Statt mit übergreifenden Strategien zu arbeiten, wird in den Informationstechnologien des Bundes offenbar zu oft Stückwerk produziert. Die insgesamt 274 Seiten langen "Bemerkungen 2007" des Bundesrechnungshofs enthüllen unter anderem Mängel an einer ganzen Reihe von IT-Projekten. Am meisten Prügel einstecken muss die Bundeswehr.
So rügen die Prüfer etwa, die Marine habe die Hard- und Software-Pflege ihrer Fregatten ohne angemessene Prüfung der Wirtschaftlichkeit an die Industrie vergeben. Die IT-gestützten Führungs- und Waffeneinsatzsysteme auf den Fregatten müssen regelmäßig gewartet werden, um die Schiffe einsatzbereit zu halten. Bis 2004 pflegte die Marine die Systeme selbst. Dann vergab sie diese Aufgabe an Firmen - was laut Rechnungshof Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe zur Folge hat. Außerdem befürchten die Prüfer, die Marine könne ihre über Jahre aufgebaute Kompetenz auf diesem Gebiet verlieren. "Wir hatten damals keine realistische Alternative zur Vergabe an die Industrie", kommentiert ein Sprecher des Ministeriums die Kritik. Gleichwohl hat das Verteidigungsministerium zugesagt, die Wirtschaftlichkeit künftig zu untersuchen, bevor derartige Aufträge vergeben werden.
In der Kritik stehen weiter die Führungsinformations-Systeme der Bundeswehr. Auch nach sechs Jahren Entwicklung könnten diese nicht zusammenarbeiten, heißt es aus dem Rechnungshof. Die Bundeswehr arbeitet derzeit daran, den Datenaustausch zwischen den Führungsinformations-Systemen von Heer, Luftwaffe und Marine möglich zu machen. Doch statt die bestehenden Systeme zu verbessern, wurde ein völlig neues entwickelt - das zu allem Überfluss nicht kompatibel zu den bestehenden ist. Als Folge des vom Ministerium eigentlich als "Pilotprojekt" gestarteten Vorhabens müssen manche Dienststellen derzeit parallel mit dem alten und dem neuen System arbeiten. Am Dienstsitz von Franz Josef Jung versucht man sich indes zu rechtfertigen. Bezogen auf die "derzeitige Ausbaustufe" erfülle das System "alle vorgesehenen Funktionalitäten", heißt es auf Anfrage von CIO Online.
Verbesserungswürdig ist offenbar auch das Vorgehen der Luftwaffe bei der Beschaffung von Ersatzteilen. Um den Bedarf zu ermitteln, wird seit 1991 ein Software-System eingesetzt. 5,5 Millionen Euro gab die Bundeswehr dafür bisher aus, nach Ansicht der Prüfer ohne erkennbaren Nutzen.
Besserung gelobt hat das Verteidigungsministerium bezüglich der Kritik des Rechnungshofes an der Auftragsvergabe für das Projekt Herkules. In dessen Rahmen will die Bundeswehr ihre Informationstechnik modernisieren. 140.000 PCs, die zentralen Systeme in den Rechenzentren, die Netzwerk-Infrastrukturen sowie die Festnetz- und Mobiltelefonie der Bundeswehr sollen auf den neuesten Stand gebracht werden. Das Ganze geschieht im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP). Mit einem Auftragswert von sieben Milliarden Euro über zehn Jahre ist das Vorhaben das größte seiner Art in ganz Europa. Hier steht nicht das Projekt an sich in der Kritik, sondern die Art der Auftragsvergabe. Das Verteidigungsministerium will künftig auch bei Vorhaben, die sich grundsätzlich für eine ÖPP eigenen, vorher Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vornehmen und auf deren Grundlage Alternativen prüfen.
Software zum dreifachen Preis
Neben dem Ministerium von Franz Josef Jung muss sich auch das Justizministerium Kritik gefallen lassen. So hat man hier offenbar unnötig viel Geld ausgegeben - für Mietverträge für Hard- und Software. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat 1999 den Großteil seiner Computer, Software und IT-Dienstleistungen gemietet. Das so genannte "Rundum-Sorglos-Paket" kostete acht Millionen Euro für drei Jahre. Wären die Computer gekauft und fünf Jahre lang genutzt worden, hätte dies das Ministerium eine Million weniger gekostet. Die über den Vermieter vermittelte Software kostete das Patent- und Markenamt das Dreifache dessen, was beim direkten Bezug über den Hersteller der Programme fällig geworden wäre. Dazu kommt, dass das Amt sich offenbar über den Tisch hat ziehen lassen: Es kaufte die Computer nach Ablauf der Mietverträge zum Restwertpreis und leistete Restwertzahlungen für Dienstleistungen, die über die Mietverträge schon längst abgegolten waren.
Dem Finanzministerium machen derweil jahrelange Verzögerungen bei der Entwicklung eines Programms zur Kontrolle der Schwarzarbeit zu schaffen. Nach Schätzungen des Rechnungshofs hat das Kosten von 5,6 Millionen Euro jährlich zur Folge. Gemäß dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit soll die Finanzkontrolle Schwarzarbeit eine Ermittlungsdatenbank führen. Staatsanwaltschaften, Finanz- und Polizeibehörden sollen auf die Datenbank zugreifen können. Doch das Abrufverfahren ist bislang nicht bundesweit in Betrieb. Behörden der Länder können nicht auf Daten zugreifen, die eigentlich längst in dem System vorliegen.
Die Kritikpunkte des Rechnungshofes legen den Schluss nahe, dass sich mit mehr Zentralisierung und strategischer Planung in der IT auf Bundesebene Millionen sparen ließen. Auf den offiziell noch zu benennenden Bundes-CIO dürfte in dieser Hinsicht einige Arbeit zukommen. Im am meisten gescholtenen Verteidigungsministerium legt man indes Wert auf die Feststellung, dass der Bericht nur einen Ausschnitt aus den laufenden Projekten darstelle und viele Kritikpunkte vor dessen Veröffentlichung auch intern längst bekannt gewesen seien. "Und natürlich sind wir immer an Verbesserung interessiert und arbeiten daran."