Innenministerium

CIO Schallbruch in einstweiligen Ruhestand versetzt

29.02.2016 von Johannes Klostermeier
Ohne Angabe von Gründen und für Außenstehende völlig überraschend, verliert einer der besten IT-Spezialisten des Bundes seinen Job.
Martin Schallbruch, CIO, Bundesministerium des Innern, ist nun im Ruhestand - mit 50 Jahren.
Foto: Frank Peters

Martin Schallbruch (50) ist ab sofort nicht mehr Leiter der Abteilung Informationstechnik, Digitale Gesellschaft und Cybersicherheit des Bundesministeriums des Innern (BMI). Wie das Bundesinnenministerium auf Nachfrage bestätigte, wurde er am 26. Februar in den einstweiligen Ruhestand versetzt - Gründe dafür wurden nicht angegeben.

Peter Batt leitet nun übergangsweise

Eine Pressemitteilung dazu gibt es offenbar nicht, die Personalie wurde durch eine Abschieds-E-Mail von Schallbruch an seine Mitarbeiter bekannt, in der er sich für die gute Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren bedankt.

Bis ein Nachfolger für Schallbruch gefunden wird, was angeblich recht zeitnah geschehen soll, übernimmt Ministerialdirigent Peter Batt die CIO-Aufgaben von Schallbruch übergangsweise.

Auch im Ruhestand: Ex-Bundes-CIO Cornelia Rogall-Grothe.
Foto: BMI

Schon 2007 als erster CIO des Bundes im Gespräch

Der Diplom-Informatiker und Jurist Schallbruch war schon 2007 als "Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik" (Bundes-CIO) als "aussichtsreichster Kandidat" ("CIO") im Gespräch, konnte sich aber gegen andere, offenbar politisch besser verankerte Kandidaten, nicht durchsetzen.

Erster CIO des Bundes wurde 2007 der bis dahin weitgehend unbekannte Innen-Staatssekretär und Jurist Hans Bernhard Beus. Auf ihn folgte 2010 die Juristin Cornelia Rogall-Grothe. Sie ging Ende Juli 2015 in den Ruhestand.

Klaus Vitt macht als erster echter Bundes-CIO die IT des Bundes fit.
Foto: Bundesagentur für Arbeit

Erst mit Kaus Vitt, der bei der Bundesagentur für Arbeit CIO war, ist seit Mitte 2015 ein Bundes-CIO im Amt, der als studierter Informatiker auch über profunde IT-Kenntnisse verfügt.

Warum für Schallbruch im Bundesinnenministerium keine andere Verwendung gefunden werden konnte, ist unklar. Denn so sehr viele IT-Spezialisten mit Behörden- und Leitungserfahrung gibt es in Deutschland nicht.

Die IT-Chefs der Bundesländer
Markus Richter, Bundes-CIO
BAMF-Vizepräsident Markus Richter ist Bundes-CIO. Er löste Klaus Vitt ab, der Ende April 2020 in den Ruhestand ging.
Denis Alt, CIO von Rheinland-Pfalz
Denis Alt ist neuer Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung. Der bisherige IT-Chef des Landes, Feodor Ruhose, wird Chef der Staatskanzlei.
Christian Pfromm, CDO von Hamburg
Christian Pfromm ist seit Januar 2018 neuer CDO der Stadt Hamburg Sein genauer Titel lautet: "Chief Digital Officer / Leiter des Amtes für IT und Digitalisierung". Der CDO berichtet an den 1. Bürgermeister der Stadt Hamburg und an den Chef der Senatskanzlei. Zuvor war Pfromm von Juni 2011 bis Dezember 2017 Group CIO der BHF-Bank AG. CIO Jörn Riedel berichtet an ihn.
Bernd Schlömer, Landes-CIO von Sachsen-Anhalt
Bernd Schlömer ist seit Oktober 2021 CIO des Landes Sachsen-Anhalt. Er folgte auf Rüdiger Malter, der das Amt seit April 2020 innehatte.
Hartmut Schubert, CIO in Thüringen
Hartmut Schubert ist seit Dezember 2014 Staatssekretär im Thüringer Finanzministerium. Der Titel CIO kommt in der „Richtlinie für die Organisation des E-Government und des IT-Einsatzes in der Landesverwaltung des Freistaats Thüringen“ nicht vor. Dennoch erfüllt Schubert, der Beauftragte des Freistaats Thüringen für E-Government und IT, genau die Aufgaben und die Funktion des CIO. Mit dem Kabinettbeschluss der Richtlinie vom 7. Juli 2015 erhält Thüringen deshalb als letztes Bundesland einen Landes-CIO.
Thomas Popp, Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung als Mitglied der Sächsischen Staatsregierung (CIO)
Im Januar 2020 ernannte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) CIO Thomas Popp zum Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung als Mitglied der Staatsregierung (CIO). Popp war bisher Landes-CIO in Sachsen.
Ina-Maria Ulbrich, Staatsekretärin, Mecklenburg-Vorpommern
Ina-Maria Ulbrich ist seit November 2016 Staatsekretärin im neu geschaffenen Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern. Aus "Landesentwicklung" wurde nun "Digitalisierung". Die Juristin wurde 2002 Regierungsrätin und Referentin im Umweltministerium, beim Landkreis Ostvorpommern und im Wirtschaftsministerium. Von 2006 bis 2008 leitete sie das Büros des Ministers für Verkehr, Bau und Landesentwicklung, von 2008 bis 2011 war Ulbrich Leiterin des Büros des Ministerpräsidenten. Ulbrich vertritt das Land auch im IT-Planungsrat.
Ralf Stettner, CIO in Hessen
Ralf Stettner ist Chief Information Officer und Bevollmächtigter der Hessischen Landesregierung für E-Government und Informationstechnologie (CIO) und folgt damit Patrick Burghardt, der im Januar 2024 das Amt des Oberbürgermeisters von Rüsselsheim übernahm. Stettner hatte von Ende 2018 bis Anfang 2024 die Position des Chief Information Security Officers (CISO) in der hessischen Landesverwaltung inne und war Leiter der Abteilung Cyber- und IT-Sicherheit und Verwaltungsdigitalisierung im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport.
Stefan Krebs, CIO in Baden-Württemberg
Seit dem 1. Juli 2015 leitet Stefan Krebs die IT-Geschicke des Landes Baden-Württemberg als Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnologie (CIO/CDO). Der Diplom-Verwaltungswirt kennt sich mit Banken und IT-Sicherheit aus. Zu seinen ersten Aufgaben gehörte die Feinplanung für die schrittweise Bündelung der bisher dezentralen IT-Einheiten der Landesverwaltung.
Daniel Sieveke, CIO in Nordrhein-Westfalen
Nachdem Andreas Meyer-Falcke Ende 2023 in den Ruhestand ging, hat Nordrhein-Westfalen nun wieder einen IT-Verantwortlichen. Am 14. Mai 2024 entschied das Landeskabinett, die Funktion des Beauftragten der Landesregierung für Informationstechnik (CIO) an Daniel Sieveke zu übertragen.
Sven Thomsen, CIO von Schleswig-Holstein
Seit Mitte Juli 2013 lenkt Sven Thomsen als CIO des Landes Schleswig-Holstein die Geschicke des Zentralen IT-Management Schleswig-Holstein (ZIT-SH). Im ZIT-SH sind die Aufgaben der ressortübergreifenden IT- und Finanzensteuerung für alle Fragen der Informations- und Kommunikationstechnologie zentralisiert. Wie auch in Hamburg ist Sven Thomsen nicht Staatssekretär und gehört nicht dem IT-Planungsrat an. Im IT-Planungsrat wird Schleswig-Holstein durch Knud Büchmann, Beauftragter der Landesregierung Schleswig-Holstein für Zentrale IT-, Organisations- und Personalentwicklung vertreten. Seit Mitte 2017 ist Thomsen an das neue Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) angedockt.
Elena Yorgova-Ramanauskas, CIO im Saarland
Elena Yorgova-Ramanauskas, ist seit Juni 2022 Chief Digital Officer (CIO) im Saarland. Seit 2022 ist sie Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie.
Judith Gerlach, Staatsministerin für Digitales in Bayern
Die Landtagsabgeordnete und Rechtsanwältin Judith Gerlach (CSU) ist seit November 2018 Staatsministerin für Digitales in Bayern. Das Ministerium wurde neu geschaffen. Das neue Staatsministerium übernimmt die Grundsatzangelegenheiten und die Koordinierung der Digitalisierung Bayerns, die bisher bei der Staatskanzlei angesiedelt waren. Das Ministerium soll sich außerdem um die strategischen Fragen der digitalen Verwaltung kümmern.
Jörn Riedel, CIO von Hamburg
Seit 2008 hat Hamburg einen CIO. Den Posten hat seitdem Jörn Riedel inne. Angesiedelt ist er bei der Finanzbehörde der Hansestadt. Beim dortigen Amt für Organisation und Zentrale Dienste ist Riedel Abteilungsleiter für E-Government und IT-Steuerung. Anders als in anderen Bundesländern ist CIO Riedel nicht Staatssekretär - und gehört nicht dem IT-Planungsrat an. Hamburg vertritt in dem Bund-Länder-Gremium der Staatsrat der Finanzbehörde, Jens Lattmann. CIO Jörn Riedel verantwortet derzeit gleich mehrere übergreifende IT-Projekte in Hamburg.
Cornelius Everding, CPIO von Brandenburg
In Brandenburg fließen die Fäden in IT-Angelegenheiten nicht bei einem CIO zusammen sondern beim CPIO - dem Chief Process Innovation Officer. Mit dieser Bezeichnung soll die Orientierung an Prozessen betont werden, sagte gegenüber CIO.de Cornelius Everding, der das Amt seit seiner Schaffung im August 2008 innehat. Everding sieht sich nicht als alleine für IT zuständig an, sondern setzt auf einen Dreiklang: Mit dem CPIO kümmern sich um IT-Themen der zentrale IT-Dienstleister von Brandenburg und der sogenannte RIO-Ausschuss, die Runde der Ressort Information Officers. Aktuelles Thema ist das Forschungsprojekt "Stein-Hardenberg 2.0". Der Bund, Hamburg und Berlin, der öffentlich-rechtliche IT-Dienstleister Dataport und das Potsdamer Institut für E-Government bearbeiten die Frage, wie sich das Gemeinwesen mit modernen Werkzeugen organisieren lässt. Den CPIO hat Brandenburg beim Innenministerium angesiedelt. Amtsinhaber Everding ist nicht Staatssekretär, weshalb er - wie Kollegen aus anderen Ländern - nicht im IT-Planungsrat sitzt. Dort spricht Innenstaatssekretär Rudolf Zeeb für das Bundesland.
Hans-Henning Lühr, Staatsrat im Bremer Finanzressort
In Bremen ist die CIO-Funktion beim Staatsrat des Finanzressorts angesiedelt, Hans-Henning Lühr. Ihm direkt zugeordnet ist die Stabsstelle "Zentrales IT-Management und E-Government", die von Martin Hagen geleitet wird. Ein aktuelles Projekt der Bremer IT ist der einheitliche "Verwaltungs-PC": Ziel ist eine Standardisierung und die Professionalisierung des IT-Supports über alle Dienststellen hinweg. Im IT-Planungsrat vertritt Lühr Bremen.
Horst Baier, CIO von Niedersachsen
Das Land Niedersachsen hat am 20. März 2020 Horst Baier zum IT-Bevollmächtigten ernannt. Formal agiert der 57-Jährige als IT-Bevollmächtigter und leitet die Stabsstelle "Informationstechnik der Landesverwaltung".
Stefan Latuski, CIO der Bundesagentur für Arbeit
Stefan Latuski leitet ab 1. August 2023 als CIO die IT-Geschicke der Bundesagentur für Arbeit - zunächst kommissarisch.

"CIO-Konzept" entwickelt

Schallbruch entwickelte maßgeblich die "IT-Steuerung Bund", das sogenannte "CIO-Konzept", das 2007 vom Kabinett verabschiedet wurde.

2011 erreichte Schallbruch den siebten Platz beim Wettbewerb "CIO des Jahres" von "CIO" und "Computerwoche in der Kategorie "Großunternehmen". Als "die spannendste Aufgabe, die ich mir vorstellen kann", bezeichnete Schallbruch damals seinen Beruf. "Wir erfahren gerade, wie unser gesamtes Leben auf elektronische Prozesse umgestellt wird." Die Art und Weise, wie ein Staat diesen Vorgang begleite, entscheide maßgeblich darüber, wie er im internationalen Vergleich in Zukunft dastehe.

Vom politischen Tagesgeschäft beeinflusst

Diesen Prozess für Deutschland beeinflussen zu können, sei das Reizvolle an einem Job, der im Vergleich zu vielen anderen in der freien Wirtschaft aber selbstredend auch stärker vom politischen Tagesgeschäft und föderalen Entscheidungsstrukturen beeinflusst werde.

2002 berichtete "CIO" in dem Artikel "Moderator und Motivator" in einer Reportage erstmals über den ersten IT-Direktor im Bundesinnenministerium: "Der IT-Fachmann versteht sich selbst als Moderator und Organisator, als ein Ermöglicher, der gute Leute um sich sammeln und motivieren will", hieß es über den damals erst 36-Jährigen. Aber auch: "Der Informatiker Schallbruch hat eine schnelle Karriere gemacht, die ihm manche Langgediente im Ministerium neiden."

Streit mit dem Bundesfinanzministerium

Über die Gründe für das Ausscheiden spekuliert der "Behörden-Spiegel". Hintergrund sei ein Streit zwischen dem BMI und anderen Ministerien um die Ausrichtung der Bundes-IT. Schallbruch stand dieser Auffassung nach einer Personalie im Weg.

Der Leiter des neu eingerichteten Stabs "IT- und Cybersicherheit; sichere Informationstechnik" Stefan Paris und Freund des Innenministers sollte demnach in Zukunft die Leitung der Abteilung übernehmen die sich dann nur noch der Cyber-Sicherheit widmen sollte, während die Themen Verwaltungs-IT und E-Government in die Abteilung O, "Verwaltungsmodernisierung; Verwaltungsorganisation", von Beate Lohmann, übergehen sollte. Schallbruch stand dem im Weg.

Bericht: Vitt zog alles an sich

Zudem fühlte sich dem "Behörden-Spiegel" zufolge das Bundesministerium der Finanzen bereits seit 2007 vom BMI übergangen, als man zusammen das "IT-Konzept des Bundes" ausarbeiten sollte. Deshalb versuchte das Ministerium lange die geplante Konsolidierung der Bundes-IT zu blockieren. Offenbar erfolg- und siegreich. 2014 bekam das Finanzministerium die Führung des Bundesrechenzentrums (jetzt ITZBund) zugesprochen.

Der neue und erste echte CIO des Bundes, Staatssekretär Klaus Vitt, überging den IT-Abteilungsleiter öfter, heißt es. Die IT-Konsolidierung machte er zur Chefsache, die Projektgruppe unterstand ihm - nicht Schallbruch.

Projekte, die Schallbruch im BMI verantwortete, zündeten nicht richtig. Der neue Personalausweis, De-Mail oder Elena (elektronische Einkommensnachweis) - die IT funktionierte, doch die Nutzer waren dafür nicht zu begeistern. Nach den Snowden-Enthüllungen hörte man gar nichts mehr davon.

IT-Projekte zündeten nicht

Das BMI ist auf der einen Seite für den Datenschutz zuständig, lässt aber auch den Bundestrojaner zur Online-Durchsuchung von Computern entwickeln. Für den Bundesinnenminister waren stets die User schuld, die mit ihren Daten zu freizügig seien oder ihre Rechner nicht ausreichend schützten. Über die offensichtlich ungesetzlichen Aktivitäten der Geheimdienste BND, NSA oder GCHQ sagte er öffentlich nichts Kritisches.

Der Jurist Schallbruch hatte 1998 als persönlicher Referent der BMI-Staatssekretärin Brigitte Zypries (SPD) angefangen. 2002 wurde er erster IT-Direktor des Bundes. Den Posten gab es zuvor nicht. 2014 wurde seine Stelle zur Abteilung umgebaut.