CIO: Herr Earl, sollte ein CIO Mitglied des Vorstandes sein?
Earl: Ja, das ist wirklich wichtig. Rund achtzig Prozent der CIOs in den größten Firmen weltweit sitzen im Vorstand oder in der Geschäftsführung. Diese Entwicklung hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich verstärkt. Mittlerweile ist weithin akzeptiert, dass man einen CIO auf dieser Ebene braucht. Die Frage ist nur: Haben wir ausreichend viele CIOs, die diese Rolle überzeugend spielen können?
In Ihrer Studie von 1994 haben Sie geschrieben, dass ein CIO, der weiter oben in der Firmenhierarchie steht, keine besseren Ergebnisse erzielt als ein CIO, der weiter unten angesiedelt ist.
Was wir damals damit sagen wollten, ist Folgendes: Es ist am besten, wenn der CIO im Vorstand sitzt. Aber wenn nicht, dann schaffen es die guten CIOs immer noch, die wichtige Beziehung zum CEO zu knüpfen. Die schlechten CIOs beklagen sich darüber, dass sie nicht Vorstandsmitglied sind. Gute Leute tun das, was nötig ist, auch wenn Sie nicht in den richtigen Ausschüssen sitzen und nicht auf der richtigen Ebene angesiedelt sind.
In Ihrer jüngsten Studie ?World IT Strategy Census" für die Compass-Unternehmensberatung haben Sie 200 Top-Manager nach ihrem Verhältnis zur Informationstechnik gefragt. Zwei Drittel davon sind mit IT-Themen beschäftigt, mehr als die Hälfte nennen Sie sogar ?hochgradig involviert". Wann bezeichnen Sie einen CEO als ?hochgradig in IT involviert"?
Meine Definition ist: Streben sie danach, ein IT-Thema auf die Tagesordnung des Vorstands zu hieven, und fechten sie ihren Standpunkt gern in Ausschüssen aus? Wollen sie an Diskussionen über IT teilnehmen und diese auch leiten, oder übergeben sie diese Aufgabe lieber an ihren IToder Finanzdirektor? Ich frage die CEOs auch: Haben Sie in der Vergangenheit selbst schon einmal an einem IT-Projekt teilgenommen oder es geleitet?
Und dabei antwortet die Hälfte der Befragten mit ?Ja"?
Ein IT-Projekt geleitet haben natürlich sehr viel weniger, aber die meisten CEOs wissen, wie wichtig die IT ist; das haben sie weitgehend akzeptiert. Das Problem ist die nächste Stufe: Sie müssen jetzt überlegen, wie IT ihr Geschäft unterstützt und verändert. Wie wir herausgefun den haben, fühlen sich alle CEOs gut damit, IT zu nutzen, in dem Sinne, dass sie gerne an ihrem PC arbeiten und auch die damit verbundenen Chancen und Risiken verstehen. Sie sind jedoch unsicher, wenn sie eine Entscheidung zu treffen haben, die Wirtschaft und IT gleichzeitig berührt. Da mangelt es den meisten CEOs noch an Selbstvertrauen.
Ist es gut für CIOs, wenn CEOs ein stärkeres Selbstvertrauen in Bezug auf IT-Themen entwickeln?
Ja. Der CIO braucht eine gute Beziehung zum CEO, und das funktioniert nur dann, wenn sich der CEO für IT-Themen interessiert. Wenn der CIO mit dem CEO keine vernünftige Unterhaltung führen kann, wird sein Leben sehr schwierig.
Können Sie ein Beispiel nennen, wo es schwierig geworden ist?
Gerade heute morgen habe ich einen CEO getroffen, der zwar irgendwie akzeptiert, dass er sich um IT und E-Commerce kümmern soll, der mir dann aber gesagt hat: ?Sehen Sie, ich habe ein Geschäft zu führen. Es gibt zurzeit einige Probleme, und da muss IT einfach warten." Das ist eine lächerliche Position. Wenn der Mann nicht bald darüber nachdenkt, wie IT seine Produkte verändert, wird er bald kein Geschäft mehr führen.
Wie viele CIOs haben mit solchen Chefs zu kämpfen?
Ich kann Ihnen da keine Prozentzahlen nennen. Ich kann Ihnen aber sagen: Es ist sehr einfach, CEOs zu finden, deren Wissen über IT eher schlecht als gut ist, und zwar weil sie das Thema nicht interessiert. Das ändert sich nur langsam.
Werden CIOs unwichtig, wenn ein CEO die strategischen IT-Entscheidungen übernimmt?
Noch vor kurzem habe ich prognostiziert, dass sich die Rolle des CIOs in fünf Jahre geändert haben wird. Bis dahin hat er sich zu dem entwickelt, was wir heute Chief Technology Officer nennen ? also zu jemandem, der dafür sorgt, dass die Infrastruktur funktioniert, und der Dienste erbringt. Der CIO wird weniger bei strategischen Fragen mitentscheiden, weil die CEOs bis dahin besser über das Thema Bescheid wissen. Aber mit dieser Fünf-Jahres- Prognose war ich wohl zu optimistisch.
Wird der CIO irgendwann an Bedeutung verlieren?
Man wird nicht mehr von ihm erwarten, dass er zaubern kann. Er wird in Zukunft nur noch zu konkreten technischen Fragen konsultiert. Aber diese Fragen werden an Bedeutung gewinnen. Also selbst dann, wenn er stärker in die technische Rolle gedrängt wird, nimmt seine Bedeutung nicht ab.
Ist es sinnvoll für eine Firma, die Stelle eines CIOs einzurichten, ohne ihm eine eigene Abteilung zu geben, sozusagen als Consultant.
Ja, selbst wenn ein CIO keine eigene Abteilung hat oder nur ein Outsourcing-Projekt überwacht: Sie brauchen jemanden, der über Technikpolitik nachdenkt.
Was ist die beste Ausbildung für einen CIO? Sollte er eher einen technischen oder eher einen kaufmännischen Hintergrund haben?
Beides. Ich glaube nicht, dass das eine ohne das andere geht. Vor zwei Jahren haben wir CIOs gefragt, welchen Teil ihrer Karriere sie am nützlichsten fanden. Die meisten sagten: Es war wichtig, ein eigenes Geschäft oder einen Geschäftsbereich zu führen. Aber wenn sie den technischen Hintergrund nicht gehabt hätten, wären sie schnell in Schwierigkeiten geraten.
Sie haben eine Menge internationaler Studien durchgeführt. Gibt es einen Unterschied zwischen deutschen und anderen CIOs?
In Westeuropa nehmen wir Technik später an als in den USA, aber wir achten stärker darauf, dass wir Vorteile daraus ziehen. In Deutschland beispielsweise ist die Technik im Allgemeinen nicht sehr fortgeschritten, aber die Performance ist gut. Der zweite Unterschied: Deutsche CIOs haben meist eine bessere formale Schulbildung ? was ein großer Vorteil ist. Und drittens: Deutsche CIOs sehen ihren Aufgabenbereich immer noch stärker in der Technik als in der Wirtschaft.
POSITION
CIOs gehören in den Vorstand
01.10.2001 von Horst Ellermann
Seit mehr als einem Jahrzent erfroscht Michael Earl die Rolle des CIOs im Unternehmen. Dessen Bedeutung werde zunehmen, prognostiziert der Londoner Wissenschaftler. Und zugleich stellt er ein wachsendes Interesse der CEOs am Thema IT fest.