Das Outsourcing-Business gilt als Sorgenkind von T-Systems. Während die Medien über eine Abspaltung als "Bad Bank" spekulieren, gibt es neue Millionen-Deals etwa mit der Sparda Bank. Wie sieht Ihre Strategie für das klassische IT-Outsourcing-Business aus?
Al-Saleh: Nun, ich würde dieses Business nicht als Bad Bank bezeichnen. Dass der Geschäftsbereich seine Herausforderungen hat, steht außer Frage. Eine Herausforderung ist, dass wir viel traditionelle IT-Managed-Services oder IT-Outsourcing im Programm haben - sprich klassisches Hosting. Was wir aber brauchen, sind mehr Multi-Tenant-Lösungen wie dynamische Cloud-Plattformen oder Private Clouds. Das sind Wachstumsfelder, die gleichzeitig den Druck auf unser Business insgesamt erhöhen, da die Erosion im klassischen IT-Outsourcing größer ist als das Wachstum in den neuen Bereichen.
Der Sparda-Deal enthält einige Legacy-Bestandteile, aber er beinhaltet noch mehr Komponenten, die die Transformation der Sparda-Infrastruktur in eine Cloud-Welt umfassen. Und das ist für uns interessant als Wachstumsfeld.
Erfolgreiche Transformationen beim Kunden haben Schattenseiten
Das Outsourcing-Business ist sicher nicht die einzige Herausforderung?
Al-Saleh: Nein, die zweite Herausforderung ist, dass wir vier bis fünf namhafte Großkonzerne zu unseren Kunden zählen, mit denen wir jeweils Jahresumsätze in dreistelliger Millionenhöhe erzielen. Dafür können wir uns glücklich schätzen, zumal wir diesen Anwendern bei der Transformation ihrer IT zu neuen Computing-Modellen mit einer Multi-Tenant-Infrastruktur helfen. Diese optimierten Umgebungen reduzieren die IT-Kosten und damit die Ausgaben der Konzerne. Das wiederum senkt aber auch unser Umsatz mit diesen Unternehmen. Auf der anderen Seite gibt es uns die Chance, diesen Kunden die neuen Services zu offerieren - und genau das ist Teil unserer künftigen Portfolio-Strategie.
Ganz offen, ich sehe noch eine dritte Herausforderung: In den letzten zwei bis drei Jahren gerieten wir mit einigen wirklich großen Verträgen in Schwierigkeiten. Zwar ist es normal für einen Anbieter von Managed-Services-Infrastruktur komplizierte Verträge einzugehen, doch einige Herausforderungen waren zu groß. Wir haben die Gründe analysiert. Heute bin ich überzeugt, dass wir das managen können - und zwar deutlich effizienter als in der Vergangenheit.
Das sind die drei Herausforderungen im Outsourcing-Business. Ich glaube, sie sind adressierbar und lösbar. Deshalb betrachte ich diesen Bereich nicht als Bad Bank. Allerdings muss dieses Geschäft anders gemanagt werden und fokussierter arbeiten.
Wie wollen sie diese Herausforderungen bewältigen?
Al-Saleh: Wir adressieren das mit einem verbesserten Risiko-Management. Und wir beziehen unsere Architektur- und Solution-Designer früher in die Projekte ein - lange bevor wir dem Kunden signalisieren, dass wir sein Vorhaben übernehmen. Das scheint zu funktionieren, unser heutiges Risikoprofil ist managebar und in diesem Jahr ergaben sich bereits einige große Projektmöglichkeiten. Diesen Weg müssen wir weitergehen.
Die Cloud-Strategie
Sie erwähnten, dass sie Ihren Kunden bei der Migration zu Cloud-basierten Umgebungen helfen. Auf dem europäischen Markt machen AWS, Google und Microsoft Azure das Rennen. Wie wollen Sie gegen diese drei Konkurrenten punkten?
Al-Saleh: Zuerst: Wo stehen wir im Wettbewerb mit diesen dreien? Glauben Sie es oder nicht, wir haben eine sehr starke Partnerschaft mit Microsoft. Wir sehen sie weniger als Konkurrenten und mehr als Partner in unserem Lösungsportfolio. Microsoft ist ein wichtiger Teil der Lösungen, die wir vermarkten. Wenn Sie unsere neu gewonnenen Kundenprojekte wie etwa Sparda Bank betrachten, dann sehen Sie, dass diese mehr und mehr Public-Cloud-Komponenten etwa von Azure beinhalten. Deshalb stehen wir nicht wirklich in Konkurrenz. Anders sieht es aus, wenn es nur um Software oder Infrastructure as a Service geht und der Kunde eine Private Cloud wünscht. Also hängt unser Verhältnis auch von der Projektsituation beim Kunden ab.
Letztlich können wir sehr gut mit den großen Playern mithalten. Gartner vergleicht uns in Sachen Managed Services für IT-Infrastructure mit Accenture, IBM und Atos. Wir zählen zu den größten SAP-Hostern in Europa. Beim Thema Security sind wir der größte Anbieter in Deutschland. Und es gibt genügend andere Bereiche, in denen wir wachsen. Denken Sie nur an IoT oder die Digital Solutions, zu denen rund 4000 Berater zählen. Wir skalieren in vielen Bereichen. Und dann sind da noch wichtige Partner wie Microsoft oder SAP.
Sie betonen Partnerschaften und erwähnen Microsoft. Wie sieht ihre Strategie in Sachen OpenStack aus? Lassen Sie die Plattform fallen und setzen nur noch auf Microsoft Azure?
Al-Saleh: In unserer Portfolio-Unit "Public Cloud" haben wir zwei Angebote auf Makro-Ebene. Da ist die Open Telekom Cloud. Sie basiert auf OpenStack, als Infrastructure as a Service (IaaS) beziehungsweise Platform as a Service (PaaS). Ein anderer Teil sind die sich schnell entwickelnden Managed Cloud Services. Hier haben wir Consulting-Kapazitäten sowie Experten, die den Anwendern dabei helfen, die Microsoft-, die AWS- oder die Google-Cloud zu managen und die Effizienz zu verbessern. Ferner helfen wir Kunden dabei, fehlende Quality-of-Service-Metriken zu implementieren.
Rolle der Open Telekom Cloud
Welche Rolle spielt dann die Open Telekom Cloud?
Al-Saleh: Ich sehe die Open Telekom Cloud nicht als direkten Konkurrenten zu Azure. Sie richtet sich an Anwender, die große Bedenken haben, ihre Daten fremden Unternehmen außerhalb der EU anzuvertrauen. Zudem wartet die Open Telekom Cloud mit einer garantierten Sicherheit und Data Privacy auf. Hierfür gibt es in Europa eine recht große Kundenbasis. Dieser bieten wir eine Alternative, so dass sie nicht in eine reine Public-Cloud-Umgebung migrieren muss. Denn dort erhalten diese Kunden keine klare Auskunft, wo die Daten wirklich gespeichert werden und wo es keinen klaren Schutz vor dem Zugriff fremder Regierungen auf ihre Daten gibt.
Das ist ein sehr spezielles Marktsegment, und es wächst sehr schnell. Auf der Open Telekom Cloud haben wir mittlerweile mehr als 1000 solcher Kunden. Einige sind kleinere Mittelständler, andere sind größere Kunden wie die Europäische Atombehörde. Etliche Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe haben alle ihre PLM- und CAD/CAM-Plätze in die Open Telekom Cloud ausgelagert.
Dann gibt es viele Banken, die die Open Telekom Cloud nutzen, weil sie sicherstellen wollen, dass ihre Daten in Deutschland bleiben. Wie gesagt, das ist ein sehr spezielles Segment und der Markt ist nicht so groß wie der, den Microsoft, AWS und Google adressieren. Aber es ist ein Markt, der wächst und wir sehen hier noch viel Potenzial.
Und wie steht es um Angebote wie die Microsoft Trusted Cloud?
Al-Saleh: Wir vermarkten immer noch das Microsoft Treuhandmodell. Es gehört zu unserem Angebot und ist für Kunden konzipiert, die einen Azure-Stack oder eine Office-365-Umgebung in einer deutschen Cloud-Umgebung wünschen. Der Microsoft-Stack offeriert nicht alles, was die Anwender erwarten. Die Europäische Atombehörde beispielsweise wollte mehr als nur einen Microsoft Application Stack und fühlte sich deshalb in einem anderen Stack deutlich wohler. Beide Stacks sind dennoch ähnlich, wenn es darum geht, wie wir die Infrastruktur- und die Security-Services etc. managen.
Damit hat der Anwender mehrere Optionen. Er kann voll in die Cloud migrieren und seine Daten in der Public Cloud speichern. Das tun ja viele Unternehmen rund um den Globus, egal ob mit Microsoft, AWS oder Google. Diese Firmen haben für sich den Entschluss gefasst, dass sie mit den Risiken in Sachen Datenschutz und Datenzugriff leben können. Andere wiederum wollen den Microsoft Stack inklusive Office 365 in einer deutschen, dedizierten Cloud-Umgebung. Und diese Option offerieren wir den Kunden - als einziger Anbieter.
Die SAP-Aktivitäten der T-Systems
Apropos Lösungen, zu Ihrer Strategie gehört, dass Sie alle SAP-Aktivitäten bündeln. Welchen Stellenwert hat SAP künftig?
Al-Saleh: SAP spielt auch künftig eine große Rolle, das ist eine der Portfolio-Einheiten, die wir als Wachstumsträger betrachten. Deshalb haben wir die Teams zusammengeführt, die den Application Layer, die Implementierung und das Upgrades von SAP managen, die Transformation zu HANA begleiten, das neue SAP-Portfolio bearbeiten sowie das SAP-Infrastruktur-Team.
Es war uns wichtig, diese Teams zu integrieren und gleichzeitig die Partnerschaft mit SAP auszubauen, um deren Migrationsstrategie hin zu HANA sowie zur Nutzung der HANA-Umgebung zu unterstützen. Für die SAP-Einheit peilen wir ein Wachstum von jährlich drei bis fünf Prozent an. Wir sind einer der größten SAP-Player in Europa.
Drei bis fünf Prozent Wachstum im SAP-Business. Wie schnell sollen die anderen von Ihnen definierten Zukunftsfelder wachsen?
Wo T-Systems wachsen will
Al-Saleh: Ein Geschäftsfeld mit Wachstumspotenzial ist unser Classified Business - also das Geschäft mit der Bundesregierung sowie weiteren nationalen, aber auch einigen EU-Behörden. Das ist ein Business, das sehr stark von unseren Telekommunikationsaktivtäten geprägt ist. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier auch im IT-Bereich wachsen können. Hier peilen wir Zuwachsraten von zwei bis vier Prozent an. Das halte ich für realistisch, denn Regierungen und Behörden stehen ebenfalls vor der Digitalisierung und müssen deshalb in ihre Netze und IT-Systeme investieren.
Im IoT-Umfeld erwarte ich Steigerungsraten von 20 bis 30 Prozent - weil wir neu in diesem Geschäft sind und es gerade aufbauen. Ich glaube, dass wir diese Zahlen in den nächsten Jahren halten, bis wir eine signifikante Größe im IoT-Umfeld erreicht haben. Dann werden sich die Steigerungsraten im hohen einstelligen Prozentbereich einpendeln. Warum ich so zuversichtlich bin? Wir haben eine exzellente IoT-Plattform aufgebaut, kombiniert mit moderner Konnektivität. Wir mischen bei der Digitalisierung der Fabriken, sprich Industrie 4.0, ganz vorne mit.
Für den Sicherheitsbereich kalkuliere ich mit vier bis fünf Prozent. Hierzulande sind wir bereits der größte Anbieter,- unsere Ambition reicht jedoch weiter: Wir wollen der größte Security-Player in Europa werden. Wenn meine Strategie greift, ist dieses Ziel in meinen Augen erreichbar.
Unser Maut-Geschäft hängt direkt von einigen wichtigen Entscheidungen ab, die in Berlin und auf EU-Ebene fallen. Normalerweise wartet dieser Geschäftsbereich nur mit Wachstumszahlen im unteren einstelligen Bereich auf. Doch wenn Deutschland in den nächsten vier bis fünf Jahren ein Mautsystem für private PKWs einführt und die EU ihre Maut-Projekte erweitert, dann rechnen wir mit einem Wachstum im mittleren einstelligen Bereich.
Wachstumsstar Public Cloud
Im Segment Digital Solutions wäre ein Wachstum von sieben bis zehn Prozent realisierbar, wenn wir nicht ein Ressourcenproblem hätten. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es nicht genügend Fachkräfte, die über Digitalisierungs-Know-how verfügen, um den Kunden bei ihren Transformationsprojekten zu helfen.
Wachstumsstar ist momentan unser Public Cloud Business mit rund 30 Prozent. Mittelfristig rechne ich mit 20 bis 30 Prozent. Ich erinnere nochmals an die Open Telekom Cloud mit über 1000 Kunden und jede Woche kommen etwa 15 neue dazu. Zudem skaliert das Business rund um unsere Managed Cloud Services und erhält viel Aufmerksamkeit.
Und schließlich unser SAP-Geschäft, das ich bereits angesprochen habe. Das sind meine Erwartungen hinsichtlich der verschiedenen Portfolios, die wir als Wachstumsfelder identifiziert haben.
Und was steuern Sie unter dem Strich zur Konzernbilanz der Deutschen Telekom bei?
Al-Saleh: Bitte bedenken Sie, wir stecken noch am Anfang der Transformation. So befinden sich einige der Portfoliofelder in einer frühen Phase des Designs. Wir sind noch dabei, diese Strategien zu finalisieren, und verhandeln mit den Betriebsräten, damit wir auch formell diese Bereiche etablieren können. Derzeit läuft das alles eher im Projektstadium. Deshalb wäre es unfair, den Erfolg des Programms schon jetzt an unseren Halbjahreszahlen zu messen, die das Ergebnis der Vergangenheit widerspiegeln.
Generell kann ich sagen, dass wir als T-Systems im nächsten Jahr im Vergleich zu heute irgendwo zwischen minus zwei Prozent und plus ein Prozent liegen wollen. Für die zweite Hälfte 2019 und 2020 erwarten wir ein Wachstum zwischen ein und drei Prozent. Dann wollen wir die Aufbauphase einiger der genannten Wachstumsbereiche bewältigt haben. Gleichzeitig dürfte sich bis dahin der Gegenwind aus unserem klassischen IT-Business abgeschwächt haben.
Wir wollen ein stabiles Gesamtpaket sehen, das in Summe zwischen null und zwei Prozent wächst. In späteren Jahren werden wir dann kräftiger wachsen, wenn der Anteil der Wachstumsfelder am Business wächst.
Neue Business-Unit Digital Solutions
Sie nannten vorher Digital Solutions als Wachstumsfeld. Was verstehen Sie darunter?
Al-Saleh: Im Bereich Digital Solutions entwickeln wir beispielsweise Lösungen für Probleme, bei denen die Kunden der Schuh drückt. Ein Beispiel ist etwa ein Beratungsgeschäft, um Unternehmen in der Transformation vom bisherigen Modus Operandi der Unternehmensführung hin zur Digitalisierung zu unterstützen. Mit Detecon haben wir eine Tochter, die einen Teil dieser Arbeit ausführt. Dabei geht es um die Digitalisierung der Prozesse. Unsere Experten helfen den Kunden dabei, neue Tools, neue Technologien wie AI, Robotic Process Automation etc. zu installieren, kurz, ihre Prozesse zu digitalisieren.
Mit Bezug auf die Digitalisierung sprachen Sie davon, dass auf dem Arbeitsmarkt die Experten fehlen, die Sie suchen. Gleichzeitig ist zu lesen, dass bei T-Systems 10.000 Stellen gestrichen werden sollen. Warum schulen Sie diese Mitarbeiter nicht um?
Einschnitte beim Personal
Al-Saleh: Wir schauen immer zuerst, ob wir unsere Mitarbeiter nicht an anderer Stelle einsetzen können. Und wir investieren stark in das Thema Weiterbildung. Über unseren internen Social Media Blog fordern wir die Mitarbeiter auf, sich auf die offenen Stellen, die wir bei IoT, Security oder Public Cloud haben, zu bewerben. Damit fangen wir immer an.
Allerdings stehen wir vor der Herausforderung, dass wir im Unternehmen einen großen Overhead haben - etwa im Management und in Dienstleistungsbereichen wie Finanz und Personal. Viele dieser Mitarbeiter haben leider nicht das erforderliche Wissen für die Stellen, über die wir reden. Viele von ihnen verstehen IT-Systeme nicht, können nicht programmieren und wurden nie dafür trainiert, ein solches System zu betreuen.
Etwa ein Drittel der Mitarbeiter, die gehen müssen, werden aus diesen Bereichen stammen. Zudem gibt es Beschäftigte, die sich nicht ändern wollen. Sie fühlen sich in den Bereichen wohl, in denen sie 20 bis 25 Jahre verbracht haben. Das ist in Ordnung, für diese Mitarbeiter versuchen wir, Möglichkeiten außerhalb von T-Systems zu finden.
Letztlich brauchen wir nicht die Menge an Mitarbeitern, die wir zurzeit beschäftigen. Ja, es gibt interne Möglichkeiten, ja wir investieren - aber es wird Stellenstreichungen geben, denn wir haben Bereiche, aus denen wird kein Wachstumsfeld. Aber diese Mitarbeiter und ihr Know-how können durchaus für andere Unternehmen wertvoll sein.
Von über 200 zu 25 Standorten
Parallel zu den Spekulationen über Entlassungen heißt es, dass Sie die Zahl der Niederlassungen in Deutschland auf 20 zusammenstreichen wollen? Kundenähe war doch immer ein Trumpf von T-Systems?
Al-Saleh: Heute arbeiten 90 Prozent unserer Mitarbeiter an 22 Standorten, aber insgesamt haben wir rund 230 Bürostandorte in über 100 Städten. Das ist nicht effizient. Blicken Sie auf die Wettbewerber, niemand unterhält mehr als fünf bis zehn Niederlassungen hierzulande. Wir werden auch mit der neuen Struktur nahe am Kunden sein.
Wir organisieren Kundennähe jetzt nur anders, effizienter. Deshalb haben wir mit den Betriebsräten gerade auf die neue Standortstruktur geeinigt. Wir werden in 25 Städten vertreten sein. Dabei spielen Größe, Infrastruktur und Nähe zum Kunden beziehungsweise zu Partnern eine Rolle. Das werden wir uns mit den Sozialpartnern im Einzelnen noch genau anschauen und dann die Namen der Städte bekannt geben.
In der jetzigen Struktur lassen sich Kollaboration und Agilität nur schwer verwirklichen. Natürlich können Sie Technologien wie Collaboration-Tools, TelePresence, WebEx etc. nutzen. Doch es gibt nichts Besseres als ein Team in einem Raum - besonders wenn es an komplexen, schwierigen Projekten arbeitet. Ich bin ein großer Verfechter davon, dass wir nahe am Kunden, agil sein müssen, die Zusammenarbeit von unseren Teams verbessen und diese enger zusammenbringen müssen. Dafür reichen aber die jetzt vereinbarten 25 Städte im Gegensatz zu heute über 100.
Wissen Sie bereits, wo diese Standorte sein werden und nach welchen Kriterien entscheiden Sie, welche Niederlassungen dicht gemacht werden?
Al-Saleh: Wir haben eine gute Idee, wo unsere Standorte sein sollten. Wir haben die großen Niederlassungen mit über 1500 Mitarbeitern und wir haben die kleinen Standorte, die wichtig für unsere Kunden- oder Partnerbeziehungen sind. Wir wissen allerdings auch, welche Standorte ineffizient sind. Deshalb führen wir über den Rahmen intensive Gespräche mit dem Betriebsrat. Wir haben Vorstellungen, aber eine endgültige Entscheidung zur Standortstruktur werden wir erst nach den Verhandlungen mit dem Betriebsrat verkünden, das braucht noch Zeit.
So stehen die Mitarbeiter zu den Veränderungen
Ein neues Portfolio, Stellenstreichungen, Standortschließungen, was sagen eigentlich die Mitarbeiter zu Ihrer Strategie?
Al-Saleh: Lassen Sie mich zunächst von ganz oben darauf schauen: Die deutliche Mehrheit unserer Mitarbeiter will den Wandel. Sie empfingen mich mit offenen Armen, denn sie hatten ein gutes Gespür dafür, dass sich im Unternehmen etwas ändern muss. Sie wollen in einem Unternehmen arbeiten, das wächst, das Marktanteile gewinnt, das Skills und Know-how auf neuen Fachgebieten erlangt.
Sicher gibt es auch Mitarbeiter - eine Minderheit -, die sagen: Warum Veränderungen, alles ist doch in Ordnung. Ich schätze aber, die Mehrheit steht hinter unseren Restrukturierungsplänen und dem neuen Portfolio, auch wenn es zugegebenermaßen keine überwältigende Mehrheit sein dürfte. Wir verschließen uns guten Argumente nicht. Wir ermutigen die Mitarbeiter, ihre Ideen und Bedenken zu artikulieren. Sie sollen sich während der Build-up-Phase in den Transformationsprozess einbinden.
Dies ist ein großer Unterschied zur Vergangenheit, wie wir diesmal den Transformationsprozess handhaben. Wir mobilisieren die Mitarbeiter. Wir fordern sie auf, sich einzubringen, teilzunehmen. Natürlich hat dieser Prozess zur Folge, dass viele Mitarbeiter offen daran zweifeln, ob wir diesen schwierigen Kurs der Stellenkürzungen wirklich brauchen. Sie sind zwar der Meinung, dass wir uns ändern müssen, fragen aber, ob das nicht zu hart, zu schwierig für uns ist.
Ich glaube, es macht einen Unterschied, ob Sie über konkrete Zahlen reden oder nur allgemein über Transformation und Veränderungen. Bei letzterem tut sich jeder leicht und stimmt eher zu. Obwohl die Belegschaft jetzt die Zahlen kennt, ist die Mehrheit immer noch für unsere Pläne, ist engagiert und bereit, mit uns auf die Reise zu gehen.
Unsere Aufgabe ist es aber auch, gleichzeitig offen und lernbereit zu sein. Ebenso müssen wir bereit sein, nachzujustieren. Wir sollten nicht glauben, dass wir an einer Lösung festhalten müssen, weil wir sie vorgeschlagen haben. Wir müssen iterativ handeln, so als ob wir eine neue Organisation gegründet hätten. Dazu werden wir jedes Quartal eine kritische Bestandsaufnahme durchführen und unser Pläne anpassen. Das akzeptieren die Mitarbeiter, sie schätzen diese Herangehensweise; selbst die Skeptiker, die einen anderen Weg eingeschlagen hätten.
Das Change-Management-Programm
Sie sprachen über Wandel und Restrukturierung. In Deutschland wird gelästert, dass T-Systems die letzten Jahre mehr mit Restrukturierungen als mit der Gewinnung neuer Kunden beschäftigt war. Wie wollen Sie das ändern?
Al-Saleh: Dazu haben wir ein Change-Management-Programm ins Leben gerufen. Primär adressiert es die Manager, um diese zu lehren, wie sie sich zu einer anderen, modernen Führungskraft entwickeln, die neue Arten des Arbeitens akzeptiert und fördert. Sie sollten sich weniger Gedanken darüber machen, wie viele Mitarbeiter an sie berichten, sondern sich eher fragen, ob sie die richtigen Ressourcen, die richtigen Skills zur Verfügung haben, um die Kundenanforderungen zu befriedigen.
Die nächste Ebene ist das Engagement der Belegschaft. Wir bringen eine Menge Change-Management-Ideen in die Belegschaft ein, während wir unsere Manager schulen. Dies geschieht aktiv, so dass die Mitarbeiter wissen, was die Manager lernen und die Möglichkeit haben, das Gleiche zu tun. Wir haben Foren geschaffen, um die Mitarbeiter zu ermutigen, offen zu diskutieren.
Wir laden sie zudem ein, an dem Transformations-Team teilzunehmen - zwar noch nicht jetzt, wo wir schwere Entscheidungen treffen müssen, aber künftig. Ein Unternehmen steht nicht still, es muss sich fortlaufend verändern und ständig neue Ideen entwickeln. Das ist auch der Grund dafür, warum das Change Management weiterlaufen wird - auch nach dem großen Stellenabbau, den wir leider vornehmen müssen. Im Zuge des Change Management haben wir fünf Business-Prinzipien eingeführt, nach denen wie leben und handeln:
Die fünf Business-Prinzipien der T-Systems
Alles, was wir tun, dreht sich um den Kunden;
wir werden fortlaufend Innnovationen und neue Technik einführen, um unsere Jobs besser erledigen zu können;
Operational Excellence, wir müssen jedes Jahr zehn Prozent effizienter werden, das fordern die Kunden;
Teamwork und Collaboration: Die Zusammenarbeit als Team ist die wichtigste Messgröße, wichtiger als die eigenen bereichsspezifischen Ziele. Die Mitarbeiter sollen zuerst an T-Systems denken, dann an ihre eigenen Ziele;
People make it happen. Wir bringen unseren Managern bei, dass mit hierarchischen Befehls- und Gehorsam-Strukturen nichts mehr zu gewinnen ist. Wir müssen unsere Belegschaft mitnehmen, sie muss die Ideen und den Wandel leben. Schließlich arbeiten diese Mitarbeiter jeden Tag mit den Kunden zusammen, nicht die Manager.
Diese fünf Business-Prinzipien werden uns die nächsten Jahre begleiten, bis wir uns für neue entscheiden.