Autohersteller

Carsharing nur zu Marketing-Zwecken

28.08.2014
Carsharing boomt. Und gerade junge Leute verzichten immer häufiger auf ein neues Auto. Doch ob dies den Milliardenmarkt für Neuwagen einmal auf den Kopf stellt, ist fraglich.

Das eigene Auto war lange ein wichtiges Statussymbol. Doch es scheint, als verliert der Deutschen liebstes Kind allmählich seine Anziehungskraft. Verstopfte Städte, Staus auf den Autobahnen, zu wenig Parkplätze, hohe Kosten. Gerade für junge Menschen werden Autos zumindest weniger wichtig. Viele Städter teilen sich inzwischen das Auto, die Zahl der Carsharing Kunden wächst und wächst. Das sei eine "Explosion", mit der niemand gerechnet hätte, freute sich Sixt-Chef Erich Sixt jüngst. Der Autovermieter hat sich 2011 mit BMW zusammengetan. Für Hersteller ist das Geschäftsmodell interessant.

Allein im letzten halben Jahr sind knapp 100 000 neue Nutzer bei "Drive Now" hinzugekommen. Auch Daimler oder VW setzen auf ähnliche Modelle, dazu kommen Angebote wie etwa Flinkster von der Deutschen Bahn und etliche seit Jahren etablierte Anbieter. 150 zählt die Unternehmensberatung Progenium inzwischen in Deutschland. Zusammen kommen die Firmen laut einer Studie der Berater auf 100 Millionen Euro Umsatz. Verglichen mit dem Automarkt verliert diese Zahl aber an Glanz: 2013 gaben Autokäufer in Deutschland fast 80 Milliarden Euro für Neu- und 67 Milliarden Euro für Gebrauchtwagen aus.

Carsharing dürfte noch länger ein Nischenprodukt bleiben, das ändert aber nichts an der Attraktivität für die Hersteller - denn die Zielgruppe ist genau die, von der Marktforscher glauben, dass sie beim Kauf eines Autos am ehesten zögern. Das liegt auch an einem Wertewandel. "Zum Einen entsteht eine neue Konsumkultur: Immer mehr Verbraucher wollen ein Produkt oft nicht mehr besitzen, sondern nur noch nutzen und mit anderen teilen", heißt es in einer Marktstudie der Beratungsfirma Roland Berger. Über das Carsharing können die Autobauer ihr Produkt allerdings perfekt präsentieren.

"Der Gedanke bei den Firmen war nie, dass sie damit Geld verdienen möchten", meint Progenium-Experte Sebastian Hartmann, der die Studie betreut hat. "Das Thema wird aber gerade von den klassischen Autoherstellern zu Marketingzwecken genutzt", meint er. Die Autos sind auf der Straße unterwegs und machen dort zusätzlich Werbung. Hartmann sieht Carsharing eher als Ergänzung der bisherigen Mobilität.

"Carsharing wird keine Konkurrenz für das traditionelle Autogeschäft werden", meint Hartmann. Die Autobauer könnten damit aber einen zusätzlich Markt gewinnen. "Mit Carsharing wird eine Zielgruppe angesprochen, die in ihrer momentanen Situation sowieso keinen Neuwagen kaufen würden. Also junge Menschen in Großstädten, die auf Nachhaltigkeit setzen." Die großen Autofirmen wollen den Markt auch deshalb nicht aus der Hand geben, weil sie hoffen, dass sich genau diese Menschen irgendwann doch ein Auto kaufen.

Langfristig hat Wolfgang Schade vom Fraunhofer Institut jedoch seine Zweifel daran. Die Gesellschaft sei im Wandel. Wie sich die heute junge Generation entwickelt, und ob sie tatsächlich irgendwann in ein Auto investieren, weiß niemand. "2030 bis 2040 kann ich mir gut vorstellen, dass das eigene Auto zum Auslaufmodell wird", meint Schade. Auch deswegen reagieren die Hersteller, die sich über kurz oder lang als Mobilitätsdienstleister präsentieren wollen. Den Markt wollen sie dabei gar nicht erst anderen überlassen.

Denn das mobile Internet hilft den Anbietern. Wer ein Auto nutzen möchte, sucht einfach auf dem Smartphone, wo der nächste Wagen bereit steht. Und wer mit dem eigenen Auto bis an den Stadtrand einer Großstadt fährt, kann sich vom Navigationsgerät den Bahnanschluss oder den nächsten freien Carsharing-Wagen anzeigen lassen.

Angst, dass sich die Firmen mit ihrem Angebot auf Dauer selbst die Kundschaft klauen, müssen sie laut den Studienmachern nicht haben. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Autokäufe wieder leicht an. Außerdem sei Teilen statt Besitzen in vielen Lebensbereichen heute Mode. "Beim Auto heißt die Formel der Zukunft gesamtgesellschaftlich gesehen aber nutzen und besitzen", heißt es in der Studie. (dpa/rs)