Alignment war gestern

Business-Manager sehen die IT als Bremsklotz

07.02.2014 von Karin Quack
Alignment ist schön und gut, reicht aber nicht aus, um im Zeitalter des Endkunden den Erfolg des Unternehmens zu sichern. Wenn die IT sich nur als Dienstleister sieht, liebäugeln Fachbereichsleiter und Toplevel-Executives gern mit externen Services.

"Die Mehrheit der Business-Manager hat den Eindruck, dass ihre eigene IT-Abteilung dem Erfolg des Unternehmens im Weg steht." Dabei ist mehr als jeder zweite von ihnen offenbar der Ansicht, dass die Technik heute ein differenzierender Faktor für den Geschäftserfolg ist. Aber: "Technik ist zu wichtig, um sie allein der IT zu überlassen." Und: "Technik mag ein Schlüssel zum Erfolg sein, aber die interne IT ist es nicht." So die Überzeugung vieler Fachbereichsleiter und Unternehmenslenker.

Alastair Behenna, Principal Analyst bei Forrester Research in London.
Foto: Forrester

Diese Aussagen beziehen sich auf die Studie "Was der europäische CEO 2014 von seinem CIO braucht", die das Marktforschungs-und Beratungsunternehmen Forrester Research gerade veröffentlicht hat. Die wiederum ist eine Synthese aus zwei verschiedenen Umfragen unter insgesamt 800 IT- und Business-Managern europäischer Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern.

Das letzte Mal, dass Forrester beiden Gruppen dieselben Fragen gestellt habe, sei Ende 2012 gewesen, räumen die Marktforscher ein. Daraus dürfe man aber nicht schließen, dass die Ergebnisse überholt seien, betont Alastair Behenna, Principal Analyst bei Forrester Research in London: "Wir haben das kontinuierlich in der Praxis überprüft." Der jetzt veröffentlichte Report sei denn auch keine reine Auswertung der Umfrage, sondern fasse unterschiedliche Informationsquellen zusammen.

Die zum Teil wenig schmeichelhaften Aussagen der Business-Manager über die IT gelten also laut Forrester unverändert. Nun sei damit allerdings nicht gemeint, dass sich die IT Innovationen gegenüber verschließe oder sie aktiv behindere, erläutert Behenna. Allerdings reagiere die IT zu langsam auf die Veränderungen des Business.

"Die CIOs sind immer noch mit dem beschäftigt, wofür sie jahrelang gut bezahlt wurden: für die Verlässlichkeit", sinniert der Forrerster-Analyst, der selbst lange als CIO in unterschiedlichen Organisationen gearbeitet hat: "Aber mit diesem Pfund können sie nicht mehr wuchern." Diejenigen, die das noch täten, und das seien eine ganze Menge, würden vom Management als Bremser wahrgenommen. Und in der Konsequenz sehe sich das Business nach kostengünstigen externen Alternativen um.

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Alignment war gestern

Daran ändere sich auch nicht viel, wenn die IT der Forderung nach "Alignment" nachkomme, so Behenna weiter: "Das ist ein Imperativ der Vergangenheit". Alignment bedeute, dem Business zuzuhören und seine Anforderungen in IT umzusetzen. Das sei lange Zeit das ultimative Ziel der Chief Information Officers gewesen - auch sein eigenes. Damit könne man auch durchaus die Kosten verringern, den Umsatz steigern und die Bottom Line anheben.

Aber auf diese Weise komme die IT nicht über den Status des Erfüllungsgehilfen hinaus, gibt der Analyst zu bedenken. Solche Dienstleistungen erledigten externe Provider im Zweifelsfall genauso gut - zu geringeren Kosten überdies. "Das Business hat heute keine Scheu mehr, direkt mit Anbietern zu reden", weiß Behenna, auf dessen Visitenkarte "Serving CIOs" steht. Und von dieser Möglichkeit machten die Business Units auch Gebrauch, sofern der CIO nicht aufpasse: "Frustriert von einer IT, die ihrer Ansicht nach außerstande ist, auf die schnelllebigen Anforderungen zu reagieren, sowie angelockt durch den unmittelbaren und einfachen Zugriff auf marktgängige 'disruptive' Werkzeuge , treffen die Fachbereiche ihre eigenen externen Vorkehrungen."

Jeder ist ein Kunde

Was kann der CIO tun? "Im Zeitalter des Kunden werden die europäischen Unternehmen sich selbst neu erfinden, so dass sie in der Lage sind, die immer mächtiger werdenden Kunden systematisch zu verstehen und zufrieden zu stellen" holt Behenna aus: "IT-Chefs, die diesem Anspruch gerecht werden und vor dem neuen Zeitalter bestehen wollen, müssen sowohl ihre Einstellung als auch ihre Fertigkeiten auf diese radikalste Umwälzung in der kurzen Geschichte der IT ausrichten."

Nicht nur das Geschäft draußen verändere sich disruptiv, sondern auch die interne Kundschaft, ergänzt der Forrester-Analyst. Sie wollen schnelle, einfache, nutzerfreundliche Systeme, die sie an das erinnerten, was sie auch privat nutzten. Der Unterschied zwischen Anwendern und Kunden sei dabei marginal. Der CIO müsse verstehen, dass heute "jeder ein Kunde" sei, der Mitarbeiter oder Anwender und der Endkunde.

Wie in der Studie ausgewiesen, empfinden 60 Prozent der Business-Manager in der EU den Endanwender-Support der IT für das Gesamtunternehmen als "unzureichend". Sogar die Kernservices lassen ihrer Ansicht nach zu wünschen übrig - einschließlich der Anwendungsunterstützung für Backoffice-Applikationen und -Prozesse. Und das ist eigentlich das Mindeste.

Auf der technischen Seite sind anpassungsfähige und reaktionsschnelle Infrastrukturen schon einmal ein großer Schritt in die richtige Richtung. Erschreckende 70 Prozent der Entscheidungsträger in den Fachbereichen äußerten jedoch die Ansicht, die IT-Strukturen in ihrem Unternehmen eigneten sich nicht, um Veränderungen in der Geschäftsstrategie flexible abzubilden.

Externe stoßen in die Lücke

Wenn der CIO als Partner des Business akzeptiert werden will, reicht es allerdings nicht aus, solche Mindestanforderungen zu erfüllen. Er muss "wirklich ein Teil des Geschäftserfolgs und der Geschäftsprozesse werden", so Behenna. Denn genau das können etwaige externe Konkurrenten nicht.

Dazu gehört, das Geschäft nicht nur zu verstehen, sondern Entwicklungen zu antizipieren. In der Forrester-Diktion: "IT muss die Business-Anforderung in das Erreichen von Geschäftszielen übersetzen." Der Studie zufolge vermissen 69 Prozent der Fachbereichsverantwortlichen "Services mit einem klar definierten Business-Fokus". Hier machen die externen Provider meist einen besseren Job: Sie reden mit Business-Managern über das Business, nicht über die Technik.

Die IT sollte ihr Image grundlegend verändern, fordert Behenna. Sie dürfe nicht mehr die Polizei oder den Türsteher der Unternehmenstechnik spielen, sondern müsse sich als Teamplayer präsentieren. Und sie sollte dringend neue Fähigkeiten entwickeln, beispielsweise die zur Kommunikation - angefangen vom Informationsaustausch mit den Fachbereichen bis hin zum Selbst-Marketing.

Die IT-Kompetenz wandert aus

Auf diese Weise lasse sich auch das Problem der "Schatten-IT" besser in den Griff bekommen, verspricht Behenna. Wie das konkret aussehen soll? Eine Checkliste kann Forrester nicht vorweisen. Dazu sind die Unternehmen wohl auch zu verschieden. Eines haben sie jedoch gemeinsam: Immer häufiger wandern IT-Kompetenzen und -Budgets in die Business-Bereiche.

In jedem dritten der in die Studie einbezogenen Unternehmen sind die Fachbereiche schon weit in den bisherigen Zuständigkeitsbereich der IT eingedrungen. Wie die Business-Verantwortlichen angeben, werden Technik- und Serviceinitiativen oder -projekte heute eher von den Fachbereichen als von der IT getragen. Und ein Fünftel sagt, dass die IT-Budgets teilweise schon in den Business Units, also nicht in der Unternehmens-IT verwaltet würden.

Business-Manager sehen die IT als Bremsklotz
Foto: luna/Fotolia

Laut Forrester definieren die Linien-Manager auch eigene Technikstrategien. 43 Prozent reklamieren für sich, die Aggregation von Technikanforderungen zumindest teilweise zu verantworten. Und wenn die IT für die Umsetzung zu lange brauche, spannten sie kurzerhand Externe ein.

Der CIO als Broker

Deshalb sollte der CIO den engen Kontakt mit den Fachbereichen suchen. Forrester empfiehlt den IT-Chefs, Verantwortungen und Weisungsbefugnisse zu "syndizieren". Konkret heißt das: Entscheidungen mit Business gemeinsam zu treffen, Budgets kooperativ zu verwalten, ja sogar das Personal mit ihnen zu teilen. Ein Drittel der Business-Verantwortlichen beschäftigen schon eigene IT-Leute in ihren Fachbereichen.

Der CIO sollte auf den Exodus des Technikwissens also nicht mit Wehklagen reagieren, sondern seine Rolle neu definieren: Er werde zum Broker von Anforderungen, Services und Budgets, prognostiziert Behenna. Dass er den Laden am Laufen halte, sei nicht mehr der Rede wert. Auch wenn die vielzitierte Delivery ebenfalls eine Grundvoraussetzung dafür sei, dass die IT das Vertrauen des Business zurückgewinne.

Bis der beschriebene Wandel vollzogen ist, fließt sicher noch viel Wasser die Themse hinunter: Nach den Erfahrungen des Forrester-Analysten sind bislang erst zehn Prozent der CIOs soweit. Die anderen hätten möglicherweise eingesehen, dass sie sich ändern müssten, aber sie seien immer noch in Tools und Systemen gefangen. Und damit entsprechen sie dem Bild, das nach den Ergebnissen der Studie auch das Topmanagement und die Fachbereichskollegen von ihnen haben.

Big Data: Neue Berufsbilder -
Big Data: Neue Berufsbilder
In den teilweise euphorischen Einschätzungen von Markforschern und IT-Unternehmen ist immer wieder die Rede von neuen Berufsbildern, die Big Data mit sich bringen soll. Dazu zählen unter anderem folgende Tätigkeiten:
Data Scientist
Er legt fest, welche Analyseformen sich am besten dazu eignen, um die gewünschten Erkenntnisse zu erzielen und welche Rohdaten dafür erforderlich sind. Solche Fachleute benötigen solide Kenntnisse in Bereichen wie Statistik und Mathematik. Hinzu kommen Fachkenntnisse über die Branche, in der ein Unternehmen beziehungsweise tätig ist und über IT-Technologien wie Datenbanken, Netzwerktechniken, Programmierung und Business Intelligence-Applikationen. Ebenso gefordert sind Verhandlungsgeschick und emotionale Kompetenz, wenn es um die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen geht.
Data Artist oder Data Visualizer
Sie sind die "Künstler" unter den Big-Data-Experten. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Auswertungen so zu präsentieren, dass sie für Business-Verantwortliche verständlich sind. Die Fachleute setzen zu diesem Zweck Daten in Grafiken und Diagramme um.
Data Architect
Sie erstellen Datenmodelle und legen fest, wann welche Analyse-Tools Verwendung finden und welche Datenquellen genutzt werden sollen. Auch sie benötigen ein umfassendes Know-how auf Gebieten wie Datenbanken, Datenanalyse und Business Intelligence.
Daten-Ingenieur
Diese Aufgabe ist stark auf die IT-Infrastruktur ausgerichtet. Der Dateningenieur ist das Big-Data-Analysesystem zuständig, also die Hard- und Software sowie Netzwerkkomponenten, die für das Sammeln und Auswerten von Daten benötigt werden. Eine vergleichbare Funktion haben System- und Netzwerkverwalter im IT-Bereich.
Information Broker
Er kann mehrere Rollen spielen, etwa die eines Datenhändlers, der Kunden Informationen zur Verfügung stellt, oder die eines Inhouse-Experten, der Datenbestände von unterschiedlichen Quellen innerhalb und außerhalb des Unternehmens beschafft. Außerdem soll er Ideen entwickeln, wie sich diese Daten nutzbringend verwenden lassen.
Data Change Agents
Diese Fachleute haben eine eher "politische" Funktion. Sie sollen bestehende Prozesse im Unternehmen analysieren und anpassen, sodass sie mit Big-Data-Initiativen kompatibel sind. Nur dann lässt sich aus solchen Projekten der größtmögliche Nutzen ziehen. Wichtig sind daher ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten, Verständnis für Unternehmensprozesse sowie Kenntnisse im Bereich Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement (Six Sigma, ISO 9000).

Big Data als Vorreiter

Neue Berufsbilder wie der Data Scientist reflektieren heute schon den Wandel: Dabei geht es ja nicht wirklich um Wissenschaft und Daten, sondern um das Wissen, welche Daten wofür und wie gebraucht werden können. Das hat viel mehr mit Business als mit IT zu tun.

Big Data sei übrigens das einzige technische Thema, für das das Business-Management explizit Interesse zeige, so hat die Forrester-Studie ermittelt. Offenbar hat sich herumgesprochen, dass hier ein Werkzeugkasten existiert, mit dem sich Entscheidungen beschleunigen und qualitativ verbessern lassen.