CIO-Umfrage: IT-Ausgaben 2003/2004

Budgets nachschärfen

01.12.2003
IT-Etats in Deutschland stagnieren weiterhin. Unserer Exklusiv-Umfrage zufolge wollen CIOs ihr Budget 2004 im Schnitt nur um ein Prozent erhöhen.

Ein viel zitiertes Wort bei Opel heißt "nachschärfen". Diesen Begriff verwendete Opel-Chef Carl-Peter Forster, als er im Oktober für das im Sommer 2001 gestartete Konzern-Sparprogramm "Olympia" weitere Einsparungen forderte. "Nachschärfen" muss auch Opel-CIO Heinz-Gerd Lehnhoff. Für 2004 plant er mit einem niedrigeren Etat als 2003, rund 1,3 Prozent vom Konzernumsatz (14,9 Milliarden Euro 2002, 34000 Mitarbeiter) wird der Rüsselsheimer Autobauer für die IT ausgeben. "Allerdings kann das Budget im kommenden Jahr noch etwas sinken", räumt Lehnhoff ein.

Viele Kollegen Lehnhoffs leben mit der sich ungewiss entwickelnden Konjunktur nächstes Jahr. Laut unserer Budget-Umfrage wollen IT-Entscheider ihre Ausgaben 2004 im Durchschnitt um ein Prozenterhöhen. Ob sie dieses sehr bescheidene Ziel realisieren können, ist fraglich: Bei unserer UmfrageEnde 2002 hatten die Teilnehmer angegeben, ihre Etats dieses Jahr im Schnitt um 0,8 Prozent zu steigern. Tatsächlich kürzten sie ihre Ausgaben unserer erneuten Umfrage zufolge jedoch um 1,7 Prozent.

Im Vergleich zu 1999 betragen die operativen Kosten der Opel-IT heute rund 35 Prozent weniger. Lehnhoff: "Die IT hat ihren Beitrag geleistet. Alle Projekte laufen mit gleicher Geschwindigkeit weiter." Allerdings fließt das gesparte Geld bislang in neue IT-Investitionen wie zum Beispiel das Projekt "Online", bei dem Opel 11000 Clients standardisiert hat. Damit sank die Zahl der Windows-Server von 400 auf 160. Im After-Sales-Bereich migrierte der Opel-CIO elf dezentrale Server auf einen zentralen; auch CAD-Server brachte er auf eine Plattform. "Server zu konsolidieren spart sehr viel Geld und steigert darüber hinaus die Produktivität", sagt Lehnhoff.

Auf der anderen Seite investiert Opel in ein neues Händlersystem, die eigene Website sowie bis 2005 in Applikationen für ein neues Produktionssteuerungs-System. Lehnhoff hat die Latte hoch gelegt. "In mindestens drei Bereichen sollte ein Unternehmen wie Opel technologisch führen." Dabei sieht er die Rüsselsheimer in der technischen Datenverarbeitung (CAD, dreidimensionale virtuelle Prototyp-Entwicklung), Produktionssteuerung und Websites für Kunden ganz vorn.

So befürchtet Lehnhoff auch nicht, dass der Stellenwert seiner IT-Abteilung (130 Mitarbeiter, fast alle Dienste ausgelagert) innerhalb der Firma schwindet. Im Gegenteil, er berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden Forster. Teilnehmer unserer Umfrage schätzen die Entwicklung ähnlich wie Lehnhoff ein: Rund 46 Prozent der CIOs, die ihren Etat 2003 senken mussten, gaben an, dass sich die Bedeutung der IT in ihrem Unternehmen in diesem Jahr verbessert hätte. IT-Entscheider mit gestiegenem Etat sind sogar zu 68 Prozent überzeugt, dass sich der Stellenwert der IT 2003 erhöht hätte.

Reizwort Projektstau

Trotzdem beklagen 49 Prozent der CIOs, dass Sparmaßnahmen zum Projektstau führen. Doch nur gut acht Prozent befürchten, dass nicht getätigte Investitionen zu Mehrkosten wie zum Beispiel zu höheren Wartungs- und Reparaturkosten führen. Lehnhoff hält den Begriff hingegen nur für ein Reizwort ohne Wert. "Jetzt haben wir eine Atempause, in der wir neue Konzepte entwickeln und unsere Strategien überdenken können."

Seine heutige Strategie hat Walter Klein, Vorstand für IT, Organisation und Servicemanagement beim Hamburger Versicherungskonzern Deutscher Ring (1,5 Milliarden Euro Umsatz, 2700 Mitarbeiter), bereits im Jahr 2000 festgelegt. Auf der Kostenseite bedeutet das, bis Ende 2004 die Ausgaben um 25 Prozent herunterzufahren. Inzwischen muss aber auch er seinen bis zum Jahr 2007 angelegten Etat "nachschärfen" und um weitere 20 Prozent senken, was ihm nicht unbedingt gefällt: "Trotzdem sind wir auch in schlechten Zeiten in der Lage zu investieren, um künftig im Markt zu bestehen."

Der Weg zu geringeren laufenden Kosten führt zunächst über Sonderinvestitionen. So muss Klein denn in Kürze entscheiden, ob er die SAP-Branchenmodule Policenmanagement und Schadensmanagement in der Sachversicherungssparte einführt. Teure Projekte, wie Klein einräumt, in die er aber investieren muss. Sein Ziel: eine Java-basierte schnittstellenfreie Landschaft, die dieGeschäftsprozesse unterstützt: "Die vielen Schnittstellen zu pflegen kostet immens viel. Außerdem leidet die Leistung der IT unter den vielen Untersystemen."

Dieter Hüsken, CIO/CTO beim Darmstädter Messtechnik-Hersteller Carl Schenck AG, weiß genau, dass sein Unternehmen jedes Jahr effizienter produzieren muss: Die Kunden, vorwiegend aus der Automobilbranche, zahlen jedes Jahr weniger, zugleich steigen die Personalkosten. Durch die flaue Konjunktur musste deshalb auch er "nachschärfen". Die Vorgabe: IT-Kosten um 25 Prozent senken, wobei ein wesentlicher Bestandteil der noch bis 2007 laufende Outsourcing-Vertrag mit IBM war.

Letztlich einigten sich beide Seiten auf einen neuen Vertrag, der als Kompromiss auf neun Jahre Laufzeit bis 2011 festgeschrieben wurde. "Statt der geforderten 25 Prozent konnten durch weitere Maßnahmen die jährlichen Kosten um 30 Prozent reduziert werden. Jetzt gibt es Service Level Agreements, alle zwei Jahre werden die Preise neu verhandelt", so Hüsken. Zehn Millionen Euro oder knapp zwei Prozent vom Unternehmensumsatz (480 Millionen Euro Umsatz 2002, Mitarbeiter 3300) stehen Hüsken für IT, Telekommunikation und Anwendungsentwicklung zur Verfügung. Trotz Sparzwang investiert auch er in einen SAP-Releasewechsel, nächstes Jahr will er ein Dokumentenmanagement-System einführen. Investitionen, die er jetzt noch finanzieren kann: "Durch den neuen Vertrag, und weil wir unter den Kosten-Vorgaben lagen, haben wir noch Spielraum, aber er wird immer kleiner."

Chefs denken zu kurzfristig

Die meisten Unternehmen brauchen diesen Spielraum dringend, warnt Wafa Moussavi-Amin, Analyst vom Marktforschungsinstitut IDC: Die Leistung bestehender Applikationen reicht angesichts steigender Anforderungen vielfach nicht mehr aus, Netzwerke brauchen wegen steigender Datenmassen mehr Bandbreite, viele Desktop-Verträge laufen im kommenden Jahr aus. IDC prognostiziert, dass die Etats in Deutschland bis zum Jahr 2007 durchschnittlich um 5,4 Prozent pro Jahr steigen werden. "Das hört sich viel an, ist aber auf der jetzt erreichten niedrigen Basis zu wenig", so Moussavi-Amin. "Die kurzfristige Denkweise 'Wir schaffen den Betrieb auch ohne Investitionen' von Vorständen und Finanzchefs kostet die Unternehmen mittelfristig viel mehr."

Andererseits hätten IT-Entscheider mit der Einführung von CRM ihre letzte Chance verpasst zu beweisen, wie IT effizient, kostengünstig und prozessorientiert arbeiten kann. Vor zwei Jahren schon habe die Konjunktur nachgelassen, trotzdem hätten Firmen CRM-Systeme ohne Kosten-Nutzen-Rechnung gekauft, ohne Marketing, Vertrieb und Lieferanten mit einzubeziehen. Jetzt müssten CIOs ihre Hausaufgaben nachholen: Transparenz schaffen, betriebswirtschaftlich gegenüber dem Vorstand argumentieren und die IT effektiv aufstellen.

Effizient hat Lehnhoff die Opel-IT bereits aufgestellt: "Wir haben eine sehr gute Balance zwischen IT-Leistung und Kosten gefunden." Er sieht weitere Sparpotenziale. Ein Ziel: Server, die tagsüber für SAP-Anwendungen arbeiten, abends Backups durchführen und nachts als Simulations-Server zum Beispiel für Crash-Tests dienen. Technisch stünde dem Rund-um-die-Uhr-Betrieb eines Servers nichts im Wege. Noch seien aber nicht alle Kollegen überzeugt, dass man hier noch Geld sparen könne. Da muss Lehnhoff wohl noch etwas am Verständnis "nachschärfen".