CIO-Umfrage: IT-Ausgaben 2002 und 2003

Budgets im Umbruch

02.12.2002
Schwierige Zeiten für IT-Entscheider: 2003 will die Mehrheit der 324 von uns befragten Unternehmen ihr Budget erhöhen, nachdem sie in diesem Jahr ein Prozent eingespart hat. Die Tendenz: weiterhin hohe Ausgaben für die Infrastruktur, ein deutlicher Kürzungstrend bei der Beratung.

Es klingt paradox: Trotz der guten Geschäftszahlen des Fresenius-Konzerns muss die IT-Tochter Fresenius Netcare die Ausgaben im kommenden Jahr um bis zu fünf Prozent herunterfahren. Als Grund nennt das Medizintechnikunternehmen mit Sitz in Bad Homburg den immer massiver werdenden Kostendruck auf den westlichen Gesundheitsmärkten.

Diesen Druck bekommt Martin Riedel, Geschäftsführer von Fresenius Netcare, mächtig zu spüren: Die Preise für Wartung und Software-Lizenzen steigen stetig. "Lotus, Microsoft oder SAP unterscheiden sich nicht besonders in ihrer Gebührenpolitik", sagt Riedel. Auch Anbieter und Dienstleister belasteten seinen Etat deutlich stärker als in den vergangenen Jahren. "Bislang war die Beratung meist gratis, wenn wir Produkte der großen Software-Hersteller gekauft haben. Heute muss die Beratung fast immer bezahlt werden", klagt Riedel. "Selbst Startprojekte führen Anbieter immer seltener günstiger oder kostenlos aus."

Kaum jemand nimmt Geld in die Hand

Die Mehrkosten kann Riedel aber nicht an seine Kunden weitergeben. Die 230 Mitarbeiter der im Juni 2001 gegründeten IT-Tochter des Gesundheits- und Dialysekonzerns Fresenius bieten ihre Dienste intern den vier Sparten Medical Care (Dialyse), Kabi (Infusionslösungen), Hemo Care (Blutbehandlung und Infusionstechnologie) und Pro Serve (Gesundheitsdienstleistungen) an sowie externen Kunden, zum Beispiel Krankenhäusern. "Die Bereitschaft der Kunden, Geld in die Hand zu nehmen, ist allerdings sehr gering", so Riedels Erfahrung.

Diese Zurückhaltung spiegelt sich auch in unserer Umfrage unter 324 IT-Entscheidern wider. Danach sanken die IT-Ausgaben deutscher Firmen in diesem Jahr um durchschnittlich ein Prozent. 2003, und das überrascht, wollen sich die IT-Entscheider wieder etwas spendabler zeigen: Dann sollen die Ausgaben immerhin durchschnittlich um 0,8 Prozent steigen.

Doch Durchschnittszahlen können nur einen ersten Anhaltspunkt geben. Hinter den Mittelwerten unserer Umfrage verbergen sich jeweils zwei Lager: Während die eine Gruppe ihre Ausgaben im Schnitt stark erhöht, sinken die Investitionen auf der anderen Seite entsprechend kräftig.

Zwei gleich große Lager

Im laufenden Jahr standen sich zwei gleich große Gruppen gegenüber: Von den 324 Unternehmen gaben 146 mehr Geld aus als 2001, und zwar durchschnittlich 14,3 Prozent. 149 Teilnehmer fuhren ihren Etat im Mittel um 16,1 Prozent zurück. 7 Unternehmen hielten ihre Ausgaben auf Vorjahresniveau, weitere 22 machten keine Angabe. 2003 steigern zwar deutlich mehr Befragte (168) ihren IT-Etat, jedoch im Schnitt lediglich um 9,8 Prozent. Demgegenüber drosseln jene Teilnehmer (112), die ihre Ausgaben verringern werden, diese im Schnitt nur um 12,5 Prozent.

Mit Wachstumsraten vergangener Jahre hat das nichts mehr zu tun. Und: Es bleibt unsicher, ob 2003 wieder mehr Etats steigen werden. Die meisten Befragten beklagen, dass es kaum Planungssicherheit gebe.

Fast die Hälfte der Befragten hat dieses Jahr Geld für Beratungsleistungen gestrichen; 2003 wird mehr als ein Drittel in diesem Bereich nochmals Kürzungen vornehmen, während ein weiteres Drittel die Ausgaben unverändert lassen will. Das bekommt auch Fresenius Netcare zu spüren: Dem IT-Dienstleister fehlen Einnahmen aus dem stark rückläufigen Projektgeschäft. "Der Umsatz ist hier um etwa 20 Prozent zurückgegangen", so Riedel. Als Konsequenz daraus setzt Netcare bei Projekten neben 120 eigenen Beratern nur noch rund 10 statt bislang gut 30 externe Berater ein.

IT-Etat an Umsatz gekoppelt

Trotzdem kann Feyhl im kommenden Jahr zulegen, denn sein IT-Etat ist an den Unternehmensumsatz gekoppelt. "Der Mehrwert, den der Einsatz von IT für ein Unternehmen stiftet, lässt sich am besten an der ITKosten-Umsatz-Relation festmachen. Ein Absolutbetrag sagt hier wenig aus. Da der Umsatz auch in den nächsten Jahren moderat wachsen wird, ist mit einem entsprechenden Anstieg des IT-Budgets zu rechnen", prognostiziert der CIO.

Angst vor wirtschaftlich noch schlechteren Zeiten, die den Umsatz des Konzerns verhageln könnten, glaubt er nicht haben zu müssen. Autohersteller, so Feyhl, brächten in immer kürzeren Abständen neue Modelle auf den Markt und vergäben immer mehr Arbeiten an externe Firmen wie EDAG. Positive Meldungen aus der Branche beflügeln seinen Optimismus - was ihn jedoch nicht dazu verleitet, die IT-Ausgaben aus dem Blick zu verlieren. "Projekte werden nur genehmigt, wenn sie nach zwei Jahren die Kosten wieder einspielen." Woanders ist man nicht so geduldig: Immer häufiger werden in deutschen Unternehmen Projekte gekippt, die nicht binnen eines halben Jahres zu einem Return on Investment führen.

Eigene Ressourcen nutzen

Auch Friedrich Wöbking, Vorstand für Informationssysteme und E-Business bei der Allianz Lebensversicherung und der Allianz Versicherung, setzt auf sparsames Wirtschaften und darauf, so viel wie möglich mit Bordmitteln zu bewerkstelligen.

"IT-Projekte werden erst dann umgesetzt, wenn ihre Notwendigkeit und ihr Nutzen überzeugend ausgeführt sind und wir vorhandene Ressourcen innerhalb der Gruppe optimal ausnutzen", stellt Wöbking klar. Damit die Kosten während der Umsetzung nicht doch aus dem Ruder laufen, würden die Projekte ständig überprüft. "Dieser Prozess wird fortwährend durch eine Controlling-Einheit begleitet und durch IT-Governance abgesichert, und zwar unabhängig von der Höhe des Etats oder der aktuellen Konjunkturlage." Für den Münchener Versicherungsriesen zählen IT und E-Business zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren; schließlich arbeiten Versicherungen und Finanzdienstleister vor allem mit Papier. Dementsprechend liegt hier ein großes Potenzial zur Effizienzsteigerung, das mithilfe der IT genutzt werden kann: Um am Markt zu bestehen, müssen Papiervorgänge in elektronische Bahnen gelenkt werden.

Die Allianz hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von E-Business-Projekten geprüft und umgesetzt. Dazu zählen unter anderem ein vor drei Monaten gestartetes Serviceportal sowie eine Online-Versicherung. "Darauf können wir uns jetzt konzentrieren", so Wöbking. Im nächsten Jahr werde es bei der IT-Planung Allianz in Deutschland um die Optimierung bestehender Systeme gehen. Allerdings wollte Wöbking keine Angaben dazu machen, wie sich die IT-Ausgaben des Versicherungskonzerns entwickeln werden.

Gewinner und Verlierer

Unsere Umfrage hat ergeben, dass Finanzdienstleister die IT-Ausgaben 2002 noch um 2,4 Prozent steigern konnten. Dagegen treten sie im nächsten Jahr mit einer Zeitverzögerung überdurchschnittlich stark auf die Kostenbremse: Um durchschnittlich 0,3 Prozent werden sie ihre Ausgaben vermutlich senken.

So treibt auch der Maschinen- und Anlagenbauer Krones neue Projekte voran. Für die Entwicklung und Konstruktion seiner Verpackungs- und Abfüllmaschinen setzt das in der Nähe von Regensburg ansässige Unternehmen seit zwei Jahren verstärkt 3-D-Software ein. SAP R/3 wird weltweit an allen 30 Standorten ausgerollt. Darüber hinaus hat der Vorstand die Entscheidung für ein SCM (Supply Chain Management) -Projekt gefällt. Schließlich will Klaus Palmtag, Bereichsleiter Informationsmanagement, im kommenden Jahr neben dem Ausbau des Reklamationsmanagements vordringlich Projekte im Bereich der Informationsbereitstellung (Data Warehouse, Infoportal, Knowledge Management) angehen. Hier sei der Bedarf am größten, so Palmtag. Alle Mitarbeiter, vom Vorstand bis auf die unterste Ebene, müssten auf einfachem Weg an Informationen gelangen können.

Kletterte sein Etat dieses Jahr bereits um 14,9 Prozent, so plant Palmtag für 2003 mit einer weiteren Anhebung um 17 Prozent auf dann knapp 14 Millionen Euro. Steigende Auftragszahlen aus der Lebensmittelindustrie sowie die Unabhängigkeit vom deutschen Markt dank 80 Prozent Exportanteil würden die Durchsetzung von IT-Ausgaben erleichtern, erklärt Palmtag. Doch auch wenn der Vorstand viel in den notwendigen IT-Fortschritt investiere, so sollten die Ausgaben doch sehr solide begründet sein. "IT-Projekte musste ich schon immer gut gegenüber dem Vorstand darstellen", so Palmtag, der seit 1966 für Krones tätig ist.

Zweifelhafte RoI-Berechnungen

Allerdings kann Palmtag mit RoI-Berechnungen und Aussagen wie "ein Projekt muss sich nach zwei Jahren gerechnet haben" nicht viel anfangen. So habe er bei einem weiteren Kernprojekt, dem so genannten Konfigurator, mit dem Langzeitnutzen argumentiert. Der Konfigurator beinhalte die Daten von bis zu 15000 Teilen einer Maschinenart und diene als gemeinsame Basis für Entwicklung, Fertigung, Konstruktion und Vertrieb. "Damit vermeiden wir Fehler. Außerdem wählen wir aus den vielen Variationsmöglichkeiten die richtigen, auf den Kunden zugeschnittenen Typen und Modelle", zählt Palmtag die Vorteile auf. Jede Flasche, jede Packung und jeder Karton sei kundenspezifisch und sehe deshalb anders aus; darauf müsse die Maschine eingestellt werden. "Den RoI und die Einsparungen konnte selbst Software-Lieferant SAP nicht berechnen", sagt Palmtag.

Nicht selten bringt die neueste Technik jedoch keine Einsparungen, sondern sogar zusätzliche Kosten, wie Riedel von Fresenius Netcare festgestellt hat. Er führt gerade Enterprise-Module ein, um die alte SAP-Struktur abzulösen. "Logisch bildet das neue System ein zentrale Einheit, aber für SCM- oder CRM-Module sind jeweils neue Hardware-Komponenten aufzustellen. Das bedeutet mehr Komplexität und damit höhere Betriebskosten." Und diese Kosten müssen an anderer Stelle natürlich wieder hereingeholt werden.