Als Hintergrund dieser Entwicklung gilt einmal mehr der Mega-Trend SOA. Die Sichtweise, wonach IT je nach Bedarf jetzt und gleich neu arrangiert werden kann, setzt sich so stark durch, dass Aberdeen das Reizwort der Revolution bemüht.
Die Analysten beziffern das Markvolumen von Fertig-Anwendungen auf ein Prozent der weltweiten IT-Ausgaben von 1,3 Billionen US-Dollar. Gleichzeitig können jedoch die Kosten, die das Implementieren und Instandhalten zugekaufter Applikationen verursachen, bis zu 40 Prozent des IT-Budgets eines Unternehmens verschlingen. Lizenzkosten, so die Analysten, stellen dabei den kleinsten Anteil.
Entwicklungstechnologie im Wandel
Dennoch warnen die Analysten davor, zugekaufte Anwendungen herauszureißen und auf gut Glück selbst zu entwickeln. Sie geben zu Bedenken, dass der Neubau von Applikationen teuer wird, wenn die IT nicht insgesamt entsprechend modernisiert wird, und dass von Vornherein Compliance-Vorgaben einzubeziehen sind.
Bevor also mit eigenen Entwicklungen begonnen wird, sollten CIOs nach den Worten von Aberdeen Methodologie und Organisation ihrer Entwicklungen überprüfen. Dazu ein Analyst: "Auch das Outsourcen dieses Jobs zieht Test- und Implementierungskosten nach sich. Es ist ohne einen Wandel der Entwicklungs-Technologie schlicht nicht praktikabel."
Konkret nennt Aberdeen drei Punkte, in denen CIOs ihr Unternehmen neu aufstellen müssen:
1. Business Process Modeling: Die größte Kostenschleuder steckt aus Sicht der Analysten in dem Umstand, dass Logik und Regeln der Geschäftsprozesse nicht transparent sind. Wichtig ist daher, Prozesse und ihre Veränderungen genauestens zu dokumentieren. Danach müssen die Programme entsprechend geändert und getestet werden.
Automatisierte Prozess-Extraktions-Lösungen
Aberdeen beobachtet, dass viele Fachleute Schwierigkeiten haben, aus den bestehenden Anwendungen die Business-Logik zu extrahieren. Automatisierte Prozess-Extraktions-Lösungen bekommen daher nach Meinung der Analysten Auftrieb.
2. Information als Service: Seit service-orientierte Architekturen den Wieder-Gebrauch von Geschäftsprozessen möglich machen, bildet sich der Nutzwert-Charakter von Informationen heraus. Für die Unternehmen heißt das, dass keine Daten unberührt in ihren Speichern liegen bleiben, während die Prozesse im Rahmen einer Migration auf SOA neu strukturiert werden.
3. SOA Infrastruktur: Die Unternehmen haben erkannt, dass sich Investitionen in die SOA-Infrastrutkur lohnen. Wie Aberdeen meldet, richten so genannte Best-in-Class-Firmen - Unternehmen, die nach bestimmten Kennzahlen als besonders erfolgreich gelten - SOA-Koordinationsbüros ein. Die verantworten alle erforderlichen Punkte von der Integrations-Plattform über die Sicherheit bis zu Governance. Nach Aussage der Analysten können die Integrationskosten dadurch erheblich gesenkt werden. Jetzt in die Tasche zu greifen zahle sich auf lange Sicht aus.
Die Experten gehen davon aus, dass viele Firmen für diesen Weg derzeit noch nicht gerüstet sind. Insbesondere sehen sie einen wachsenden Bedarf an IT-Analysten, Prozess-Optimierern und Software-Architekten. Programmierer und Datenbank-Administratoren müssen sich auf die genannte Entwicklung spezialisieren, wenn sie nicht arbeitslos werden wollen.
Auch SOA-Musterschüler IBM kauft bei SAP
Dennoch: Aberdeen stimmt nicht in den Chor derer ein, die das Ende des Applikationen-Kaufs vorhersagen. Denn wie die Analysten erklären, haben die unabhängigen Software-Verkäufer nicht geschlafen und stellen sich auf den veränderten Markt ein. Beispiel IBM: Die Analysten halten IBM für eine Musterfirma in Sachen SOA - und trotzdem kauft das Unternehmen ERP-Applikationen von SAP. Aberdeen hat die Expertise "Enterprise Applications: Build or Buy?" im Juni vorgestellt.