Um hier eine Evaluation vornehmen zu können, muss zunächst ein klares Rollenverständnis vorhanden sein. Primäre Aufgabe des IT-Leiters (CIO) ist es, die elektronische Datenverarbeitung für kaufmännische Funktionen (Vertrieb, Finanzen, etc.) und die benötigte Infrastruktur, bestehend aus Netzwerken, Desktops, Servern etc., in benötigter Qualität zur Verfügung zu stellen. Die Produktion eines Unternehmens hingegen ist eine Nutzergruppe der IT und kontrolliert häufig selbst produktions- und produktbezogene Informations- und Steuerungssysteme. Dieser Bereich ist vor allem in Telekommunikationsunternehmen dem CTO zugeordnet.
Aktuelle Trends als "Konsolidierungs-Motor"
Im klassischen produzierenden Gewerbe mag die beschriebene Trennung von Vorteil sein. Aufgrund der Entwicklung und aktueller Trends in der Telekommunikations- und Medien-Branche, die ein Zusammenwachsen beider Bereiche bedingen, erscheint sie jedoch nicht mehr sinnvoll.
Doch welche Gemeinsamkeiten, die eine stärkere Zusammenarbeit erfordern, bestehen konkret? Es ist vor allem eine Hauptentwicklung zu erkennen: Das eigentliche Wirknetzwerk erweitert sich um klassische IT-Funktionen. Wichtige Anwendungen, z.B. SMS, MMS oder ganze Service-Plattformen sind eng mit klassischen IT-Funktionalitäten verzahnt. Next Generation Networks spielen in diesem Kontext eine wichtige Rolle, da hier Kernfunktionen mittels Software auf Servern betrieben werden. Diese kommunizieren wiederum über ein IP-basiertes Netzwerk miteinander und spiegeln somit wesentliche Architektur-Komponenten aus dem CIO-Bereich wider.
Zudem müssen auch kaufmännische Applikationen, etwa aus dem Bereich der Kundenabrechnung (Billing) ins Wirknetzwerk integriert werden. Vor dem Hintergrund, dass der Funktionsumfang von Billing-Systemen weit über die Möglichkeiten von traditionellen ERP- und Kundeninformationssystemen hinaus reicht, sind für die Gewährleistung betriebswirtschaftlicher Funktionalitäten spezifische Daten sowie telekommunikationstechnisches Spezial-Know-How notwendig. In Anbetracht dieser Zusammenhänge liegt eine engere Kooperation zwischen CTO und CIO nahe.
Überdies müssen sich CTOs heute Herausforderungen stellen, mit denen sich CIOs bereits vor einigen Jahren auseinandergesetzt haben: Die Infrastrukturen/ Wirknetze von Medien- und Telekommunikationshäusern werden als proprietär und teuer angesehen. Mit Blick auf den sehr stark ausgeprägten Preiskampf in der Branche sehen sich CTOs zunehmend mit der Herausforderung konfrontiert, funktionsfähige Infrastrukturen zu geringeren Kosten bereitstellen.
CIOs haben sich in den letzten Jahren nach dem Abebben der IT-Begeisterung und im Zuge der daraus resultierenden nüchternen Betrachtung von IT als Kostenfaktor bereits intensiv mit der Kostenreduktionsthematik beschäftigt. Warum sollten CTOs in dieser Hinsicht nicht von den Erfahrungen der CIOs profitieren können? Relativierend ist in diesem Kontext sicherlich darauf hinzuweisen, dass CTOs mit Recht anführen, von Ihnen einzuhaltende Kundenanforderungen, wie z.B. eine Service-Verfügbarkeit von 99,999 Prozent, Sprachqualität und Netzabdeckung, würden sich wesentlich von den Anforderungen der IT-Anwender unterscheiden. Nichtsdestotrotz vermag dieses Argument nicht die in diesem Punkt prinzipiell vorteilhafte Wirkung einer engeren Kooperation beider Bereiche grundlegend in Frage zu stellen.
Negative Folgen weiterhin getrennter Bereiche
Eine auch in Zukunft praktizierte strikte Trennung von CTO- und CIO-Funktion würde eine inhaltliche Zusammenarbeit in den genannten Bereichen verhindern. Darüber hinaus würde sie zu weiteren negativen Konsequenzen für das Unternehmen führen - mögliche Synergiepotenziale blieben ungenutzt:
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Erhöhter Personalaufwand: Für vergleichbare Aufgaben würden sowohl in der CTO- als auch in der CIO-Organisation nach wie vor separate Teams eingesetzt werden, Einsparungsmöglichkeiten durch die Zusammenlegung von Teams würden nicht realisiert werden.
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Ungebündelter Einkauf: CTO- und CIO-Organisation würden weiterhin getrennt von einander mit ihren Lieferanten in Kontakt treten. Durch gemeinsame Verhandlungen ließen sich auf Basis höherer Stückzahlen bessere Einkaufspreise erzielen.
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Uneinheitliches Management: Unterschiedliche Zieldefinition und Verfolgung von Konzepten in CTO- und CIO-Funktion würden sich negativ auswirken und zu langwierigen Korrekturarbeiten führen. Besonders betroffen: Der Innovations-/ Produktentwicklungszyklus. Durch zunehmende Commodity-Services ist die Telekommunikations- und Medienbranche darauf angewiesen, ihren Gewinn primär auf Basis von sich schnell wandelnden Services oder schnell einzuführenden, nur zeitweise verfügbaren Produkten zu erwirtschaften. Die hierfür notwendige möglichst schnelle Anpassung produktspezifischer Modifikationen an die Release-Zyklen jeweils relevanter IT-Systeme wäre ohne ein einheitliches Management nur sehr schwer zu bewerkstelligen.
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Nicht unternehmensweit konzipierte Gesamt-Architektur: Die Möglichkeit, in weiteren Bereichen Einsparungen zu realisieren, z.B. in Bezug auf den Bedarf an Hardware und Räumlichkeiten durch den gemeinsamen Betrieb von Basis-Plattformen, ist stark eingeschränkt.
Fazit
Eine engere Kooperation von CTO- und CIO-Funktion in Unternehmen der Telekommunikations- und Medienbranche ist vorteilhaft - durch eine stärkere Zusammenarbeit kann vorhandenes Wissen sinnvoll eingesetzt werden. Darüber hinaus sollten Unternehmen nicht zögern, möglichst zeitnah entsprechende organisatorische Konsequenzen zu ziehen, um nicht durch beispielsweise einen erhöhten Personalaufwand, ungebündelten Einkauf oder uneinheitliches Management gegenüber Wettbewerbern ins Hintertreffen zu geraten.
Peter Ratzer ist Berater für IT-Strategie bei Deloitte.