Wenn Helmut Krcmar, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Stuttgart-Hohenheim, an Konferenzen teilnimmt, dann zeichnet er an seinem Laptop bunte Bäume. Was für einige verwirrend und vielleicht auch ein wenig kindisch aussieht, hilft ihm, das Gedankenchaos im Kopf zu ordnen.
Die Methode heißt Mindmapping, entwickelt 1974 vom Briten Tony Buzan. Das Vorgehen: Der Nutzer zeichnet eine Landkarte für den Kopf. Ein Oberbegriff steht in der Mitte, dazu kommen Unterüberschriften in Form von Ästen. Jeder dieser Äste verzweigt sich in neue Unterpunkte. Dabei spielen Bilder und Farben eine wichtige Rolle.
Am Ende der Konferenz staunen die Teilnehmer, denn Krcmar hat die Sitzung an seinem Laptop bereits bestens dokumentiert und bietet an, seine Aufzeichnungen als Protokoll elektronisch an alle Teilnehmer zu versenden. Doch nicht nur Professoren bedienen sich des Verfahrens; in kreativen Branchen wie Verlagen und Agenturen ist es schon lange im Einsatz. Jetzt kommen zahlreiche neue Anhänger aus der Wirtschaft hinzu.
"Die Methode beruht auf hirnbiologischen Erkenntnissen; sie strukturiert das eigene Denken so, wie die beiden Gehirnhälften es brauchen - logisch und kreativ zugleich", erläutert Maria Beyer, die seit zehn Jahren als Mindmapping-Trainerin arbeitet. Die linke Hälfte, für Fakten, Zahlen und Sprache zuständig, werde dadurch ebenso angesprochen wie die rechte, die Gefühle, Farben und Bilder verarbeitet.
Von der Methode zur Software
"Ich wurde damals ausgelacht und nicht verstanden", berichtet die Kielerin, die auch ein Buch zum Thema geschrieben hat, über ihre ersten Erfahrungen mit Mindmapping. Mittlerweile habe es sich jedoch herumgesprochen, so Beyer, dass die Anwender dank des Verfahrens selbst komplexe Sachverhalte schnell und eingängig visualisieren können.
Aus der Methode ist inzwischen auch eine Software hervorgegangen, die unter anderem bei Data Becker (Creative Mindmap) und Microsoft (Visio) zu finden ist. Marktführer und einzig ernst zu nehmender Anbieter in dieser Nische bleibt aber das Unternehmen Mindjet aus Alzenau bei Frankfurt am Main. "Wir haben bis zum Sommer rund 250000 Lizenzen unseres Mind Managers verkauft", freut sich der Geschäftsführer, Michael Louis. Der Produzent von Gedankenstrukturierungs-Software beschäftigt heute mehr als 70 Mitarbeiter.
Ralf Obszanski, Head of Contract Services beim IT-Dienstleister Triaton in Essen, arbeitet seit drei Jahren mit dem Programm. "Ich strukturiere so meine Aufgaben, organisiere den Job und definiere Vertragsstrukturen."Wer ihn darauf anspricht, meint einen bezahlten Werbeträger der Firma sprechen zu hören, so begeistert ist er. "Das Ganze ist super. Da es sehr intuitiv zu bedienen ist, braucht es nicht viel Aufwand, um damit zu arbeiten." Obszanski weiter: "Ich kann damit schnell Zusammenhänge erkennen und meine Gedanken neu ordnen." Durch die Art der Darstellung bekomme er leicht einen Überblick über ein Thema in seiner Gesamtheit. Das sei ein Riesenvorteil gegenüber Word oder Powerpoint. Nur einen Wunsch hat er noch: einen zwei Quadratmeter großen Bildschirm am PC, damit sich seine Mindmaps in alle Richtungen ausbreiten können.
CEO Louis freut sich über solche Fans; überrascht ist er nicht: "SAP, IBM und HP, Siemens und Deutsche Bank, Nokia, Boeing - alle Großen setzen das Programm ein." Mit einer Business-Edition will sich die Software-Firma jetzt verstärkt an Führungskräfte, Projektleiter und deren Teams sowie Controller wenden, die Projekte planen und Geschäftsprozesse vereinfachen müssen. Ihre am PC entworfenen Gedankenlandkarten können die Nutzer per Mausklick in ein Word-Dokument, eine Powerpoint-Präsentation oder eine Website verwandeln und sogar als Projektstruktur in Microsoft Project exportieren.
Strukturiertes Denken kein Automatismus
Trainerin Beyer hingegen steht der Software-Version eher kritisch gegenüber. "Sie können doch überall Mindmaps zeichnen: auf kleinen Zetteln, Bierfilzen oder Speisekarten, selbst wenn Sie bei McDonald's sitzen. Dafür brauchen sie keinen Computer, nur einen Stift." Aber sie sagt auch: "Es gibt Menschen, die finden den Zugang eben über die Software."
Die Methode ist indes nicht für jeden brauchbar. Obszanski: "Manche sind intellektuell vielleicht in der Lage, ihre Gedanken schon im Kopf entsprechend klar zu strukturieren." Und auch Beyer warnt davor zu glauben, Mindmapping führe in jedem Fall zu strukturierterem Denken. Bei einigen nütze auch die tollste Methode wenig. Sie ist deshalb überzeugt: "Wenn das Denken kraus ist, dann ist auch die Abbildung kraus."