaltung besteht nur zu einem geringen Prozentsatz aus IT-Affinität. In der E-Government Community, die sich seit Jahren mit den Themen beschäftigt, ist die Erwartung durchweg positiv. Das Gesetz ermöglicht den Rahmen für weiteres Denken. Der Rest der Verwaltung ist mit den eigenen Fachgesetzen sehr vertraut, aber nicht so mit Gesetzen, die Querschnittsaufgaben verändern. Veränderung braucht auch Management, Aufklärung und Einbindung, Diskussion und Transparenz. Was sind die Fristen, wie hoch sind die Kosten? Diese Transparenz muss man schaffen.
CIO.de. Brauchen und bekommen die Behörden dazu Hilfe?
Schmid: Man braucht eine valide, behördenspezifische Kostenabschätzung und ein politikfeldspezifisches Veränderungsmanagement. Die Behörden müssen eingebunden werden und auch die Potenziale erkennen können.
CIO.de: Gibt es Plug-ins oder Apps für die Behörden zur Unterstützung der Umsetzung?
Schmid: Das Gesetz adressiert vor allem vier Bereiche: Open Data, elektronische Identifizierung, elektronische Bezahlfunktionen und die elektronische Aktenführung. Dafür gibt es stabile Märkte mit Anbietern von Lösungen. Man braucht keine monopolitische Branchenlösung. Das geht im ganz normalen Beschaffungsverfahren. Beim Thema Open Data braucht man zudem noch konzeptionelle Vorarbeit. Da muss man offene Fragen klären etwa zum Datenschutz und zum rechtlichen Rahmen der Datennutzung.
CIO.de Gibt es Musterstädte und -Kommunen, an denen man sich orientieren kann?
Schmid: Das Gesetz ist ein Bundesgesetz. Wenn einzelne Kommunen besonders weit sind, darf sich daraus kein Verallgemeinerungsdruck ableiten. Damit das Gesetz kommt, wird eine sehr vorsichtige Linie gefahren werden müssen, wobei der Fokus auf dem Bund liegt. Das Konnexitätsprinzip wirkt auf die Übernahme von Bundes- in Landesregelungen. Weil viele Behörden im kommunalen und im Landesbereich die Folgen noch nicht ganz überblicken, fällt es heute noch vielen schwer, zuzustimmen. Es gibt gute Beispiele, daraus sollte man aber nicht schließen, dass das ein Selbstläufer wird.
CIO.de: Ist die Nachfrageseite der Bürger zu schwach organisiert?
Schmid: Die Community der Befürworter würde sich sicherlich darüber freuen. Es scheint zwar nur ein langsam fließender Fluss zu sein, aber es ist ein Fluss. Wenn die nicht in der IT liegenden Herausforderungen bewältigt werden, wenn die Mitarbeiter in den Behörden eingebunden werden, dann wird es kontinuierlich weiter vorwärtsgehen. Die Rahmenbedingungen sind gesetzt. Es braucht dafür keine Pressuregroups.
CIO.de: Wird das Gesetz auch die bisher ja nicht so erfolgreichen Projekte De-Mail und den neuen Personalausweis pushen?
Schmid: Die Frage lautet: Ist das Glas halb leer oder halb voll? Es ist halbvoll. Das Gesetz deckt für die, die es am Schluss umsetzen müssen, wieder einen wichtigen Aspekt ab. Das sind die Behörden in ihrem E-Government. Dabei sind De-Mail und der neue Ausweis zwei starke Argumente.
CIO.de: Wo haben die Bürger den Nutzen?
Schmid: Für mich als Bürger ist es ein gutes Gefühl, dass ich, wenn ich es brauche, eine sichere elektronische Identifikation mit dem neuen Personalausweis zur Verfügung habe. Und wenn ich einen sicheren Kanal brauche, finde ich ihn in De-Mail: Der Staat ist für mich hier in eine Vorsorgeleistung gegangen. In den kommenden Jahren wird elektronisches Handeln immer stärker ein integraler Bestandteil unseres Lebens sein. Dann werden diese Grundlagen sehr wichtig werden.
Deutschland braucht eine E-Government-Infrastruktur
CIO.de: Wem bringt das Gesetz mehr? Den Bürgern, den Unternehmen oder der Verwaltung?
Schmid: In der Summe ist es eine Standortfrage. Deutschland braucht diese Infrastruktur für alle Beteiligten.
CIO.de: Wo steht Deutschland, wer ist anderswo schon weiter?
Das österreichische E-Government-Gesetz wird in der Diskussion immer wieder genannt: Wenn man die beiden aber nebeneinander legt, dann adressiert das deutsche einen breiteren Scope. Das ist schon ein dickes Brett, was wir hier bohren. Und selbst wenn einzelne Passagen noch herausgenommen werden sollten, ist das schon ein Meilenstein in Europa.
CIO.de. Was hat Sie beim dem ganzen Prozess überrascht, wie ist Ihr Ausblick?
Die Anforderungen der Fachbehörden, Veränderungen erklärt zu bekommen, braucht mehr Einsatz und Engagement. Hier zeigt sich, dass die Rolle der noch jungen Gremien wie der IT-Rat und der IT-Planungsrat in dieser nötigen Vermittlung langsam greift.
Das Prinzip "Bring your own ID" wird bald kommen
Die Diskussion um die eID wird sich weiter entwickeln. Hier sollten wir uns auf das Prinzip Bring Your Own ID einstellen. Warum sollte der Bürger auf ein einzelnes Identifizierungsmerkmal, zum Beispiel den Ausweis, begrenzt werden? Warum kann er nicht auch eine andere, ausreichend abgesicherte, elektronische Identität mitbringen?
Außerdem bin ich der Meinung, dass das die Gebühren schon wegen der elektronischen Bezahlfunktion überdacht werden müssen. Verdienen E-Government-Dienste die gleichen Gebühren wie herkömmliche Dienste, wenn doch die zugrunde liegenden Kosten andere sind?
Es tut der Diskussion im Übrigen gut, wenn sich hier eine Koalition über alle politischen Interessengruppen und Parteien bildet. Weil es auch eine Standortfrage ist. Die Anregungen aus den deutschen Regelungen haben auch eine Strahlwirkung auf Europa. Ob das Gesetz vor oder nach der Bundestagwahl kommt, ist dann in diesem Sinne nicht nur eine nationale Timing-Frage, sondern prägt auch die Diskussion im europäischen Kontext.