Die schier endlose Warteschleife nervt, der ungebetene Anrufer sowieso. Call-Center werden vom Kunden gemeinhin als lästig empfunden. Hinzu kommen immer wieder Berichte über betrügerische Telefon-Abzocke oder Dumping-Löhne. "Das Image ist schlecht", räumt Jens Fuderholz vom Callcenter-Verband Deutschland (CCV) unumwunden ein. Für Industrie und Handel sind solche Telefon- und andere Telekommunikationsdienste hingegen äußerst nützlich. Und Finanzinvestoren hatten die Branche in der Vergangenheit gar als lohnendes Feld entdeckt. Seit einigen Jahren wächst die einst expandierende Branche jedoch nur noch in kleinen Schritten.
Ausgerechnet der Branchen-Zweite mit seinen 6000 Mitarbeitern allein in Deutschland und einem Umsatz von 173 Millionen Euro kämpft jetzt gegen die Insolvenz: Walter Services aus Ettlingen bei Karlsruhe hat sich diese Woche in ein Schutzschirmverfahren gerettet - einer noch recht jungen Variante im Insolvenzrecht, mit der man sich vor dem Zugriff der Gläubiger schützen kann, ohne die Geschäfte einem Insolvenzverwalter zu überlassen.
Markiert der Fall den Anfang vom Ende einer einst blühenden Branche? Immerhin ist Walter Services kein Einzelfall. Vor gut einem halben Jahr hatte schon die nordrhein-westfälische Tectum-Gruppe einen Schutzschirm beantragt. Deren Sanierungsgeschäftsführer ahnte schon damals, dass es "wohl noch einige" Sanierungsfälle dieser Art geben könnte.
Beim Branchenverband CCV will man sich nicht zu einzelnen Unternehmen äußern. Angesichts eines Anstiegs der Beschäftigten bei Call-Center-Betreibern von 95 000 auf über 100 000 Menschen in den vergangenen zwei Jahren "kann von einer positiven Branchenentwicklung ausgegangen werden", sagt Verbandssprecher Fuderholz.
Rechnet man noch die unternehmenseigenen Call-Center großer Unternehmen hinzu, arbeiten in bundesweit 6900 Call-Centern sogar mehr als eine halbe Million Menschen. Mit einem jährlichen Zuwachs von 1,3 Prozent hat sich das Wachstum in den vergangenen drei Jahren "deutlich verlangsamt, ist aber stabil", so der Branchenverband. Bei einer Befragung von 200 Unternehmen gaben sich die meisten Call-Center hinsichtlich ihrer Zukunftsaussichten "leicht optimistisch".
Doch ob der zu verteilende Kuchen größer wird, wird demnach unterschiedlich beurteilt. Diejenigen, die ein rückläufiges "Anruf-Volumen" erwarten, haben schon die Schuldigen ausgemacht: "Social Media wird neben anderen Nicht-Telefon-Kanälen dafür sorgen, dass die Zahl der Telefonkontakte sinken wird." Davon waren bei der CCV-Befragung 74 Prozent der Unternehmen, die ein rückläufiges Geschäft erwarten, überzeugt.
Doch auch ohnedies steht die Branche unter Kostendruck. Es tummeln sich einfach zu viele Anbieter auf dem Markt. Die Folge: "Die Auftraggeber wirken stark auf die Preise ein", sagt CCV-Sprecher Fuderholz. Nach einem Ranking der Fachzeitschrift "CallCenterProfi" haben die Top Ten der Branche 2011 mit einem Gesamtumsatz von 1,76 Milliarden Euro an die 100 Millionen Euro Einbußen im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen müssen - auch wenn Branchenprimus Arvato demnach mit einem Umsatz von über 750 Millionen Euro noch um knapp 54 Millionen Euro zulegt hat.
Nicht zuletzt wegen erwarteter starker Einbußen bei Großkunden im Telefongeschäft hat Walter Services die Notbremse gezogen. "Es gibt insgesamt weniger Bedarf an externem Service", bestätigt ein Sprecher der Telekom, die neben den eigenen auch externe Call-Center einsetzt. Automatisierungsprozesse, aber auch "zufriedene Kunden" sind schlecht für's Call-Center-Geschäft.
Walter Services hat jetzt drei Monate Zeit, mit dem Insolvenzexperten Arndt Geiwitz ein Überlebenskonzept vorzulegen. "Im besten Fall ist das Unternehmen saniert und das Verfahren kann einfach abgeschlossen werden", sagt der Karlsruher Amtsgerichtspräsident Jörg Müller. Ansonsten wird das Insolvenzverfahren eröffnet.
Walter Services ist übrigens längst selbst auf den Social-Media-Zug aufgesprungen und sieht darin Chancen: "Schließlich kann auch Facebook nicht automatisch antworten", sagt ein Sprecher. (dpa/rs)