Staatssekretär Harald Lemke als damaliger Landes-CIO hatte die Idee: Die Verwaltung soll ihre IT auf standardisierte Hard- und Software umstellen, die in der Lage ist, unter einem einheitlichen Frontend sämtliche Geschäftsprozesse abzubilden.
Die IT soll so kein Hindernis mehr sein, sondern die Mitarbeiter unterstützen. Die integrierten Verwaltungsarbeitsplätze für rund 45 000-Standard-Arbeitsplätze sollen den Mitarbeitern ihre Arbeit erleichtern und sie effizienter machen sowie Kosten sparen. Vor allem aber bildet das Projekt ein Framework, um sich in SOA-Projekten zurechtzufinden. Sämtliche Prozesse sollen analysiert, sich wiederholende Einzelteile dafür aber nur noch einmal angepasst werden, so der Gedanke der hessischen IT-Entscheider. Das ist keine einfache Aufgabe, denn rund 400 verschiedene Fachanwendungen benutzen die Sachbearbeiter in den Behörden des Landes täglich - im Bundesland Hessen genauso wie in anderen Bundesländern.
Mit ins Boot holte Lemke die Firma Microsoft - die künftig "komplett einheitliche Infrastruktur bis zum Endarbeitsplatz" stammt aus Redmond. Das Konzept: der "moderne Verwaltungsarbeitsplatz" (MVA) mit dokumentenzentrierter Bearbeitungsweise. "Alle Mitarbeiter sollen auf ihren Standardarbeitsplätzen in der hessischen Verwaltung direkt aus ihrer bekannten Office-Umgebung heraus auf Informationen und Vorgangsdaten sowie auf bestehende zentrale Verfahren zugreifen können", heißt es bei den Hessen, die das Projekt "Hessen-PC" getauft haben.
Politisch etwas heikel
Ideengeber Lemke ist inzwischen nicht mehr Hessen-CIO und sein Nachfolger Horst Westerfeld noch nicht tief genug im Thema, um Fragen zu beantworten. Der 57-jährige Westerfeld kommt von Siemens, wo er das Projekt Deutschland-Online-Infrastruktur leitete. Der "Hessen-PC" sei im Moment politisch etwas heikel, so dass "man sich derzeit dazu nicht äußern will", teilte ein Mitarbeiter dem CIO-Magazin mit. In Hessen ist Ministerpräsident Roland Koch (CDU) nur geschäftsführend im Amt; ungewiss war bis Redaktionsschluss weiterhin die politische Zukunft des Bundeslandes.
Das Projekt scheint trotzdem auf einem guten Weg zu sein. Auf dem 13. Ministerialkongress im September stellten die IT-Mitarbeiter Uwe Grüner und Markus Unverzagt vom Hessischen Ministerium des Innern und für Sport den "Integrierten Verwaltungsarbeitsplatz" (IVA) und die dahinterstehende Software-Architektur vor. "Die Anforderungen an die öffentliche Verwaltung steigen", sagten sie dort und nannten als künftige Herausforderungen "zunehmende Bürgerund Kundenorientierung, mehr Flexibilität und Transparenz, Effizienz sowie definierte Ansprechpartner für den Bürger".
Anhand der "Beantragung von Sonntagarbeit" zeigten Grüner und Unverzagt, wie sich die Arbeit für die Sachbearbeiter vereinfachen wird. Sie stellten den Prozess vor, der künftig Bestandteil der Anwendung IFAS (Informationssystem für den Arbeitsschutz) ist. Sachbearbeiter können dabei stets in gewohnter Office-Benutzeroberfläche arbeiten, die den Zugriff auf die relevanten Informationen ermöglicht. Denn alle vorhandenen Systeme sind nun eingebunden. Gegliedert in die Analyse der Prozesse, Teilprozesse der Beteiligten und den Einsatz der benötigten Anwendungen (wie etwa Office, IFAS und SAP) demonstrierten die beiden, wie die Hessen mit einheitlicher Hard- und Software, einem zentralen Abrechnungs- und Servicemodell und SOA-Middleware Arbeitszeit und damit Kosten sparen.
Microsoft will wieder mitmischen
Dass sich der Hessen-CIO letztlich für Microsoft als Partner entschied, setzt ein Signal in der öffentlichen Verwaltung - jedoch in die entgegengesetzte Richtung als bisher. Alle Vorgaben des Bundesinnenministeriums weisen in Richtung Open Source. Martin Schallbruch, IT-Direktor im Bundesministerium des Inneren (BMI), betont immer wieder, dass der Bund auf offene Standards und Vielfalt setzt. Die "Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung" hat dies auch in den Empfehlungen "Standards und Architekturen für E-Government-Anwendungen" festgeschrieben. Hier will der Software-Konzern, der seine Felle davonschwimmen sah, gegensteuern.
Im Stillen ein Pilot für den Bund
Eine im Auftrag des Landes Hessen und von Microsoft angefertigte ROI-Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation und dem Institut für offene Kommunikationssysteme Fokus soll im Dezember beweisen, dass Microsofts MVA-Konzept "Open Source"-Anwendungen nicht nur technologisch, sondern auch in Hinsicht auf Kosten überlegen ist.
Mit der Einführung des "Hessen-PC" will das Land auch die Grundlage für die erfolgreiche Implementierung übergreifender Projekte des Bundes und der Länder legen. "Das Land Hessen wird mit der strukturierten Vorgehensweise und dem modularen Aufbau von Anwendungen auch auf künftige Herausforderungen wie die EU-Dienstleistungsrichtlinie vorbereitet sein", verspricht Frank Wischerhoff von Microsoft. Den Beweis will das Projekt auf der Messe "Moderner Staat" in Berlin antreten. Wollen Unternehmen aus der EU in Deutschland Dienstleistungen erbringen, müssen sie bei unterschiedlichen Behörden und Organisationen Genehmigungen einholen, Anmeldungen vornehmen und Nachweise erbringen. Dieses Vorgehen soll EUweit durch eine einheitliche elektronische Verfahrensabwicklung vereinheitlicht und vereinfacht werden. Werden die Anträge nicht in einer bestimmten Frist entschieden, gelten sie als angenommen. Für Verwaltungen ist das eine große Herausforderung.
Die Hessen haben sich viel vorgenommen. Wenn das Proof of Concept fertiggestellt ist, wollen sich die Fachleute an die Konzeption der Softwarearchitektur (Siva-Framework) machen. Fraglich ist, ob sich das Konzept auch noch in weiteren Ländern - oder gar im Bund - durchsetzen kann. Die Verantwortlichen des Software-Konzerns zumindest hoffen darauf.