Der CIO ist ein Mensch wie jeder andere: Weshalb sollte er sich verändern wollen, wenn es doch kaum jemand gerne tut? Doch jetzt muss er sich entscheiden und zwangsläufig verändern. Ob er künftig primär im Business mitmischen oder der Herr über die Technik sein will, so die Kernthese des Buches. Dass ein CIO auch im Business mitmischen soll, ist nicht neu, aber dass er sich klar entscheiden soll, schon. Denn bisher entstand doch sehr der Eindruck, dass der Spagat zwischen den beiden Polen erwünscht, wenn nicht gar gefordert wird.
Folgt man der Argumentation des Buches, so gibt es dazwischen künftig nichts mehr. Keinen Moderator zwischen den Fronten, wie sich etwa die ehemalige CIO von Panalpina Monika Ribar einmal verstand, die jetzt als CEO die Geschicke des Schweizer Logistikkonzerns leitet. Auch Alexander Röder, CIO vom Mobilfunkspezialist O2, hat inzwischen Neues im Sinn und den Bereich Technologie-Management übernommen. Damit kommt seine Funktion eher der eines CTOs nahe, er nennt sich allerdings noch CIO. Wie lange noch?
Kernfrage: Business oder Technik?
Klar sei, dass es den klassischen CIO in Doppelrolle künftig nicht mehr geben wird. „Obwohl die IT immer mehr Bereiche und Prozesse durchdringt, wird sie ihre Sonderrolle in den Unternehmen verlieren“, schreiben die Autoren und schließen die vorsichtige Vermutung an, dass „ihre Verortung in der IT einen Bedeutungsverlust ihrer Rolle innerhalb des Unternehmens mit sich bringen wird“.
Dabei muss gar nichts vermutet oder vorsichtig hervorgebracht werden. Denn im späteren Verlauf des Buches, das unter anderem die Rollenevolution des CIOs in die Zukunft entwickelt, wird glasklar: Es wird den obersten IT-Verantwortlichen in Form eines Geschäftsführers eines Shared Service Centers noch geben, einer Position, die Andreas Resch als Chef der Bayer Business Services bereits innehat, oder in Form des Geschäftsführers eines IT-Service-Providers. Man denke an Lothar Pauly von der Deutschen Telekom, langjähriger Kopf des Dienstleisters T-Systems, der zudem die Telekom bedient.
Als dritte Variante offerieren die Autoren den „CIO als Mitgestalter von Geschäftsmodellen“: Genau genommen ist das kein CIO mehr, sondern ein ganz gewöhnlicher Manager oder Top-Manager, den IT-Themen interessieren und der versteht, wofür IT gut ist. Wo also bleibt der CIO?
Mit etwas mehr Mut hätte der Titel des Buches also durchaus „CIO doesn’t matter“ lauten können. Dass sich das mit der Funktion von Autor Christoph Witte, Chefredakteur der Computerwoche, nicht verträgt, dürfte einleuchten. Walter Brenner, Professor an der Universität St. Gallen, dürfte da schon lockerer sein, auch wenn er Jahre als klassischer IT-Chef in Unternehmen unterwegs war – und die geforderten Änderungen somit nicht mehr selbst bewerkstelligen muss. Und: Noch gibt es CIOs – so gesehen hat der Buchtitel heute noch Sinn.
Natürlich gibt es auch Kritiker des Brenner-Witte-Modells, die sogar im Buch zur Sprache kommen. Nämlich den CIO der Deutschen Telekom Peter Sany, der sich nach wie vor in der Doppelrolle wohl fühlt und diese auch als wichtig erachtet („Ich glaube, dass sich die beiden Blöcke stärker überlappen werden und der CIO diese größer werdende Schnittmenge managen muss“). Und das ist das Gute an dem Buch: dass keine graue Theorie oder gar Dogmatik auf den Leser herabprasselt, sondern dass man den engen Kontakt der Autoren mit den Hauptdarstellern dieses Buches, den CIOs, in fast jeder Zeile spürt. So wie in dem Kapitel über „Erfolgsfaktoren für CIOs und ihre Anwendungen“. Gerade einmal zwei Buchseiten verwenden die Autoren über „Erfolgsfaktoren“, die sie zudem sinnigerweise in „karriereschädigende Fehler“ umkehren.
Also keine ewig langen Erklärungen zu „Business-Verständnis, dringend nötigen Fähigkeiten der Teams oder Technikliebe“ – und schon gar keine langweiligen Checklisten zum Abhaken. Sondern ausführliche Darstellungen über das CIO-Rollenverständnis etwa von DAX-CIOs wie Frank Annuscheit von der Commerzbank, Rainer Janssen von der Münchener Rück oder Peter Sany von der Telekom.
Erfolgsfaktoren stecken in Anekdoten
Und hier kommen gerade jene Erfolgsfaktoren zum Tragen, die in keiner Liste erfasst werden können, sondern aus dem Leben gegriffen sind. Münchener-Rück-CIO Janssen: „Bei großen Projekten muss man schon einmal den Angstschweiß des Programmierers gerochen haben. Man muss wissen, wann die Leute nervös werden, man muss die Erfahrung haben, worüber man sich Sorgen machen muss und worüber nicht.“ Oder Karl Landert, CIO Privatbanken, Credit Suisse: „Erst wenn Sie die Leute einigermaßen ausgerichtet haben, kann eine standardisierte Architektur funktionieren. Deshalb sage ich auch immer, dass ich im Menschen- und nicht im Technik-Business arbeite.“
Und doch bleibt dieses Werk beschreibend und ein Buch der leisen Töne. Die zuspitzenden Schlüsse, die nahe liegen (siehe oben), muss der Leser selbst ziehen. Die Autoren drängen sich nicht auf, bereiten dem IT-Manager jedoch eine gute Grundlage zur Reflektion über die eigene Tätigkeit – quasi als Vorbereitung für die anstehenden Veränderungen.