Analysten-Kolumne

Business Intelligence: Eine Analysemethode für Krankenversicherer

16.08.2006 von Alexander Mahr
Business Intelligence ist ein Top-Thema für Chief Information Officer (CIOs). Das Beispiel Krankenversicherer zeigt, wie Business Intelligence-Systeme zur strategischen und operativen Steuerung von Unternehmen beitragen können.

Business Intelligence ist eine Analysemethode, bei der aus großen Datenmengen Informationen gewonnen werden, die für den Unternehmenserfolg entscheidend sind. Denn die erzielten Erkenntnisse erleichtern operative, taktische oder strategische Entscheidungen zur Umsetzung von Unternehmenszielen. In Zeiten steigender IT-Budgets räumen CIOs Business Intelligence-Systemen 2006 höchste Priorität ein, so das Ergebnis einer internationalen Umfrage des Marktforschungsunternehmens Gartner.

Besonders wichtig ist Business Intelligence, um Unternehmen wie etwa Krankenversicherer in komplexen Geschäftsfeldern zu steuern. Vor allem gilt es, die Leistungsausgaben zu kontrollieren, da sie maßgeblich den Geschäftserfolg der Versicherungen beeinflussen. Nach dem Bericht des Verbandes privater Krankenversicherungen machen sie über 50 Prozent der Gesamtaufwendungen der privaten Krankenversicherer aus.

Die jährliche kumulierte Wachstumsrate der Leistungsausgaben von privaten Krankversicherungen betrug zwischen 1995 und 2004 rund fünf Prozent. Der Markt ist sehr komplex und wird zum Beispiel durch politische Entscheidungen beeinflusst. Die steigenden Leistungsausgaben von Versicherungen hängen u.a. auch von der demografischen Entwicklung und höheren Ausgaben durch den medizinisch-technischen Fortschritt ab.

Bisher sind z.B. ambulante ärztliche Leistungen mit etwa 25 Prozent, Arznei- und Verbandmittel mit rund elf Prozent, Krankenhausleistungen mit etwa 15 Prozent und stationäre Wahlleistung Arzt mit ca. zwölf Prozent die wichtigsten Positionen bei den Leistungsausgaben. Um die steigenden Ausgaben in den Griff zu bekommen, haben einige Krankenversicherer die Hauptkategorien der Leistungsausgaben mit besonderen Maßnahmen belegt.

Beispiele dafür sind:

• Fall-Management bzw. Identifizierung sowie Steuerung von schweren und wiederkehrenden Krankenhausaufenthalten
• Arzneimittel-Management bzw. Einflussnahme auf den Arzneimittelverbrauch
• Hilfsmittel-Management bzw. Steuerung der Wertschöpfungskette von Hilfsmitteln und Verbrauchshilfsmitteln sowie
• Disease-Management-Programme bzw. intensive Betreuung von chronisch Kranken, um Folgeerkrankungen zu vermeiden

Business Intelligence als Instrument der operativen und strategischen Steuerung

Diese Maßnahmen beeinflussen direkt oder indirekt die Leistungsausgaben. Wie aber messen die Krankenversicherer deren Erfolg oder Misserfolg? Und wie unterscheiden sie vom Management beeinflussbare Faktoren von externen Effekten? Genau hier, bei der operativen und strategischen Steuerung eines Krankenversicherers spielen Business Intelligence-Systeme eine wichtige Rolle.

Aus strategischer Sicht ist es für das Management von großer Bedeutung, alle beeinflussbaren Faktoren, besonders die Leistungsausgaben, im Blick zu haben. Es reicht nicht aus, mit einem Tabellenkalkulationsprogramm das eigene Geschäftsergebnis mit den Zahlen der Wettbewerber zu vergleichen und dabei externe Faktoren sowie Sondereffekte zu berücksichtigen. Zudem ist ein Business Intelligence-System wichtig, wenn Krankenversicherer Wertschöpfungsketten aktiv steuern möchten. Das ist zum Beispiel beim Versandhandel von Verbrauchshilfsmitteln oder bei Kooperationen mit anderen Trägern im Gesundheitswesen der Fall. Ein Beispiel ist der Informationsaustausch zwischen den gesetzlichen Krankenkassen durch Business Intelligence-Lösungen.

Um die Leistungsausgaben einer Krankenversicherung steuern zu können, ist Business Intelligence eine bedeutende Anwendung. Dadurch wird deutlich, wie Leistungen verwendet wurden. Business Intelligence hilft, Schwankungen bei den Leistungsausgaben zu analysieren und Gründe dafür zu benennen. Hieraus lassen sich entsprechende Handlungsempfehlungen ableiten. Ob diese dann erfolgreich waren, kann später ebenfalls untersucht werden.

Nur durch kontinuierliche Verbesserung entsteht ein strategisches Steuerungsinstrument

Die Entwicklung eines Business Intelligence-Systems bei einem Krankenversicherer ist sehr langwierig. Ein ausgereiftes Business Intelligence-System zu entwickeln, kann mehrere Jahre dauern, im harten Wettbewerb aber sehr hilfreich sein. Aufgrund der großen Bedeutung von Business Intelligence in informationsverarbeitenden Industrien ist es eine strategische Entscheidung, ob ein solches System eingeführt und dessen Entwicklung mit ausreichend Ressourcen ausgestattet werden soll. Um das Business Intelligence-System letztlich als strategischen Hebel nutzen zu können, gilt es, das System stetig zu verbessern. Das setzt großes Engagement des CIOs und eine starke Verankerung in der Unternehmensorganisation voraus, und zwar in der IT- als auch in den betroffenen Fachabteilungen. Unbedingt notwendig ist eine Kultur experimentellen Lernens.

Zweifellos ändern sich die Anforderungen an das Business Intelligence-System im dynamischen Markt und entsprechend in neuen Situationen ständig. Daher gilt es, stets neue Anforderungen an ein Business Intelligence-Vorhaben zu akzeptieren. Das fordert vom Projektteam und IT-System hohe Flexibilität. Sie beginnt bereits bei der Projektplanung und -kommunikation und kann z.B. durch unterschiedliche Versionen des Business Intelligence-Systems erreicht werden. Ein Prototyp hilft einem häufig noch unerfahrenen Unternehmen relativ schnell, erste Erkenntnisse zu gewinnen und weitere Anforderungen zu formulieren. Spätere Versionen sorgen dann für eine evolutionäre Entwicklung des Business Intelligence-Systems.

Alexander Mahr ist Consultant im Competence Center Infocom bei Roland Berger Strategy Consultants in München.