China spielt in Sachen Offshoring bislang eine untergeordnete Rolle. Einer Studie von Deutsche Bank Research zufolge erzielt das Land nur drei Prozent seiner Exporterlöse mit IT- oder IT-basierenden Dienstleistungen. Zum Vergleich: In Indien sind es 26 Prozent.
Die Analysten weisen jedoch darauf hin, dass China mittlerweile pro Jahr rund vier Millionen Hochschulabsolventen ausbildet. Das sind 25 Prozent mehr als noch im Jahr 2000 aus. Dabei sind zwischen 40 und 47 Prozent der Absolventen für ein wissenschaftliches Fach oder Ingenieurwesen eingeschrieben. In Europa liegt dieser Anteil nur bei 23 Prozent. Dank der Vielzahl an qualifizierten Fachkräften, der Förderung von Offshore-Initivativen durch die Regierung und der zunehmend besseren Servicequalität liegt China bereits auf Platz zwei des "Global Services Index" von A.T. Kearney. Einige Städte des Landes werden zudem davon profitieren, dass die indischen Standorte an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Den Marktforschern von IDC zufolge könnte sich etwa Shanghai bis 2011 zu einem attraktiveren Standort entwickeln als Bangalore. Nach optimistischen Berechnungen von DB Resarch wird Chinas Offshore-Volumen (Business Process Outsourcing und IT) bis 2010 jährlich um 40 Prozent auf gut drei Milliarden Euro steigen. Allerdings werde der chinesische Markt dann immer noch nur einen Bruchteil des Weltmarkts ausmachen und nach wie vor deutlich hinter Indien rangieren.
Vor allem bei den Englischkenntnissen hat das Reich der Mitte noch erheblichen Nachholbedarf. Diesen Mangel sehen die Analysten die Achilles-Ferse für die chinesische IT-Offshore-Produktion. Auch die kulturellen Hürden erschweren die Entwicklung. Aus diesem Grund gehen derzeit auch mehr als die Hälfte der chinesischen Offshore-Leistungen nach Japan und Korea. Hinzu kommt, dass es in China keine richtig großen Offshorer gibt. Einer der größten Anbieter des Landes, Neusoft, hat rund 13.000 Mitarbeiter. Die indischen Branchenriesen TCS, Infosys und Wipro beschäftigen zwischen 75.000 und 110.000 Leute. Die drei größten chinesischen Anbieter haben zusammen weniger als 15 Prozent Marktanteil im Heimatland. Der Rest des Markts entfällt auf eine Vielzahl von kleinen Anbietern. Die "Big Three" Indiens vereinen dagegen etwa 46 Prozent der Exporterlöse des Subkontinents auf sich.
Und schließlich ist der mangelnde Schutz geistigen Eigentums in China ein Problem. Schätzungen von BSA (Business Software Alliance) und IDC zufolge wurden mehr als 80 Prozent der in China verwendeten Software nicht regulär erworben (Indien: 69 Prozent). Das ist nicht gerade ermutigend für Firmen, die ihre Anwendungsentwicklung nach China verlegen wollen.
Die Lohnkosten in China und Indien haben sich in den letzten Jahren stark angenähert. Auch die Lohnsteigerungsraten sind mit zuletzt 14 bis 15 Prozent auf ähnlichem Niveau. Laut DB Research liegt der Durchschnittslohn im Bereich IT-Services und Softwareentwicklung in China bei 6000 Euro pro Jahr. Und das ist für dortige Verhältnisse noch viel: Der Durchschnittslohn über alle Branchen hinweg beträgt nur 2100 Euro. Allerdings gibt es sehr große regionale Unterschiede. So variiert das Jahresgehalt eines IT-Spezialisten von 2100 Euro in der Provinz Gansu bis mehr als 10.000 Euro in Shanghai und Peking. Auf der anderen Seite sind Lohnkostenvorteile nicht alles, auch die Produktivität eines Standorts muss in die Wagschale geworfen werden. So sind vergleichsweise teuere Städte wie Shanghai, Peking und Dalian als Offshore-Standorte vor allem bei anspruchsvolleren Services sehr beliebt. Sie profitieren davon, "dass Offshoring zunehmend die Wertschöpfungsleiter aufsteigt und damit reine Lohnkostenarbitrage in den Hintergrund tritt", schreiben die Experten.
Ob sich China zu einem wichtigen Offshore-Standort entwickeln kann, wird auch von der Fähigkeit zur Spezialisierung abhängen, so die Analysten von DB Research. Auch in dieser Hinsicht sei Indien weltweit unerreicht. Zwar sei auch Chinas Spezialisierung seit 2000 um gut 16 Prozent gestiegen, der Ausgangswert war hier jedoch wesentlich geringer. Eine besondere Dynamik zeigen in diesem Zusammenhang die Philippinen, deren Exportspezialisierung sich von weniger als einem Prozent im Jahr 2000 auf 2,5 Prozent 2007 vervielfacht hat. Laut DB Research befinden sich die Philippinen noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, das heißt, die Faktorkosten sind niedrig. Gleichzeitig ist das Bildungsniveau vergleichsweise hoch und Englisch ist eine Amtssprache.