Monika Ribar war einmal CIO. Fast fünf Jahre lang hat sie beim Logistikkonzern Panalpina in Basel die IT gelenkt. Vor drei Monaten ist sie zum Finanzvorstand aufgestiegen. "Beworben habe ich mich um den Job nicht", sagt die 43-Jährige. "Ich wurde vom Aufsichtsrat gefragt, ob ich diese Aufgabe übernehmen will." Karriereplanung im klassischen Stil habe sie nie betrieben. "Ich wollte immer was bewegen, was verändern", beschreibt Ribar ihren Antrieb. Macht ausüben? "Wenn das dazugehört - natürlich, warum denn nicht?", sagt die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin. Leistung und Können hält sie für wichtig. Oft seien es allerdings Zufälle gewesen, die sie die Karriereleiter nach oben gehen ließen.
Diese Zufälle lassen sich lenken, darin sind sich Personalberater einig: "Wer gute Leistung über einen längeren Zeitraum so erbringt, dass die Wertschöpfung des Unternehmens verbessert wird, hält sozusagen die Eintrittskarte für den Zug nach ganz oben in der Hand," sagt Katja Hollaender-Herr, die neuerdings als Partnerin bei der Personalberatung Heidrick & Struggles für IT-Führungskräfte zuständig ist. Expertenwissen im Bereich IT allein reiche bei weitem nicht aus. "Das wird vorausgesetzt."
Der Techie ist out
So sieht das auch die Jury des Wettbewerbs um den Preis "CIO des Jahres". Redakteure von Computerwoche und CIO sowie Experten aus der Wissenschaft werten zurzeit die Bewerbungen der IT-Manager aus. Technische Kenntnis ist dabei nur ein Indikator für eine mögliche Auszeichnung. Viel wichtiger bewerten die Juroren Rolle und Selbstverständnis des CIOs sowie den Nachweis über Projekte, die Prozesse im Unternehmen verschlanken und Kosten reduzieren. Die Ergebnisse dieser Auswahl werden Computerwoche und CIO im Dezember präsentieren.
Reine Dienstleister ohne Aufstiegschance
Einer der Preisträger des Jahres 2004 ist Dirk Berensmann. Der 42-jährige Vorstand für IT, Operations und Transaction Banking der Deutschen Postbank AG belegte den ersten Platz für eine gemeinsam mit SAP entwickelte Standardsoftware. Mit ihrer Hilfe betreibt die Postbank nun das Transaction-Banking auch als Dienstleister für andere Banken. Bereits im ersten Jahr konnte der CIO dadurch schwarze Zahlen schreiben. Das dürfte der Grund sein, dass Berensmann ganz unbescheiden sagt: "Erfolg ist alles." Zufriedenheit der User oder Reibungslosigkeit der IT-Abläufe hält er dabei nur dann für Indikatoren, wenn sie quantifizierbar sind. Berensmann: "Erfolg ist in Zahlen und Ergebnissen messbar. Alles andere zählt nicht."
Etliche IT-Manager neigen nach Ansicht von Personalberatern dazu, die Erfolge auf dem falschen Feld zu suchen. "Viele sind noch immer dem rein passiven Dienstleistungsgedanken verhaftet", hat etwa Gerhard Barth beobachtet, der als Sprecher der Geschäftsführung in der Personal- und Unternehmensberatung SUP in Frankfurt überwiegend im IT- und TK-Bereich tätig ist. "Sie sehen ihre Aufgabe als hervorragend erfüllt an, wenn sie den Anforderungen des Business schnell und komplikationsfrei nachkommen." Doch das reiche bei weitem nicht: Kreativität seien gefragt, proaktives Handeln und eben Wertschöpfung.
Barth weiß, wovon er spricht. Der 56-Jährige verantwortete bis Ende 2001 als CIO im Vorstand der Dresdner Bank die IT-Strategie. Nach der Übernahme durch die Allianz AG, als immer mehr Entscheidungen in der Münchener Zentrale fielen, zog er die Konsequenzen und ging. Zum Abschluss seiner beruflichen Laufbahn bringe er nun "die richtigen Manager an die richtige Stelle", sagt der gelernte Informatiker.
"Richtige Manager" nennt er diejenigen, die auch als "IT-Verkäufer" agieren können: "Dazu gehört, selbstbewusst auf die Geschäftsbereiche zuzugehen und ihnen aktiv neue Themen nahe zu bringen." Die Grundlagen dafür würden am ehesten in den so genannten Bindestrich-Studiengängen vermittelt, meint Barth, also etwa in der Betriebs- oder Wirtschafts-Informatik. Gute Voraussetzungen brächten häufig aber auch Physiker mit. Insgesamt, so Barths grobe Schätzung, hätte etwa jeder zehnte IT-Leiter das Zeug zum Top-Manager.
Einen Bindestrich-Abschluss hat auch Gisbert Rühl: Der Wirtschafts-Ingenieur, der während des Studiums Cobol-Programme schrieb, ist seit wenigen Wochen erneut Geschäftsführer. Als Finanzchef des Duisburger Werkstofflieferanten Klöckner & Co. GmbH ist er verantwortlich für 4,8 Milliarden Euro Umsatz und rund 10 000 Mitarbeitern. Zu Rühls Aufgabengebiet gehört neben Finanzen, Controlling und Steuern auch die IT.
Seinen Lebenslauf bezeichnet der 46-Jährige selbst als "Weg mit vielen Sidesteps": Nach dem Studium begann er als Projektleiter in der Unternehmensberatung Arthur Anderson. Über Stationen als Geschäftsführer und kaufmännischer Leiter in der Baubranche kam er als Generalbevollmächtigter zur Ruhrkohle AG (RAG), bevor er von 1999 bis Juli 2001 als IT-Vorstand bei Babcock Borsig AG war. Anschließend wechselte er als Partner zur Unternehmensberatung Roland Berger.
Trotz - oder vielleicht wegen - seiner vielen beruflichen Stationen hält Rühl "Karriere nicht für planbar". Zu viele äußere Umstände, auf die der Einzelne keinen Einfluss habe, könnten jede Planung zunichte machen. Wichtig sei, sich seiner Ambitionen frühzeitig bewusst zu werden und entsprechend darauf hinzuarbeiten. Eine ganz deutliche Antwort kommt von ihm, wenn er nach der eigenen Karriereorientiertheit gefragt wird: "Ja, ich habe eine starke Affinität zu Macht und Einfluss, um etwas zu bewegen."
Obwohl die IT Rühl fast ständig begleitet hat, hält er sich nicht für einen klassischen IT’ler: "Mich treiben Bits-and-Bytes nicht voran. Ich war immer eher breit und vor allen Dingen anwendungsorientiert aufgestellt", sagt der Geschäftsführer. Für ihn ist die IT ein Instrument zur Steigerung der Wertschöpfung - eine Auffassung, der er in Kollegenkreisen immer häufiger begegnet: "Die heutigen Manager kommen viel eher mit der IT in Kontakt als früher, sie können mit den gängigen Themen durchaus etwas anfangen", hat er beobachtet. "Der spezielle IT-Fokus ist nicht mehr so wichtig." Das sei vermutlich auch der Grund, warum CIOs seltener in den Vorstand berufen würden als noch vor einigen Jahren.
Das sieht auch Panalpina-Vorstand Ribar so, die anfangs sogar mit ihrem CIO-Titel haderte: "Der wird zu häufig an die bisherigen IT-Leiter verliehen, nur um ihnen ein neues Etikett zu verpassen." Viele hätten sie wegen des Titels in die Technik-Ecke drängen wollen, aber dort gehöre sie nicht hin: "CIO ist eine Managementaufgabe, keine technische", sagt sie vehement. Diese Auffassung setze sich aber immer häufiger durch.
Die neuen Aufgaben der Finanzchefin haben mit IT kaum noch etwas zu tun. Der Schwerpunkt liegt im geplanten Börsengang von Panalpina, den sie an der Seite des Vorstandsvorsitzenden Bruno Sidler vorbereiten wird. "Gerade in dieser Situation muss ein CFO nach außen treten - und das kann ich recht gut", sagt sie. Auch wenn die Stimmung im neuen Team "der eines Dreamteams ähnelt", fiel ihr der Abschied von der IT-Mannschaft nicht leicht: "Mit diesem sehr guten Team zu arbeiten - das hat schon viel Spaß gemacht."
Wer nicht begeister, bleibt Techie
Diese Führungsfreude, Hand in Hand mit Führungsstärke, zählen die Personalberater ebenfalls zu den absoluten Musts von Top-Managern: "Die Fähigkeit, andere zu inspirieren, ist unabdingbar", sagt Gabriel Andrade, Consultant der Personalberatung Egon Zehnder aus der Niederlassung München. Das sei nur möglich, wenn der Manager tiefes fachliches und kaufmännisches Wissen habe und in der Lage sei, Ideen zu kreieren. "Diese Fähigkeit ist besonders in der Finanzdienstleistungs- und Logistikbranche gefragt", hat er beobachtet. Als Ausbremser wirke generell eine zu starke Technikorientierung.
Optimal könne der Karriereweg laufen, wenn ein Mentor - idealerweise einer der Vorstände oder der Vorsitzende selbst - den Aufsteiger begleite. "Dieser kann Türen öffnen, die man selbst noch nicht ausreichend wahrgenommen hat", sagt Andrade. Doch nicht jeder IT-Leiter hat die Chance, in die Nähe des obersten Führungsgremiums zu kommen. "Sie nicht zu haben ist ein Nachteil", sagt Andrade. Dadurch gehe eine effektive Möglichkeit verloren, seine Leistungen und damit sich selbst ins rechte Licht zu rücken.
Doch der Bereich Selbstdarstellung ist sehr diffizil, und Fingerspitzengefühl ist gefragt. "Die Manager, die allzu sehr an ihrer Profilierung basteln, erweisen sich selbst einen Bärendienst: Sie erarbeiten sich keinen Ruf, sie provozieren nur Widerstände", warnt Postbank-CIO Berensmann. Besonders kritisch sieht er diejenigen, die zur Steigerung des Bekanntheitsgrades zu häufig als Redner auf Seminaren oder Workshops auftreten: "Wer vernünftig arbeitet, erwirbt sich Reputation, auch ohne dass er auf allen Hochzeiten tanzt", sagt der gelernte Diplom-Mathematiker.
Berensmann arbeitete zunächst als Programmierer in einem Datenbankzentrum, ging dann zur Unternehmensberatung James Martin Associates. Als das dort übliche Bits-and-Bytes-Denken ihn nicht mehr befriedigte, wechselte er Anfang der 90er-Jahre trotz seiner Berufserfahrung als "einfacher Berater zu McKinsey, wie ein frischer Studienabgänger. Ich wollte das Geschäft von der Pike auf lernen", sagt Berensmann. Er wurde Projektleiter, schließlich Anfang 1999 Partner.
Zu der Zeit baute er gerade das Business Technology Office mit auf, das IT-Beratungen im Top-Management durchführt und mittlerweile eine führende Rolle bei McKinsey spielt. Dort beriet er zunächst die Deutsche Post, später definierte er die IT-Strategie der Post-bank um. Als ihn Post-Chef Klaus Zumwinkel schließlich fragte, ob er diese Strategie nicht auch umsetzen wolle, sagte er zu.
Und fing bei der Deutschen Postbank zunächst als Projektleiter für die IT-Neuausrichtung an. In der Tasche hatte er die Zusage für ein festes Budget und zwei bis drei Jahre Geduld, die der Aufsichtsrat aufbringen würde. "Natürlich war das ein Karriere-Risiko: Niemand hatte mir garantiert, dass ich irgendwann eine verantwortungsvollere Position bekommen würde. Aber es war eine Riesenchance, und so spannend", sagt Berensmann. Ende 1999 wurde er schließlich Vorstandsmitglied der Postbank Systems AG, 2002 Vorstand IT und Operations der Postbank. Sein Resümee: "Manchmal musst du eben ein paar Schritte zurück gehen, um richtig Anlauf zu nehmen."
Wechsel zum Anbieter kein K.-o.-Kriterium
Der Wechsel in eine IT-Anbieterfirma kann so ein dienlicher Schritt zurück sein, ebenso wie die selbstständige Beratertätigkeit. "Ein Wechsel in die Unternehmensberatung schadet sicher nie, wenn dort interessante Projekte bearbeitet werden", sagt Hollaender-Herr. Auch die Arbeit in einer ausgegründeten IT-GmbH können einen Karriereschritt bedeuten, ergänzt Zehnder-Berater: "Die Aufgaben dort können dem klassischen Aufgabenspektrum des Geschäftsführers eines größeren Mittelständlers entsprechen."
Sorge um ihre Zukunft brauchen sich IT-Manager zurzeit jedenfalls nicht zu machen, lautet die einhellige Meinung der Personalberater. "Seit 12 bis 18 Monaten werden weltweit zunehmend CIOs auf höherer Managementebene gesucht, die auch operative Aufgabenbereiche übernehmen", sagt Andrade. Grundsätzlich sei der Arbeitsmarkt in Deutschland für CIOs momentan sehr positiv, stimmt Barth zu. "Vor allem mittlere Unternehmen suchen", hat Hollaender-Herr beobachtet. Aktuelle Trendthemen seien vor allem Shared Services und Vendor-Management.