Gisbert Rühl führt heute als CEO den Stahlhändler Klöckner, dessen 8700 Mitarbeiter weltweit 6,1 Millionen Tonnen Stahl verkaufen. Dass Rühl eingeladen war, die diesjährige Gala zum CIO des Jahres in München zu eröffnen, hat mit seiner Karriere zu tun. Vor 15 Jahren, als weder Cloud Computing noch Digitalisierung bekannte Vokabeln in der IT waren, war Rühl selbst CIO, damals bei Babcock Borsig: "Im Zuge der E-Business-Welle wollten wir damals auch eine Plattform für die Engineering-Industrie bauen, aber die Cloud-Technologie war noch nicht da, und wir haben den Fehler gemacht, groß zu denken und groß anzufangen."
Zum Video: CIO des Jahres 2017 - Der Film
Ganz anders sei die Vorgehensweise heute: Vor vier Jahren gab der Klöckner-CEO den Anstoß, einen kleinen Ableger in Berlin zu eröffnen und diesen in ständigem Austausch mit den Kunden zu vergrößern und zu verbessern, bis sich daraus ein Digital Hub entwickeln konnte. Dort arbeiten heute Klöckner-CIO Michael Hilzinger und seine agil aufgestellte Mannschaft an einer offenen Industrieplattform für den Stahlhandel, in die neben Lieferanten und Kunden auch Wettbewerber eingebunden werden sollen.
Dem CIO weist Rühl die Aufgabe zu, beide Unternehmenswelten zu verbinden: "Er kennt das klassische Geschäft und öffnet sich zugleich für die neue Welt. Er ist bereit, die Dinge auch mal anders zu sehen." In diesem Sinne appellierte Rühl an seine Zuhörer: "Bringen Sie sich ein als CIO, überlassen Sie nicht den CDOs das Feld!"
Ein Aufruf, der unter den 400 Gästen auf offene Ohren stieß, wie Michael Beilfuß, IDG-Verlagsleiter und Gastgeber der Gala, bestätigte: "Wir haben in diesem Jahr viele Bewerbungen bekommen, die genau in diese Richtung gehen." CIOs, die nicht nur die Herausforderung Digitalisierung anpacken und Neues ausprobieren, sondern auch bereit sind, sich und ihre Arbeit dem Urteil der Jury aus Hochschulprofessoren, CIOs und den Redaktionen von COMPUTERWOCHE und CIO-Magazin zu stellen. Beilfuß bedankte sich bei den IT-Managern für ihre Offenheit und den Mut, am Wettbewerb "CIO des Jahres" teilzunehmen, den IDG inzwischen zum 15. Mal ausrichtete.
Prämierter Bosch-CIO wirbt für Aufbruch
Elmar Pritsch, CIO von Robert Bosch, ist neuer CIO des Jahres in der Kategorie Großunternehmen. In seiner kurzen Dankesrede sagte er: "Die Digitalisierung ist eine Riesenchance für Deutschland. Lasst uns auf andere Abteilungen und Unternehmen zugehen, damit digitale Marktplätze entstehen!" Obwohl erst seit 2014 bei Bosch, habe Pritsch mit dem Cloud-Fundament für die übergreifende IoT-Plattform des Konzerns entscheidend dazu beigetragen, neue Geschäftsfelder zu erschließen und Prozesse zu digitalisieren, lobte Vorjahressieger und Festo-CIO Roger Kehl in seiner Laudatio.
CIO des Jahres: Kategorie Mittelstand
"Kunde" und "Mitarbeiter" waren die beiden Begriffe, die Thorsten Pawelczyk, CIO des Jahres im Mittelstand, in seiner Bewerbung "erfreulich oft verwendet hat", wie der Vorjahresgewinner Jens Riegel in seiner Laudatio befand. Das seien die Gruppen, auf die jede Digitalisierungsstrategie abzielen müsse. Pawelczyk interpretiere seine Rolle als CIO des Umweltdienstleisters Tönsmeier gestalterisch: Der größte Teil der Aufträge geht heute über digitale Kanäle ein. Die 800 Müllfahrzeuge sind mit Telematiksystemen ausgestattet, und 20 Prozent seines IT-Budgets kann Pawelczyk für Innovationen verwenden.
Innovation Award für den Otto-CIO
Vertrauen ist auch für den ersten Sonderpreisträger des Abends, Michael Müller-Wünsch vom Versandhändler Otto, von zentraler Bedeutung. Laudator Henning Schneider, CIO der Asklepios Kliniken, stellte heraus, wie der Gewinner des "Innovation Award" binnen zwölf Monaten die Produktivität um zehn bis 15 Prozent steigerte: Er modernisierte Systemarchitekturen und verstand es, Mitarbeiter aller Fachbereiche für den digitalen Wandel zu begeistern, so dass eine "extrem agile, prozessorientierte Unternehmensorganisation" entstand. Müller-Wünsch "denkt IT bis zum Konsumenten und schafft mit Vertrauen Wirkung für Zukunftsfähigkeit".
Gühring-CIO gewinnt IoT-Preis
Grund zur Freude hatte auch Stefan Heizmann, CIO des Familienunternehmens Gühring. Er wurde mit dem zweiten Sonderpreis ausgezeichnet, dem "Industrial Internet Award". Gühring, ein Hersteller von Präzisionswerkzeugen mit Sitz auf der Schwäbischen Alb, wurde von Laudator Michael Beilfuß als typischer "Hidden Champion" aus dem Schwabenland gewürdigt. Unter der Regie von CIO Heizmann ist das Unternehmen dabei, sein technisches Know-how komplett zu digitalisieren sowie neue Business-Modelle und digitale Produkte zu entwickeln.
Einen unerwarteten emotionalen Höhepunkt erlebte die Festgesellschaft, als sich der Zweitplatzierte in der Kategorie Großunternehmen, Christoph Schmutz, CIO der ÖBB Personenverkehr aus Österreich, das Mikrofon griff. Anstatt die digitalen Errungenschaften seines Unternehmens zu preisen, dankte er kurzerhand seiner Frau, deren Arbeit als Kindergartenpädagogin wichtiger sei als jeder Flug ins Silicon Valley. Sie wechsele den kommenden Generationen nicht nur die Windeln, sondern habe stets den richtigen Fokus: Auf den Menschen komme es an!
Mehr zum Thema CIO des Jahres:
Alle Gewinner des CIO des Jahres 2017: 22 Rezepte für den digitalen Wandel