Das Attribut „Schatten“ verheißt selten gutes – man denke etwa an die ökonomischen Grauzonen am Rande oder jenseits der Legalität, die unter dem Schlagwort „Schattenwirtschaft“ erahnt werden. Begünstigt durch Trends wie Cloud Computing oder Mobile IT wächst auch die Schatten-IT, und zwar an der Kontrolle von CIO und IT-Abteilung vorbei. Will die IT-Abteilung nicht an Bedeutung verlieren, ist deshalb ein stärkeres Augenmerk auf die Anwenderbindung zu legen. Das jedenfalls empfiehlt mit Nachdruck Axel Oppermann, Analyst der Experton Group.
„Unter Schatten-IT wird in der Regel der Einsatz von Informations- und/oder Telekommunikationstechnologie sowie IT-basierten Prozessen und Organisationsabläufen verstanden, die neben der regulären IT – und in der Regel ohne ihr Wissen – betrieben wird“, definiert Experton. Besonders in Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern nehme das Problem auch in Deutschland gravierende Ausmaße an. Betroffen seien aber auch kleinere Unternehmen, sofern eine dezentrale Struktur bestehe.
Ursache dafür sind laut Oppermann gesellschaftliche und organisatorische Veränderungen, wie sie unter dem Begriff „Konsumerisierung“ gefasst werden; aber auch erfolgreiche Marketing-Offensiven der Hersteller, die sich direkt an die Fachabteilungen wenden. Die Anwender und Abteilungen empfinden diese Entwicklung als „Demokratisierung der IT“; Unternehmen erfreuen sich zumindest kurzfristig an einer bedarfsgerechteren Beschaffung.
„Mittel- bis langfristig überwiegen allerdings die Nachteile“, so Oppermann. Der Analyst nennt konkret Sicherheits-, Governance- und Compliance-Risiken, heterogene Infrastrukturen und fehlende Interoperabilität. Hauptleidtragender sei indes die interne IT, die an Bedeutung sowie Einfluss auf Geschäftsprozesse und Geschäftsentwicklung einbüße. „Gleichfalls werden die Weiterentwicklungsoptionen der IT-Abteilung gelähmt.“
CIOs kann die Ausweitung der Schattenzone deshalb nicht gefallen. Experton arbeitet allerdings heraus, dass Versäumnisse der IT-Abteilungen diese Entwicklung befördern. „Oftmals werden die Interessen und Bedürfnisse der Fachabteilungen nicht gehört“, kritisiert Oppermann. Meinungen der Business-Entscheider würden bei Planungen und konzeptuellen Implementierungen übergangen, Lizenzen und Hardware am Bedarf vorbei beschafft.
Analyse in zwei Schritten
Hinzu komme, dass IT-Abteilungen häufig und fälschlich einen offenen Gesprächsumgang von Anwenderseite annähmen. Der CIO denkt beispielsweise, dass die Anwender Wünsche und Kritik direkt äußern. Das geschieht nach Experton-Einschätzung aber nur selten. „Eine offene Kommunikations-, Diskussions- und Streitkultur fehlt“, so Oppermann. „Diese Situation ist über Jahre gewachsen und von Misstrauen, Resignation und Desinteresse geprägt.“
Nun will Experton den Schwarzen Peter keineswegs allein der IT zuschieben. Diese sollte aber ein hohes Eigeninteresse daran haben, die verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Der Kampf gegen die Schatten-IT muss demnach damit beginnen, dass die IT aktives Marketing nach innen betreibt und die Anwender als Kunden anspricht.
Entscheidend sei, dass alle Anwender und Entscheider aus allen Einheiten und Abteilungen in den Kommunikationsprozess einbezogen würden, so Oppermann. Das heißt: nicht nur Kollegen, die gerade in spezifische Projekte involviert sind. „Die Ansprache der unterschiedlichen Zielgruppen sollte bedarfsorientiert erfolgen“, so der Analyst weiter. „Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit der IT-Einheit innerhalb der eigenen Unternehmung darzustellen.“
Basis dieser Marketing-Aktivitäten sollten laut Experton ausgewogene Analysen der Nutzerstrukturen sein, deren Ergebnisse in einen Marketingplan übertragen werden. Geschehen kann diese beispielsweise in zwei Schritten. Zunächst werden die unterschiedlichen Erwartungen der einzelnen Geschäftsbereiche an die IT ermittelt. Dabei befragt die IT-Abteilung die Anwender und analysiert Nutzerprofile.
Im zweiten Schritt erfolgt die Segmentierung der Bedürfnisse nach Arbeitsplatzbeschreibungen; dabei kann auf Rollen wie „Nutzer“, „Manager“ oder „Geschäftsführung“ zurückgegriffen werden. „Der Projektmanager aus Reihen der IT-Abteilung sollte bei dieser Gruppierung eng mit der Personalabteilung und gegebenenfalls mit den Arbeitnehmervertretern kooperieren“, empfiehlt Analyst Oppermann.
Warnung vor E-Mail-Flut
Nach einer derartigen Analyse müssen die Instrumente ausgewählt werden, mit denen die Anwender angesprochen und die Produkte der IT beworben werden. Experton rät, dabei von verallgemeinerten und abstrahierten Informationen abzusehen. Auch auf eine Flut an E-Mails sollte verzichtet werden, da diese schnell als lästiger Spam empfunden werden. Der Königsweg sei eine Kombination verschiedener Kommunikationskanäle wie E-Mail, Intranet, Unternehmensportal, Blogs, Wikis und RSS-Feeds.
Das Feedback der Nutzer sollte laut Experton in einem zentralen Tool gesammelt und ausgewertet werden, zum Beispiel in einem Tool für Customer Relationship Management (CRM). „Gemeinsam mit der Analyse der Helpdesk-Anfragen kann so die Kommunikation stetig verbessert werden“, so Analyst Oppermann. Dem IT-Chef komme bei all diesen Eigenmarketing-Maßnahmen ein zentrale Rolle zu: „Die Orchestrierung dieser einzelnen Schritte und Teildisziplinen ist die wesentliche Herausforderung der CIOs.“