2016 werden weltweit laut Forrester Research 375 Millionen Tablets verkauft werden und 760 Millionen der handlichen Rechner in Gebrauch sein. Es handelt sich damit um eine geradezu fieberhafte Ausbreitung einer mobilen Technologie, die die zunächst sehr viel langsamer anrollende Erfolgsgeschichte des PC in den Schatten stellt. Ein Drittel des Tablet-Marktes entfällt laut Forrester auf Unternehmen, und dort hat – allen Unkenrufen zum Trotz – der CIO das Heft des Handelns inne. Den IT-Chef mag der Erhalt von Kontrollmacht freuen, die Analysten aber sehen genau darin ein Problem: „Die IT beherrscht den Entscheidungsprozess über Tablets – und das sollte sie nicht.“
Schon eine Art Nackenschlag, den die Autoren Ted Schadler und Simon Yates da austeilen. Argwöhnische CIOs mögen sich daran erinnern, dass Forrester Research seinerzeit auch das Analystenhaus war, welche das „Empowerment“ der Mitarbeiter auf die Agenda setzte und seither propagiert. Tatsächlich spielt die Ausweitung der Handlungsspielräume für die Mitarbeiter auch in der jüngsten Studie eine zentrale Rolle. Selbstredend wollen Schadler und Yates aber den CIO nicht niederstrecken, sondern ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen. Im Kern erteilen sie zwei Ratschläge.
Der erste Tipp kreist um die Entscheidungsfindung vom Einstieg in die Tablet-Nutzung über den tatsächlichen Einsatz bis hin zur Ausweitung. „CIOs spielen in sechs von zwölf Stufen eine Schlüsselrolle, aber Mitarbeiter aus den Fachbereichen und Manager bleiben bei zu vielen Entscheidungen außen vor“, schreiben Schadler und Yates. „Als CIO sollte man sicherstellen, dass Leute aus dem Business an den wichtigsten Punkten der Entscheidung eingebunden sind.“
Der zweite Ratschlag zielt darauf, wie CIOs mit dem doppelten Einfallstor für Tablets im Unternehmen am besten zurechtkommen. Das transformative Szenario für Tablets sei zumeist business-getrieben, so Forrester. Zugleich brächten Mitarbeiter aus freien Stücken ihre Geräte ins Unternehmen, experimentierten damit und verbesserten selbständig Geschäftsprozesse. „Deshalb muss man als CIO die Tablet-Landschaft gleichzeitig von beiden Richtung her anpacken: business-getrieben und die Mitarbeiter ermächtigend“, heißt es in der Studie. IT-Chefs sollten sich also eine Entwicklung vergegenwärtigen, die zugleich den Ansätzen Top-Down und Bottom-Up folgt.
Dahinter steckt eine Entwicklung, die Tablets mit Macht in die Firmen treibt. 81 Prozent der Unternehmen aus Europa und den USA seien am Einsatz dieses Endgeräte-Typs interessiert, so Forrester. Die Hälfte der Firmen plane, im kommenden Jahr das Budget für Devices und Apps um mindestens ein Zehntel zu erhöhen.
15 Prozent bilden mobile Vorhut
Der wirkliche Umbruch steht dabei aber noch bevor. „Anytime, anywhere“ lautet die Überschrift für die erwartete Arbeitsweise der Zukunft. Augenscheinlich ist sie aber noch weniger Realität, als man meinen möchte. Forrester macht das an drei Kriterien fest: der Nutzung vom mindestens drei verbundenen Geräten zur Erledigung der Arbeit, dem Gebrauch von mindestens sieben Apps und der Verteilung der Arbeit auf mindestens drei verschiedene Orte im Monat.15,1 Prozent der Wissensarbeiter erfüllen bereits alle drei Kriterien – als mobile Vorhut gewissermaßen, jedoch 46,2 Prozent kein einziges. Mutmaßlich kommt auf die IT also einiges an Arbeit zu.
Zwei Flanken öffnen auf Dauer unvermeidlich die Schleusen für Tablets. Einerseits die Mitarbeiter, die allgegenwärtige Konnektivität und Komfort nicht missen möchten. Zwei Drittel beispielsweise arbeiten mit ihren mobilen Endgeräten auch von Zuhause aus. Ebenso viele schätzen an Tablets, dass sie weniger wiegen als ein Laptop und mit ihnen trotzdem prinzipiell alles geht.
Andererseits gibt es aus Business-Sicht ein Vielzahl attraktiver Einsatzszenarien: von der Flexibilität für Außendienstmitarbeiter über den engen Kundenkontakt für Retail-Mitarbeiter und den Optionen für ständiges Sammeln und Auswerten von Daten bis hin zu immer verfügbaren Dashboards und Berichten für Entscheider.
Die IT droht insofern zwischen die Mühlen zu geraten, weil sie nicht nur diese begeisternden Aspekte berücksichtigen kann. Forrester nennt vier Aspekte, die Tablets in diesem Zusammenhang zu einer besonderen und nicht einfachen Ressource machen: Multiplatform, Multisourced, Multiapplication und Multiuse.
Multiplatform: Anders als in guten alten PC-Tagen mit Microsoft Windows als Betriebsystem für alle Geräte, gibt es bei den mobilen Endgeräten eine Reihe von Plattformen, insbesondere Apple iOS, Google Android und Windows 8. Forrester geht davon, dass zumindest dieses Trio dauerhaft eine Rolle auf dem Markt spielen wird. Aktuell nutzen laut Studie 53 Prozent der Anwender ein iPad von Apple zur Arbeit, 13 Prozent Samsung Galaxy, dahinter folgt dann eine ganze Reihe von Geräten mit geringerer Verbreitung. „Für die IT bedeutet das Komplexität – und Wettbewerb, der zur ständigen Verbesserung jedes Teilnehmers führt“, so Forrester.
PC-Rezept hilft nicht weiter
Multisourced: 70 Prozent der Wissensarbeiter wählen ihr Tablet-Gerät völlig frei aus, weitere 13 Prozent können aus einer vorgefertigten Liste aussuchen. „Diese Macht der persönlichen Entscheidung sollte nicht verschwinden, weil die Vorzüge einer Konsumerisierung zu groß sind“, so Forrester. „Auch wenn die Unternehmen einen immer größeren Anteil an Arbeits-Tablets einkaufen, wird bei den Mitarbeitern ähnlich wie bei Cowboys das Verlangen fortbestehen, das zu sattelnde Pferd selbst zu bestimmen.“
Multiapplication: Anders als bei Smartphones wollen die Mitarbeiter auf einem Tablet tatsächlich jede verfügbare App draufhaben, so Forrester. „Und Tablet-Nutzer sind auch Ihre Power-User“, heißt es in der Studie, direkt an die CIOs gerichtet. Soll heißen: Die Nutzung einer Vielzahl von Anwendungen wird sich für Tablets nicht verhindern lassen, selbst wenn die Erfahrung mit Smartphones anderes gelehrt haben sollte.
Mutliuse: Arbeit und Freizeit wollen Tablet-Nutzer noch weniger trennen als User mit anderen Geräten. 60 Prozent erwarten laut Forrester, dass sie daran nicht gehindert werden. Als Beispiel erwähnt die Studie einen Anwender aus dem Rüstungsbereich, der seinen Mitarbeitern die Nutzung fast aller Apps aus dem Apple Store freistellt. Nur eine Handvoll Apps stünden auf einer Schwarzen Liste.
Der Zungenschlag wider zu starke Kontrolle ist klar zu vernehmen. Es zeige sich, dass Mitarbeiter und Management stark an Wirksamkeit und Qualität ihrer Tablets interessiert seien. Deshalb könne die IT beim Einkaufs- und Einsatzprozess nicht so vorgehen, wie bei PCs gewohnt. Genau an dieser Stelle leitet Forrester aus den gesammelten Daten eine Benchmark ab, an der sich CIOs orientieren können.
Dazu werden vier Phasen unterschieden, die sich wiederum in insgesamt zwölf Prozessschritte unterteilen: erstens die Phase der Bewusstseinsbildung, bestehend aus Identifizierung des Business Issues und Einleitung der Evaluierung; zweitens die Prüfphase mit Ausschreibung, Anbieterselektion, Kontaktaufnahme mit Anbietern, formellem Review sowie Test und Evaluierung von Lösungen; drittens die Einkaufsphase mit der Empfehlung von Anbietern und der Kaufentscheidung; viertens die Expansionsphase mit Implementierung, Überprüfung der ersten Ergebnisse und Ausweitung der Nutzung.
Dropbox nicht unterbinden
Kurz zusammengefasst zeigt sich hier, dass die IT bei all diesen Etappen die entscheidende Rolle spielt – sei es vornehmlich der CIO wie in der zentralen Einkaufsphase, seien es IT-Manager und IT-Spezialisten. Wirklich starken Einfluss hat daneben lediglich die Beschaffungsabteilung bei der Auswahl von Anbietern und der Kontaktaufnahme.
Forrester rät vor diesem Hintergrund dazu, Business und Mitarbeiter bei sechs Schlüsseletappen stärker als bisher einzubinden: bei der Identifizierung der geschäftlichen Chancen, bei der Initiierung der Evaluation, beim Testen und Evaluieren von Lösungen, bei der Empfehlung von Anbietern, bei der Implementierung und bei der Erfolgsprüfung.
Bei der Anbieterempfehlung verweist Forrester beispielsweise auf das starke Eigeninteresse der Mitarbeiter, mit Apps wie Dropbox oder Skype zu arbeiten – in der Regel zum Nutzen der Arbeitseffizienz. „Tun sie sich also selbst einen Gefallen und lassen sie Führungskräfte und Mitarbeiter bei der finalen Anbieterwahl mitreden“, heißt es in der Studie.
Ebenso sinnvoll sei ein Miteinander, um die Tablet-Treiber im Unternehmen sinnvoll auszubalancieren: via Bring Your Own Device (BYOD) als Chance, für einen breiten Einsatz von Tablets zu sorgen, und über business-getriebene Programme, die die Chancen für eine durch Tablets mögliche Transformation von Geschäftsprozessen ausloten. Vor zwei Fehlannahmen warnt Forrester die CIOs noch ausdrücklich: Tablets würden Notebooks nicht verdrängen, ebenso werde Windows RT die Tablets von Apple und Android nicht überflüssig machen. Die Studie „Mastering The Business Tablet Landscape“ ist bei Forrester Research erhältlich.