Nicht alle Führungskräfte begeistern sich für die neuen Möglichkeiten, die Social Media bietet. CFOs zum Beispiel pflegen eine besondere Zurückhaltung – auch wenn sie oft die eigentlichen IT-Chefs sind, begeben sie sich nur ungern aufs virtuelle Parkett.
Ebenso wie Anwälte verschliefen sie die Möglichkeiten des Social Networking für die Vermarktung ihrer Expertise, rüffelt Morris Kaplan in unserer australischen Schwesterpublikation www.cfoworld.com.au. Kaplan rät den Finanzchefs, einfach mal ein paar Schüler einzuladen, die ihnen die Grundlagen über Twitter, Facebook und LinkedIn beibringen.
Ganz so einfach ist die Sache indes nicht. Für die Skepsis von CFOs gegenüber virtuellen Welten gibt es durchaus gute Gründe. Wer von berufswegen abwägt, kalkuliert und Risiken gewichtet, muss sich einige schwierige Fragen stellen: Was bringt Social Media allgemein fürs Unternehmen? Könnte das Gezwitschere nicht doch pure Zeitverschwendung sein? Wie leite ich in dieser Frage meine eigenen Mitarbeiter an? Was habe ich davon, in sozialen Netzwerken unterwegs zu sein? In welche Gefahren schlittere ich dabei möglicherweise? Oder mein Unternehmen?
Risiken für den guten Ruf gibt es in der virtuellen Welt, sicherlich. Vor wenigen Monaten knackten Greenpeace-Unterstützer beispielsweise die Facebook-Seite von Nestlé und platzierten dort die Beschwerden, das Unternehmen trage zur Regenwaldzerstörung in Indonesien bei. So was schadet dem Image, und ähnliches könnte auch CFOs passieren, die sich offen im Web 2.0 bewegen. Und doch handelt es sich um selten vorkommende Einzelfälle.
In einer Forrester-Studie über Social Media heißt es, dass es viele klare Beispiele von Unternehmen gibt, die dadurch ihren Ertrag steigern. Thematisiert würden aber oft nur die Horror-Geschichten. „Wer Social Media tatsächlich nutzt, erkennt tagtäglich die Korrelation zur Reputation der Marke“, so Analyst Nigel Fenwick. Die Skepsis vieler Unternehmen gegenüber sozialen Netzwerken vergleicht er mit der Ablehnung des Internets Mitte der 1990er-Jahre. „Es gibt da eine Parallele“, so Fenwick. Damals wie heute sei die Begründung der Ablehnung oft der vermeintlich fehlende ROI gewesen.
Sorge um Ruf des Unternehmens
Führungskräfte sollten also nicht den Moment verpassen, in dem das Netzwerken im Internet längst wichtiger geworden ist das Knüpfen von Kontakten im Rotary Club, auf Cocktail-Partys oder beim Golfen. Der Risiken sollte sich ein CFO aber dabei stets bewusst sein – selbst wenn er nur privat auf Facebook unterwegs ist. Plaudert er dort locker über seinen Skiurlaub, könnten Wettbewerber daraus schließen, dass an den Gerüchten über eine bevorstehende Übernahme aktuell nichts dran ist. Wie denn auch, wenn der CFO gerade frei macht? Ebenfalls nicht ratsam ist es, sich mit echtem Namen und Position auf die Suche nach Partnern für den Weg in die Selbständigkeit zu machen.
Andererseits: Dass man in solche Fettnäpfchen nicht treten sollte, sollte sowieso jeder leitende Angestellte wissen – es sind schließlich die gleichen wie im echten Leben. Möglicherweise treibt aber der von Psychologen beobachtete zunehmende Zwang zur Eigen-Promotion dazu, dass derlei Wissen in virtuellen Welten schneller vergessen wird. 49 Prozent der Manager in den USA glauben jedenfalls, dass Social Media den Ruf der Firma beschädigen kann, wie eine Umfrage der Werbeagentur Russell Herder und der Anwaltskanzlei Ethos Business Law ergab. 47 Prozent beobachten, wie die Konkurrenz die sozialen Netzwerke nutzt.
Autor Kaplan argumentiert vor allem strategisch mit dem Gewinn an Reputation und Aufmerksamkeit, den die sozialen Netzwerke nicht nur in der jüngeren Generation bringe – für Firmen wie auch für einzelne leitende Angestellte. Ein Unternehmen könne sich etwa attraktiv für Kunden machen, aber auch als interessanter Arbeitgeber für Top-Talente positionieren. Und ein CFO könne den Stakeholdern zeigen, dass er zur Avantgarde gehört und der Puls der Zeit nicht an ihm vorbeirauscht.
Das Aufpolieren des eigenen Images alleine mag nur wenige Finanzchefs dafür begeistern, in die sozialen Netzwerke einzutauchen – der Gedankenaustausch mit gleichgesinnten Entscheidern womöglich schon. Kaplan verweist auf Blogs, in denen beispielsweise die alltäglichen Sorgen mit Compliance-Fragen erörtert werden. „Gewiss möchte man sich keinen juristischen Rat über Twitter einholen“, schreibt er. „Aber man kann darüber locker kommunizieren, ohne den Professionalismus zu verlieren.“ Außerdem habe ein CFO dabei doch weniger zu verlieren als etwa ein Politiker.
Spezielle Zusammenschlüsse von aktiven Finanzchefs gibt es inzwischen. So haben sich 300 CFOs auf Twitter der Gruppe "TheSocialCFO" angeschlossen und posten dort sowohl Zerstreuendes aus der Untiefen des Web als auch professionelle Denkanstösse, Hinweise auf Webinars oder News zu Entwicklungen in anderen Unternehmen. Wirklich weiter bringt einen davon nur ein Bruchteil. Aber wie überall braucht es auch beim Social Networking eine – also Klarheit darüber, was man sucht. Finden lässt sich das mit ein bisschen Geduld bestimmt, etwa in themenorientierten Foren.
USA: Nur ein Drittel hat eine aktive Strategie
Wer für sich zu dem Ergebnis kommt, gut auf alles das verzichten zu können, ist am Thema Social Media aber längst noch nicht vorbei. Die Forrester-Studie zeigt zum einen auf, dass die Unternehmen mehrheitlich von positiven Folgen ihrer Aktivitäten in Social Networks berichten – und zwar für den Ruf der Marke (86 Prozent), die Innovationsfähigkeit (80 Prozent) und den Kunden-Service (78 Prozent).
Für CFOs noch interessanter ist, dass jeweils etwa zwei Drittel von positiven Auswirkungen auf die Produktivität im Front- und Back-Office sowie bei den IT-Operationen insgesamt berichtet. Unter anderem organisieren Anwender aus den Fachbereichen via Social Networking selbst Antworten und Hilfe. Die Selbstorganisation hat nach Einschätzung von Fenwick eine Entlastung des Help Desks zur Folge. Probleme werden schneller und zu niedrigeren Kosten gelöst – eine sicherlich willkommene Effizienzsteigerung.
In jedem Fall ist es entscheidend, den Umgang mit Social Networking im Unternehmen zu regeln. Wie eine aktuelle Umfrage der Yankee Group in den USA zeigt, setzen dort etwa 30 Prozent der Firmen auf eine aktive Social Media-Strategie. Zwischen 15 und 20 Prozent hingegen verbieten Social Media am Arbeitsplatz. Nach Einschätzung der Marktforscher ist es alarmierend, dass in vielen Unternehmen keine formellen Prozesse, Kontrollen oder Strategien vorhanden sind.
Die Finanzchefs haben auf jeden Fall gute Gründe, diese Prozesse voranzutreiben. Allein um den Verlust sensibler Daten oder das Risiko von Compliance-Verstößen durch unbedachte Kommunikation von Mitarbeitern zu verhindern, sind klare Regeln welcher Art auch immer und die Schulung der Sensibilität in diesem Bereich bestimmt im Interesse aller CFOs.