Herr Eberhardt, Sie behaupten, Merger und Akquisitionen seien für die Finanzbrache eine große Chance. Inwiefern gilt das für die IT?
Eberhardt: Nicht nur auf CIOs kommen natürlich erhebliche Herausforderungen zu. Ich sehe das nicht negativ. Ein Merger ist wie ein Umzug, man räumt endlich mal auf (lacht).
Die betroffenen CIOs dürften das weniger leicht nehmen …
Eberhardt: Das Problem liegt in den oft starren, historisch gewachsenen IT-Systemen. Es gibt wenig Standard-Software für Banken. Viele Anbieter wie SAP haben das lange versucht zu ändern aber erfolglos.
Warum gibt es in dieser Branche keine Standard-Produkte?
Eberhardt: Gute Frage. Man war lange einfach nicht darauf vorbereitet, IT offen zu gestalten. Und wer hat heute schon den Mut, sich von einem System zu trennen, das über 15 bis 20 Jahre gewachsen ist? Diese Chance bietet erst ein Merger.
Nicht unbedingt für beide Partner.
Eberhardt: Meistens sieht es leider so aus: Es gilt das, was der Aufkäufer mitbringt. Auch, wenn es nicht unbedingt das bessere System ist. Da müssen die Entscheider lernen, umzudenken.
Gibt es Beispiele gelungener Fusionen?
Eberhardt: Die oft als wenig innovativ bekannten Sparkassen-Organisationen haben das gut hinbekommen. Sie haben über mehrere Jahre insgesamt sieben Dienstleister zusammengelegt, letzter Höhepunkt war die Fusion von Sparkassen Informatik und FinanzIT vor rund einem Jahr. Das Beispiel zeigt, dass es geht.
In welchem Bereich kann IT Banken konkret unterstützen?
Eberhardt: Denken Sie zum Beispiel an die jungen Kundengenerationen. Die sogenannten Millennials, die nach 1980 geboren sind, erwarten ein breites Angebot an Internet- und Mobile Banking. Dabei wird die physische Filiale natürlich nicht aussterben. Aber derzeit sind die Medienbrüche zwischen den Web-Angeboten einer Bank und ihrer Filiale noch viel zu groß. Der Kunde will nicht zu seinem persönlichen Berater gehen und dem nochmal genau erklären müssen, was er auf dem Web-Portal der Bank bereits recherchiert hat.
Haben die Banken nicht schnell genug auf diese Zielgruppen reagiert?
Eberhardt: Ja, viele Institute leben nach wie vor sehr in ihrer Filial-Welt. Internet-Banking läuft nebenbei ein bisschen mit. Man hat außerdem in den letzten Jahren durch viele Maßnahmen die Kunden aus der Filiale gehalten, zum Beispiel die SB-Zonen. Die junge Generation sieht eine Bank meist nur von außen. So werden die Institute kaum neue nachwachsende Kundschaft an sich binden können.
Sie behaupten generell, die IT sei bei der aktuellen Krise - anders als beim Dotcom-Crash 2000 - nicht Ursache, sondern Teil der Lösung.
Eberhardt: IT-Lösungen können bei der Neuausrichtung eines Unternehmens helfen, wenn es darum geht, Prozesse umzugestalten oder zu optimieren.
Glauben Sie, dass höhere Risk-Management-Budgets und mehr Business-Intelligence-Systeme die Krise vermieden hätten?
Eberhardt: Einerseits ja. Wenn man sich das Risk Management der Banken ansieht, dann fällt auf, wie erschreckend gering sein Anteil am IT-Budget ist. Die Banken haben das meiste Geld dort investiert, wo am meisten zu verdienen ist: ins Investment-Banking. Andererseits - ganz so einfach ist es auch nicht. Banken verkaufen heute sehr komplexe Produkte, die sind schwer in BI-Systemen abzubilden. Das größere Problem liegt darin, dass viele oberste Bank-Entscheider heute gar nicht mehr aus dem Bankwesen kommen. Dadurch fehlt es oft am grundlegenden Verständnis für den Markt.
Thorsten Eberhardt ist Business Development Director bei dem IT-Berater Avanade Deutschland.