Die Wirtschaftskrise hat eine Diskussion um die Rechenschaftspflicht von Vorständen mit sich gebracht. Heidrick & Struggles, die Women Corporate Directors (WCD) und Boris Grovsberg von der Harvard Business School haben in ihrer Studie „2010 Board of Directors Survey“ untersucht, wie unterschiedlich Frauen und Männer in der Vorstandetage mit diesem Thema umgehen. Befragt wurden 398 Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer von öffentlichen und privaten Unternehmen in Nordamerika.
Vorstandsmitglieder auf der ganzen Welt stehen vor der Aufgabe, das Vertrauen von Aktionären, Mitarbeitern und Verbrauchern wieder herzustellen. Wie genau das geschehen soll, darin sind weibliche und männliche Chefs unterschiedlicher Meinung. So glauben zwei von drei befragten Frauen, dass mehr Kontrolle und mehr "Diversity" - in diesem Fall speziell die Mischung von Frauen und Männern im Vorstand - das Vertrauen wieder herstellen hilft. Das denken nur 35 Prozent der Männer.
Noch drastischer gehen die Meinungen bei Risiko-Management-Systemen auseinander. So glauben 40 Prozent der weiblichen Vorstände, dass man durch erweiterte Risiko-Managment-Systeme mehr Vertrauen in Vorstände schafft. Bei den Männern ist nur ein Prozent dieser Meinung.
Vorstandsmitglieder beider Geschlechter haben das Gefühl, dass Vorstände nicht sehr effektiv bei der Nachfolgeplanung sind und zu wenig für mehr "Diversity" tun. In dieser Frage zeigten sich Vertreter beider Geschlechter gleichermaßen kritisch mit sich selbst. So bewerten nur 59 Prozent der Frauen und 61 Prozent der Männer ihre eigene Nachfolgeplanung als „gut“ oder „sehr gut“.
Mehr Frauen - aber ohne Quote
Kritisch sehen beide Gruppen die Installation einer Frauenquote in den Vorständen. Doch die Frauen scheinen nicht ganz so sicher zu sein, was sie konkret wollen. Einerseits begrüßen sie es, dass eine gewisse Anzahl Frauen im Vorstand vertreten sind. Andererseits sollte dies nicht über eine Frauenquote festgeschrieben werden. Allerdings sind die befragten Frauen überzeugt, dass eine bessere Diversity im Vorstand zu einer effektiveren Arbeit führt.
Neunzig Prozent der Frauen glauben, dass weibliche Vorstände die Geschäftsführung ergänzen - mit Fähigkeiten, die Männer ihrer Ansicht nach nicht haben. Welche das sind, darüber macht die Studie keine Aussagen. Von den männlichen Befragten stimmt nur knapp die Hälfte der Aussage zu, Frauen brächten besondere Fähigkeiten mit.
Ein weiteres Ergebnis der Befragung: Frauen brauchen im Schnitt ein Jahr länger als Männer, um in den Vorstand zu kommen.
Eine ähnliche Skepsis gegenüber einer festen Frauenquote wird auch aus einer Umfrage unter deutschen Aufsichtsräten deutlich. Die meisten sind gegen eine festgesetzte Frauenquote. Sie begrüßen aber die Forderung des Deutschen Corporate Governance Kodex nach einer stärkeren Einbeziehung von Frauen in Kontrollgremien. Das ist das Ergebnis einer Befragung des Beratungsunternehmen Kienbaum. Zu den Teilnehmern zählten 179 Aufsichtsräte.
Mehr als die Hälfte erwartet ein erweitertes Erfahrungsspektrum im Gremium, wenn Frauen mit von der Partie sind. Immerhin meinen 28 Prozent, dass es so einen höheren Grad an Professionalisierung gibt. Allerdings ist ein Fünftel der Auffassung, dass es keinen spürbaren Nutzen mit sich bringt, wenn mehr Frauen in Aufsichtsräten vertreten sind.
Kienbaum sieht Frauenförderung als Überlebensfaktor
„Die weitere Professionalisierung der Aufsichtsräte ist eine wichtige Zukunftsaufgabe in der deutschen Wirtschaft. Die stärkere Einbeziehung von Frauen ist dabei ein bedeutender Schritt“, sagt gleichwohl Jochen Kienbaum, Vorsitzender der Geschäftsführer bei Kienbaum Consulting International. Von der Kontrolle über die Unternehmensführung bis über alle Management-Ebenen werde die stärkere Berücksichtigung von Frauen zum Überlebensfaktor in einer globalisierten Wirtschaft.